Digitale Regulierung

Digital Fairness Act Unpacked: Bereichsübergreifende Themen

Veröffentlicht am 23rd Oktober 2025

Die Deadline zur Teilnahme an der Konsultation der Europäischen Kommission zum Digital Fairness Act (DFA) rückt näher. Rückmeldungen können noch bis zum 24. Oktober eingereicht werden.

Die öffentliche Konsultation ist Teil der Evaluierung der Kommission, mit der untersucht wird, ob das EU-Verbraucherrecht für unsere digitale Umgebung zweckmäßig ist und ob neue Regulierungen erforderlich sind, um digitale Fairness für Verbraucher:innen sicherzustellen.

Dieser abschließende Beitrag unserer Miniserie konzentriert sich auf Abschnitt neun der Konsultation. Hier werden Querschnittsthemen behandelt, zu denen die Kommission Meinungen zur möglichen Einführung weiterer spezifischer Maßnahmen einholt. Ziel ist es, den Verbraucherschutz zu verbessern, dessen Durchsetzung zu stärken und das Funktionieren des Binnenmarkts in der digitalen Umgebung zu fördern.

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Welche konkreten Maßnahmen schlägt die Kommission vor?

Die Kommission holt Meinungen zu fünf bereichsübergreifenden Maßnahmen ein, die auf übergeordnete Herausforderungen im digitalen Markt abzielen. Diese Maßnahmen haben, soweit sie umgesetzt werden, das Potenzial, die Herangehensweise im EU-Verbraucherschutz grundlegend zu verändern. Sie gehen über einen informationsbasierten Ansatz hinaus, bei dem Unternehmen rechtlich verpflichtet sind, Verbraucher:innen über ihre Produkte und Dienstleistungen zu informieren, hin zu einem stärker interventionistischen Ansatz, der sich auf das Design von Beginn an konzentriert.

1. Verpflichtende Altersverifizierungs- und Altersabschätzungstools

Die Kommission fragt nach Einschätzungen dazu, ob digitale Produkte, die Minderjährigen zugänglich sind und bestimmte kommerzielle Praktiken enthalten, verpflichtend Altersverifizierungs- oder Altersabschätzungstools nutzen sollten.

Der Schutz von Minderjährigen hat sich als Kernthema der digitalen Fairness-Agenda der EU herauskristallisiert. Trotz bestehender Bestimmungen in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), dem AI Act und dem Digital Services Act (DSA) bleiben erhebliche Lücken. Mehrere Mitgliedstaaten haben stärkere Schutzmaßnahmen gefordert, darunter Elternkontrolle, Beschränkungen für Persuasive Design und einheitliche technische Standards. Zunehmend wird auch ein Mindestalter für den Zugang zu sozialen Medien gefordert, wenn auch mit unterschiedlichen Altersgrenzen.

Der risikobasierte Ansatz des Art. 28 DSA könnte als Ausgangspunkt dienen für leichtere Maßnahmen für risikoarme Bereiche sowie strengere Verifizierung für risikoreiche Bereiche wie etwa Online-Glücksspiel.

Im Allgemeinen wächst der Bedarf an globalen technischen Standards und Interoperabilität, um eine Marktzersplitterung zu vermeiden und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen, die in mehreren Rechtsordnungen tätig sind.

2. Fairness by Design

Die Kommission prüft, ob Unternehmen „Fairness by Design“ gewährleisten sollten, das heißt, technische und organisatorische Maßnahmen implementieren, um Verbraucherschutzbelange in allen Phasen der Entwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung zu berücksichtigen.

Die Einführung eines umfassenden „Fairness by Design“-Prinzips würde den Verbraucherschutz grundlegend neugestalten. Anstatt sich allein auf Informations- und Einwilligungsmechanismen zu stützen, müssten Unternehmen Verbraucherschutzvorkehrungen von Grund auf in die Ausgestaltung ihrer digitalen Produkte und Dienstleistungen einbetten.

Dieses Prinzip greift das Konzept der „digitalen Asymmetrie“ auf. Es beschreibt das Machtungleichgewicht im digitalen Raum. Digitale Unternehmen steuern, was Verbraucher:innen sehen und wie Informationen präsentiert werden. Dafür nutzen sie ausgefeilte Techniken, die für die durchschnittlichen Verbraucher:innen zu komplex sind, um sie zu verstehen oder ihnen entgegenzuwirken. Diese Asymmetrie erfordert eine neue Herangehensweise, die einen robusten Verbraucherschutz gewährleistet und zugleich die Autonomie und Entscheidungsfähigkeit der Verbraucher:innen wahrt. Diese Richtung spiegelt die Arbeit der Competition and Markets Authority (CMA) des Vereinigten Königreichs wider. Die CMA setzt sich dafür ein, Fairness von Anfang an in digitale Produkte und Dienstleistungen einzubauen und so die Verantwortung auf die Plattformbetreiber:innen statt auf Verbraucher:innen zu verlagern.

Die Verankerung von „Fairness by Design” würde Unternehmen zu einem proaktiven Vorgehen über den gesamten Produktentwicklungszyklus hinweg verpflichten. Dazu gehört die Durchführung von Risikobewertungen bereits in der Entwurfsphase, die Identifikation potenzieller Schäden für Verbraucher:innen, insbesondere für vulnerable Personen, sowie die Implementierung von Schutzmaßnahmen, die sich mit dem Produkt weiterentwickeln können. Dieser Ansatz kann das Vertrauen der Verbraucher:innen stärken und potenzielle Wettbewerbsvorteile schaffen, während er Regulierungs- und Compliance-Risiken reduziert.

