In einem Musterprozess des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. – Mandant der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke – gegen den Fahrzeughersteller Scania hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) heute eine weitere wegweisende Entscheidung zugunsten des Wettbewerbs im Automobilsektor gefällt (Rechtssache C-319/22). 

Fahrzeughersteller sind nach der Verordnung (EU) 2018/858 verpflichtet, ihren Wettbewerbern auf dem Kfz-Anschlussmarkt technische Informationen in Form maschinenlesbarer und elektronisch verarbeitbarer Datensätze zur Verfügung zu stellen. Lange Zeit herrschte Streit darüber, ob dies für alle Kategorien technischer Informationen gilt, in welchem Format diese Informationen bereitgestellt werden müssen und ob dazu auch die Fahrzeugidentifikations-Nummern (FIN) der Fahrzeuge gehören. Alle diese Fragen hat der EuGH nunmehr im Sinne des Wettbewerbs beantwortet. Danach müssen die Fahrzeughersteller ihre Fahrgestellnummern herausgeben und sämtliche damit verbundenen technischen Informationen als Datensätze in einem Format anbieten, das der unmittelbaren elektronischen Weiterverarbeitung dient.

„Die heutigen Klarstellungen des EuGH stärken den Wettbewerb auf den Märkten für Teile und Service in der Europäischen Union. Dieses Ziel der Verordnung hat der EuGH in seinem Urteil an mehreren Stellen betont. Davon werden alle europäischen Verbraucher profitieren“, so Marcus Sacré von Osborne Clarke. 

Für den Wettbewerb ist insbesondere die Bereitstellung der Fahrzeugidentifikations-Nummern wesentlich. Der EuGH hat ausdrücklich erkannt, dass „nur die Suche über die FIN zur exakten Identifizierung der Daten eines bestimmten Fahrzeugs führt“. Auf der Grundlage dieses Urteils werden in Zukunft auch auf dem freien Markt über die Fahrgestellnummer passende Ersatzteile und technische Informationen schnell und präzise auffindbar sein. „Damit ist das Argument der Hersteller, die Herausgabe der FIN aus Datenschutzgründen verweigern zu können, vom Tisch“, so Elisabeth Macher von Osborne Clarke. Datenschutzexperte Marc Störing von Osborne Clarke ergänzt: „Auch wenn die FIN im Einzelfall ein personenbezogenes Datum darstellen kann, gibt die Verordnung dem Fahrzeughersteller die klare Verpflichtung und damit auch die Erlaubnis, sie bereitzustellen.“

Zudem ist seit heute geklärt, dass Fahrzeughersteller zwar nicht zwingend eine automatisierte Datenbankschnittstelle mit der Möglichkeit maschinengesteuerter Suchanfragen vorhalten müssen; sie müssen aber technische Informationen in einem Format bereitstellen, das die elektronische Weiterverarbeitung unmittelbar, d. h. ohne Zwischenschritte, ermöglicht. „Das gilt nicht nur für Ersatzteilinformationen, sondern für sämtliche Reparatur- und Wartungsinformationen“, betont Paul Schmitz von Osborne Clarke. 

Fahrzeughersteller müssen diese Verpflichtungen sofort umsetzen. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung verbindlich geklärt, wie die seit September 2020 geltende Verordnung zu verstehen ist. Verstöße gegen die dort festgehaltenen Verpflichtungen sind mit erheblichen Sanktionen bis hin zum Entzug der Typgenehmigung belegt. 

Scania wurde von der Kanzlei Noerr (Dr. Dominik Wendel, Dr. Fabian Hübener und Benedikt Lutz) vertreten.
 

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