Digital Fairness Act Unpacked: Vereinfachungsmaßnahmen
Veröffentlicht am 21st Oktober 2025
Die öffentliche Konsultation zu dem Digital Fairness Act endet in wenigen Tagen, am 24. Oktober. Bis dahin können Unternehmen, Verbände und andere Interessensträger ihre Perspektive in den Gesetzgebungsprozess einbringen.
In unserer Miniserie „Digital Fairness Act unpacked” beleuchten wir alle Kernthemen der Konsultation. Dieser Beitrag stellt die Überlegungen der Europäischen Kommission zu Vereinfachungsmaßnahmen im Rahmen des DFA dar und erklärt, warum solche Maßnahmen ergriffen werden und wie diese umgesetzt werden sollen.

Warum erwägt die Europäische Kommission Vereinfachungsmaßnahmen?
Laut der Europäischen Kommission hat die Evaluierung zur digitalen Fitness (Digital Fitness Check) nicht nur Lücken im Verbraucherschutz offenbart, sondern auch Möglichkeiten aufgezeigt, um das bestehende digitale Regelwerk zu vereinfachen und dadurch den Verbraucherschutz zu stärken. Sie hat dargelegt, dass das bestehende Regelwerk durch rechtliche Unsicherheit und Unklarheiten in einigen Bereichen nicht nur hohe Compliance-Kosten verursacht, sondern auch Hürden im Binnenmarkt schafft und somit die Wettbewerbsfähigkeit der EU beeinträchtigt.
Deshalb verfolgt die Europäische Kommission das Ziel Rechtssicherheit zu schaffen und Compliance-Kosten für Unternehmen zu senken und so der Zersplitterung des Binnenmarktes entgegenzuwirken. Diese Probleme beeinträchtigen den Binnenmarkt und faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen. Vereinfachungsmaßnahmen könnten die Hürden im Binnenmarkt beseitigen und die Rechtsvereinheitlichung voranbringen. Dies würde die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken.
Welche Vereinfachungsmaßnahmen zieht die Europäische Kommission in Betracht?
Die Konsultation legt Wert darauf, dass der Verbraucherschutz Vorrang vor der Vereinheitlichung des Binnenmarktes durch Vereinfachungsmaßnahmen genießt. Die europäische Kommission wird deshalb keine Vereinfachungsmaßnahmen in Betracht ziehen, die das Niveau des Verbraucherschutzes absenken. Die Veränderungen, die zur Debatte stehen können in zwei Kategorien eingeteilt werden. Zum einen solche, die eine grundlegende Vereinfachung des digitalen Regelwerks der EU betreffen und zum anderen konkrete Maßnahmen.
I. Vereinfachungen der digitalen EU-Regulierung
Die Konsultation sucht nach Vorschlägen für eine Reduktion der nationalen Rechtszersplitterung durch eine weitergehende Harmonisierung auf EU-Ebene und nach Ideen, um bessere Rechtssicherheit und -Klarheit in Schlüsselbereichen sicher zu stellen. Teil der Konsultation ist auch die Frage welche konkreten Bereiche der Regulierung des digitalen Marktes weiter auf EU-Ebene harmonisiert werden können. Das umfasst auch die Frage nach Möglichkeiten für Harmonisierung in den Bereichen, die unseren vorherigen Deep Dives beleuchtet wurden (also Dark Patterns, Addictive Design, Funktionen in digitalen Produkten, Personalisierung, Social Media Influencer, unfaire Preisgestaltung, digitale Verträge). Wie in unseren Deep Dives dargestellt, ist die Regulierung in diesen Bereichen umfassend und wird von einer Vielzahl von Regelwerken statt von einem einzigen Regime bestimmt. Es ist also wenig überraschend, dass die Europäische Kommission dazu aufruft das Verhältnis zwischen den verschiedenen EU-Regelwerken zu überdenken, die auf den digitalen Bereich anwendbar sind, und zu hinterfragen, ob die verschiedenen Interessensträger sich über ihr Verhältnis zueinander im Klaren sind.