3. Umkehr der Beweislast

Zur Stärkung der Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts holt die Kommission Ansichten zur Umkehr der Beweislast ein. Diese soll für Fälle gelten, in denen Verbraucher:innen, berechtigte Dritte oder Behörden unverhältnismäßige Schwierigkeiten haben, Informationen zu erlangen, um das Fehlverhalten eines Unternehmens nachzuweisen.

Dieser Vorschlag steht vor dem Hintergrund von Durchsetzungsherausforderungen in der EU im digitalen Bereich, trotz hoher Verbraucherschutzstandards, insbesondere aufgrund der Komplexität digitaler Technologien und KI. Der Black-Box-Charakter digitaler Infrastrukturen und der ihnen zugrunde liegenden Algorithmen hat dazu geführt, dass Verbraucher:innen erhebliche Hürden beim Nachweis unlauterer Geschäftspraktiken überwinden müssen. Häufig haben sie keinen Zugang zu relevanten Informationen darüber, wie Algorithmen funktionieren oder wie Daten verarbeitet werden.

Der Vorschlag, die Beweislast in Fällen unverhältnismäßiger Beweisschwierigkeiten umzukehren, entspricht einem wachsenden Trend im EU-Verbraucherschutzrecht. So senkt etwa die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie die Beweislast in Fällen technischer oder wissenschaftlicher Komplexität.

4. Änderung der Definition des Verbrauchers

Die Kommission fragt, ob die aktuelle Definition des „durchschnittlichen Verbrauchers” geändert werden sollte, um die Realität des Verbraucherverhaltens in der digitalen Umgebung besser widerzuspiegeln.

Der geltende rechtliche Standard definiert den „durchschnittlichen Verbraucher” als „angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch“. Diese Definition trägt jedoch häufig nicht dem tatsächlichen Verhalten von Verbraucher:innen in digitalen Umgebungen Rechnung, insbesondere nicht dem Verhalten besonders schutzbedürftiger Verbraucher:innen, die von „addictive design” und Algorithmen beeinflusst werden können, ohne vollständig informiert oder digital kompetent zu sein.

Allerdings bieten der Standard des „durchschnittlichen Verbrauchers“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie die Instrumente „durchschnittliches Mitglied der Gruppe“ und „vulnerable:r Verbraucher:in“ bereits einen flexiblen Rahmen, der an unterschiedliche Kontexte angepasst werden kann. Die Einführung neuer Maßstäbe könnte die Rechtssicherheit untergraben und Verwirrung darüber stiften, welcher Standard in welchen Umständen gilt.

Jüngste Reformen wie der New Deal for Consumers und der DSA befinden sich noch in der Umsetzung. Es könnte daher verfrüht sein, Maßstäbe neu zu kalibrieren, bevor diese Reformen besser verstanden sind und ihre Wirksamkeit (oder Unwirksamkeit) zeigen.

Verbraucherbildung und das Schließen von Harmonisierungslücken zwischen den Mitgliedstaaten könnten unmittelbarere Vorteile bringen, ohne die potenziellen Risiken einzugehen, die mit der Änderung einer etablierten Definition verbunden sind.

5. Verhinderung der Ausnutzung möglicher vorübergehender Schwachstellen von Verbraucher:innen

Der letzte Vorschlag holt Ansichten dazu ein, ob gesetzlich verhindert werden sollte, dass kommerzielle Praktiken auf mögliche Schwachstellen von Verbraucher:innen abzielen, seien sie vorübergehender oder dauerhafter Natur (z. B. sozialdemografische, verhaltensbezogene, finanzielle oder persönliche Merkmale).

Moderne Technologien ermöglichen es Unternehmen zu erkennen, wenn Verbraucher:innen sich in einem verletzlichen Zustand befinden, etwa aufgrund von Trauer oder finanziellen Belastungen, und kommerzielle Praktiken so zuzuschneiden, dass diese Schwachstellen ausgenutzt werden. Dazu kann gehören Verbraucher:innen gezielt anhand von Verhaltensmustern wie Impulskäufen oder suchtanfälligem Verhalten auszuwählen und anzusprechen.

Der neue britische Digital Markets, Competition and Consumers Act bietet einen nützlichen Vergleich. Es hat die Definition eines vulnerablen Verbrauchers erweitert, um Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Die überarbeitete Definition umfasst die individuellen und persönlichen Umstände der Verbraucher:innen wie finanzielle Situation, Scheidung oder Arbeitsplatzverlust. Dieser Ansatz erkennt an, dass nicht nur traditionell geschützte Gruppen Schwachstellen haben können, sondern unter bestimmten Umständen jede:r Verbraucher:in.

Eine verlässliche Identifikation „vorübergehender Schwachstellen“ wirft komplexe Fragen der Machbarkeit und des Datenschutzes auf, einschließlich Beschränkungen unter den Profiling-Bestimmungen der DSGVO. Dies birgt das Risiko einer Überdehnung und könnte legitime Personalisierungspraktiken erfassen, die Verbraucher:innen zugutekommen.

Ein besser ausbalancierter Ansatz könnte einen risikobasierten, kontextspezifischen Rahmen mit angemessenen Sicherungen vorsehen, der zwischen schädlicher Ausnutzung von Verletzlichkeiten und vorteilhafter Personalisierung unterscheidet.

Dieser Insight ist der Neueste in unserer Miniserie zu den Themen der Konsultation, in der wir bisher Dark Patterns, Addictive Designs, spezifische Funktionen in digitalen Produkten, unfaire Personalisierungspraktiken, unfaire Praktiken von Social Media Influencern, unfaire Preisgestaltung, digitale Verträge und Vereinfachungsmaßnahmen untersucht haben.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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