Digitalisierung

Quick Bites: Neuerungen im Hinblick auf virtuelle Hauptversammlungen

Veröffentlicht am 27th Okt 2022

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Zukünftig virtuelle Hauptversammlungen nur mit entsprechender Satzungsgrundlage – Umsetzung bis 31. August 2023

Am 27. Juli 2022 ist das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften in Kraft getreten. Hiermit wurde die rechtliche Grundlage zur zukünftigen Durchführung virtueller Hauptversammlungen geschaffen.

Welches Ziel verfolgt das Gesetz?

Durch die Einführung des Gesetzes schreitet die Digitalisierung im Aktienrecht weiter voran. Nachdem die Sonderregelungen zur Überbrückung der Corona-Pandemie zum 31. August 2022 ausgelaufen sind, fehlte dem Gesetz eine Grundlage, um virtuelle Hauptversammlungen auch in Zukunft durchführen zu können. Dem hat der Gesetzgeber nun Abhilfe geschaffen.

Wann?

Neue Regelung: Das Gesetz ist zum 27. Juli 2022 in Kraft getreten. Es besteht nun bis zum 31. August 2023 eine Übergangszeit, in der die Gesellschaften auf die neuen gesetzlichen Regelungen reagieren können.

Zwischenzeitraum: Für Hauptversammlungen, die bis einschließlich 31. August 2023 einberufen werden, kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass die Versammlung als virtuelle Hauptversammlung nach § 118a AktG abgehalten wird.

Wer ist betroffen?

Die im AktG geregelte Möglichkeit, zukünftig weiterhin virtuelle Hauptversammlungen abzuhalten, besteht für Aktiengesellschaften sowie die mit ihr verwandten Rechtsformen KGaA und SE.

Was ist zu tun?

Satzungsgrundlage: Die neu geschaffenen Gesetzesregelungen setzt voraus, dass in den Satzungen der Gesellschaften künftig eine Grundlage gegeben ist. Hier bleibt es ihnen überlassen, ob sie virtuelle Hauptversammlungen

  • grundsätzlich gestatten oder
  • lediglich eine Ermächtigungsgrundlage für den Vorstand schaffen.

Die entsprechenden Satzungsänderungen müssen bis 31. August 2023 umgesetzt sein. Andernfalls entfällt die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung. Auch bei Neugründungen ist dies zu berücksichtigen.

Zeitliche Begrenzung: Weiter ist zu beachten, dass das Gesetz eine zeitliche Befristung der Satzungs- bzw. Ermächtigungsgrundlage auf fünf Jahre vorschreibt.

Unklar ist bislang, ob für die wiederkehrende Legitimation der Satzungsregelung ein schlichter Bestätigungsbeschluss durch die Hauptversammlung oder eine Satzungsänderung erforderlich ist.

Wesentliche Inhalte

Es besteht für Aktiengesellschaften und die ihr verwandten Rechtsformen die Möglichkeit, weiterhin Hauptversammlungen ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten am Ort der Hauptversammlung abzuhalten.

  • In § 118a Abs. 1 AktG sowie in den modifizierten §§ 121-132 AktG sind die wesentlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung geregelt.
  • Die Vorgaben beziehen sich unter anderem auf:
     
    • Teilnahmerechte und –pflichten
    • die Ausübung von Rede-, Antrags- und Auskunftsrechten
    • die Ausübung von Stimmrechten und deren Übertragbarkeit
    • die Ausübung des Widerspruchsrechts
    • technische Anforderungen
    • Maßnahmen in der Vorbereitung
  • Die Regelungen für börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen unterscheiden sich geringfügig.
  • Die neuen Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung weichen von den Sonderregelungen während der Corona-Pandemie ab. Gemäß den neuen Regelungen können Aktionärsrechte in einer virtuellen Hauptversammlung ebenso und weitgehend vergleichbar wahrgenommen werden wie bei einer Präsenzversammlung.

 

Erste Einschätzung

Der Gesetzgeber schreitet mit den Neuregelungen in der Digitalisierung des Gesellschaftsrechts voran.

Wichtig zu betonen ist allerdings, dass es Abweichungen zu der durch die Corona-Pandemie bekannten virtuellen Hauptversammlung gibt: Die „neue“ virtuelle Hauptversammlung ist stark von der Präsenzversammlung geprägt.

Die neuen Regelungen verlagern zwar nach wie vor Informationsprozesse zu großen Teilen in das Vorfeld der Hauptversammlung. Auf der anderen Seite verbessert das neue Format die Aktionärsrechte und führt zu einer Intensivierung des Austausches mit den Aktionären (qualitativ und quantitativ). Insbesondere das Bestehen von Aktionärsrechten vor und in der Hauptversammlung wird zu einem zusätzlichen Aufwand der Gesellschaften führen.

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie viele Gesellschaften sich zukünftig für die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden. Der Vorteil liegt dabei vor allem im Entfallen der physischen Versammlung und der damit einhergehenden Kosten sowie einer besseren Bilanz unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit.

Für Gesellschaften mit einem überschaubaren und einvernehmlichen Aktionärskreis (einschl. der „Ein-Mann-Gesellschaft“) wird die Annäherung der Aktionärsrechte an die Präsenzversammlung weniger Bedeutung haben und die virtuelle Hauptversammlung wird (wie bislang) wesentliche Vorteile bieten.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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