II. Konkrete Maßnahmen
Darüber hinaus zieht die Europäische Kommission in Betracht, bestimmte Verbraucherschutzmaßnahmen zu vereinfachen. Dies betrifft vor allem Vorschriften der Verbraucherrechte-Richtlinie (CRD) etwa die Neugestaltung des Verbraucherwiderrufsrecht bei digitalen Abonnements (z.B. für Audio- oder Video-Streaming) und die Reduktion von Informationspflichten bei wiederholten Transaktionen mit demselben Händler (z.B. In-App-Käufe). Die Konsultation fragt die Interessensträger, ob sie diese Maßnahmen für angemessen halten.
1. Neugestaltung des Verbraucherwiderrufsrecht bei digitalen Abonnements
Die europäische Kommission zieht eine Neugestaltung des Verbraucherwiderrufsrechts bei digitalen Abonnements in Betracht. Die betrifft vor allem Audio- und Video-Streaming-Dienste und zielt darauf ab das Widerrufsrecht nachhaltiger und praktikabler für die Anbieter zu gestalten. Gleichzeitig soll das Recht des Verbrauchers seine Meinung zu ändern erhalten bleiben. Die Interessensträger werden gebeten Rückmeldungen dazu zu geben, ob sie eine Neugestaltung für angemessen halten. Die Konsultation gibt keinen Aufschluss darüber, wie eine Balance zwischen Praktikabilität für den Anbieter und der Rechte der Verbraucher erreicht werden kann.
Prinzipiell unterliegen Streamingdienste momentan einem Widerrufsrecht. Allerdings gibt es immer noch keine Klarheit darüber, welchem Regime dieses Widerrufsrecht unterfällt. Anfang diesen Jahres wurde dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob ein Video-Streamingservice als digitaler Inhalt oder als digitale Dienstleistung zu klassifizieren ist. Je nach Einordnung ändert sich das auf das Widerrufsrecht anwendbare Regelwerk deutlich. Im Falle eines Vertrags über digitale Inhalte kann der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen sein Widerrufsrecht vor Ablauf der Widerrufsfrist verlieren, sobald die Vertragserfüllung beginnt, also sobald der Verbraucher Zugriff auf die Streaminginhalte hat. Im Falle eines Vertrages über eine digitale Dienstleistung kann das Widerrufsrecht erst dann erlöschen, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Abonnements werden in der Regel nicht 14 Tage nach Vertragsschluss vollständig erfüllt. Das heißt, dass in diesem Fall das Widerrufsrecht des Verbrauches bestehen bleibt und der Verbraucher eine anteilige Erstattung erhalten kann. Wenn Streamingdienste also als digitale Dienstleistung einzuordnen sind, kann der Verbraucher auch nach intensiver Nutzung immer noch zurücktreten. Dies kann zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen und birgt ein erhöhtes Risiko für eine missbräuchliche Nutzung des Widerrufsrechts aus Sicht des Streaminganbieters. Der EuGH wird einige Klarheit über die Einordnung von Streamingdiensten bringen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob das Ergebnis dieser Entscheidung gerecht für Streaminganbieter sein wird. Bis dahin bietet die Konsultation eine Möglichkeit darüber zu diskutieren, was fair wäre und eine potenzielle gesetzgeberische Intervention vorzubereiten, soweit diese notwendig erscheint.
2. Reduzierung von Verbraucherinformationspflichten
Eine andere Maßnahme, die in Betracht gezogen wird, ist die Reduzierung von Verbraucherinformationspflichten bei wiederholten Transaktionen mit demselben Händler und bei automatisierten Verträgen, die der Verbraucher unter Nutzung eines digitalen (KI-) Assistenten abschließt.
In-App-Käufe werden hier als Beispiel für ein Szenario aufgeführt, in dem das relevant werden kann. Aktuell müssen die Anbieter wiederholt die vollständigen Informationen für jede einzelne Transaktion bereitstellen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Käufe, die mit einer In-Game-Währung vorgenommen werden, Transaktionen darstellen und den umfassenden Informationspflichten aus der Verbraucherrechte-Richtlinie unterfallen. Laut den im März 2025 vom Verbraucherschutznetz (CPC-Netz) herausgegebenen Leitprinzipien für In-Game-Währung, unterliegt der Austausch von In-Game-Währung gegen andere In-Game-Gegenstände auch den ausführlichen Informationspflichten der Verbraucherrechte-Richtlinie. Ob diese Interpretation dem aktuell anwendbaren Recht entspricht, bleibt abzuwarten. Vor diesem Hintergrund stellt die Europäische Kommission allerdings die Frage, ob die Gesamten Informationen für jede Transaktion bereitgestellt werden müssen, ob so eine Vorgehensweise den Verbraucherschutz stärkt und ob es möglich ist, die Compliance-Vorgaben für In-App-Käufe zu vereinfachen, ohne das hohe Verbraucherschutzniveau abzusenken. Die Argumentation beruht auf dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit aber auch darauf, dass eine Informationsüberfrachtung dazu führen kann, dass der Verbraucher automatisch Informationen ausblendet. Eine Überfrachtung des Verbrauchers mit Informationen kann den Sinn und Zweck des Verbraucherschutzrechtes untergraben. Eine Vereinfachung der Compliance-Anforderungen für In-App-Käufe und vergleichbare wiederholte Transaktionen könnte also den Verbraucherschutz stärken.
3. Ende der Rechtszersplitterung bezüglich der Preisreduktion von verderblichen Gütern
Ferner wird auch in Betracht gezogen die aktuelle Zersplitterung der nationalen Regelungen zu Preisreduktionen von verderblichen Gütern zu beenden. Momentan sind die Regelungen zu Preissenkungen für Lebensmittel zersplittert, da die Mitgliedstaaten von den Grundprinzipien der Preisangabenrichtlinie abweichen können, wenn es um Güter geht, die sich schnell verschlechtern oder leicht verderben. Andererseits gibt es keine Ausnahme von der Richtlinie für unverderbliche Lebensmittel. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit für eine abweichende Regelung in den Mitgliedstaaten hinsichtlich verderblicher und unverderblicher Lebensmittel. Als Vereinfachungsmaßnahme sieht die Europäische Kommission vor, alle Lebensmittel unabhängig von ihren Eigenschaften von dem Anwendungsbereich auszunehmen. Im Endeffekt würde dies die Rechtszersplitterung nur in einem relativ kleinen Bereich beenden. Diese Maßnahme würde also die Rechtsfragmentierung der digitalen Regulierung als Ganzes nicht deutlich reduzieren.
4. Verbrauchern bestimmte Informationen nur in digitaler Form bereitstellen
Die Interessensträger werden auch gefragt, ob bestimmte Informationen den Verbrauchern auch ausschließlich in digitaler Form bereitgestellt werden könnten. Teil der Überlegungen ist auch welche Informationen dies betreffen könnte und in welchem Umfang dies gelten soll.
Die Konsultation verbindet weitreichende Überlegungen über die Zersplitterung der Regulierung des digitalen Marktes in der EU mit eng definierten Vorschlägen zu konkreten Maßnahmen (z.B. Verbraucherinformationspflichten und Widerrufsrechte). Wie diese konkreten Maßnahmen aussehen können, ist Teil des Prozesses. Alles in Allem bleibt das Thema Vereinfachungsmaßnahmen im Rahmen des DFA unscharf. Es wird interessant sein zu sehen, ob die Konsultation zu einem verfeinerten und ausgewogenen Vorgehen führen wird.
Dieser Insight ist der Neueste in unserer Miniserie zu den Themen der Konsultation, in der wir bisher Dark Patterns, Addictive Designs, spezifische Funktionen in digitalen Produkten, unfaire Personalisierungspraktiken, unfaire Praktiken von Social Media Influencern, unfaire Preisgestaltung und digitale Verträge untersucht haben.