Greenwashing und Green Claims: Neuer Rechtsrahmen für Nachhaltigkeitskommunikation in Deutschland in der Umsetzung, weitere Verschärfungen auf EU-Ebene noch unklar
Veröffentlicht am 16th Juni 2025

Wie bereits in unserem Beitrag vom 23. Januar 2024 berichtet, ist die sogenannte „EmpCo-Richtlinie“ der EU (RL (EU) 2024/825) am 26. März 2024 in Kraft getreten. Bis zum 27. März 2026 müssen alle EU-Mitgliedstaaten diese Richtlinie in ihr nationales Recht umsetzen; Unternehmen haben weitere sechs Monate für die Umsetzung Zeit. Die EmpCo-Richtlinie ändert die bestehenden Regelungen über unlautere Geschäftspraktiken und Verbraucherrechte und ergänzt sie unter anderem um neue Vorgaben für umweltbezogene Werbeaussagen. Als einen noch weitergehenden Schritt hat die EU-Kommission im März 2023 ihren Vorschlag für eine „Green Claims Richtlinie“ (RL (EU) 2023/0085) vorgestellt, die (als lex specialis zur EmpCo-Richtlinie) spezifisch die „Substantiierung und Kommunikation von umweltbezogenen Werbeaussagen“ regeln soll (siehe unseren Beitrag vom 28. März 2023).
Das Verfahren bis zum Inkrafttreten der Green Claims Richtlinie ist bislang auf EU-Ebene nicht abgeschlossen. Ursprünglich war der dritte und finale Termin für Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission (Trilog) für den 10. Juni 2025 vorgesehen; er wurde jedoch nach neueren Informationen auf den 23. Juni 2025 verschoben. Nach wie vor strittig ist Berichten zufolge zwischen Parlament und Rat vor allem das Verfahren zur vorgesehenen externen Vorabprüfung von Umweltangaben, welches zumindest für bestimmte Umweltaussagen durch eine vereinfachte Nachweispflicht ersetzt werden könnte und möglicherweise auch für kleine und mittelständische Unternehmen entfallen könnte. Auch die Frage, ob und inwieweit Klimaaussagen (wie z.B. „klimaneutral“, „CO2-neutral“) auf Kompensationsmaßnahmen basieren dürfen, führt nach wie vor zu Kontroversen. Falls die Green Claims Richtlinie in ihrer aktuellen Form oder in einem sehr ähnlichen Entwurf in Kraft treten sollte, würden die rechtlichen Anforderungen an „grüne“ Werbeaussagen jedenfalls nochmals verschärft werden. Unternehmen müssten dann ergänzend zu den Vorgaben der EmpCo-Richtlinie deutlich konkretere Nachweispflichten hinsichtlich des Wahrheitsgehalts ihrer Umwelt- und Klimaversprechen erfüllen und die wesentlichen Informationen dazu proaktiv zur Verfügung stellen.
Mit einer vorläufigen Einigung ist voraussichtlich bis Mitte 2025 zu rechnen. Die Green Claims Richtlinie könnte dann noch im Jahr 2025 verabschiedet werden und wäre bis 2027 in den Mitgliedstaaten umzusetzen.
Während diese ambitionierte Richtlinie auf EU-Ebene also noch im Trilogverfahren feststeckt, werden Greenwashing- und Nachhaltigkeitskommunikation auf nationaler Ebene sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsprechung ebenfalls diskutiert. Dabei rücken besonders zwei Aspekte in den Fokus: das Verhältnis von Emissionsreduktion und Emissionskompensation (besonders bei Aussagen zu Klimaneutralität und Zukunftsversprechen) und das Thema Nachhaltigkeitssiegel.
Deutscher Gesetzesentwurf zur Änderung des UWG: Umsetzung der EmpCo-Richtlinie
Im Dezember 2024 hat das deutsche Bundesjustizministerium seinen Diskussionsentwurf zu einem Dritten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG-E) vorgestellt, mit welchem die Umsetzung der EmpCo-Richtlinie erfolgen soll. Der Entwurf soll die EmpCo-Richtlinie zu weiten Teilen 1:1 umsetzen, ist aber an einzelnen Stellen auf Kritik gestoßen:
§ 2 Absatz 2 Nr. 2 UWG-E
§ 2 Absatz 2 und Absatz 3 UWG-E enthalten zahlreiche neue Legaldefinitionen, beispielsweise zu „Umweltaussagen“ und „Nachhaltigkeitssiegeln“.
Wie unter anderem ein Zusammenschluss aus Wirtschafts- und Werbeverbänden in einer aktuellen Stellungnahme vom 14. März 2025 allerdings richtigerweise kritisiert, geht der Wortlaut des aktuellen Entwurfs teilweise über die Vorgaben der EmpCo-Richtlinie hinaus. Beispielsweise soll die neue Legaldefinition der „Umweltaussage“ in § 2 Absatz 2 Nr. 5 UWG-E auf den Rechtsbegriff der „geschäftlichen Handlung“ abstellen, während die EmpCo-Richtlinie an den Begriff der „kommerziellen Kommunikation“ anknüpft. Die Definition der „geschäftlichen Handlung“ aus (dem bestehenbleibenden) § 2 Absatz 1 Nr. 2 UWG ist weiter und umfasst viel mehr Handlungen als nur „kommerzielle Kommunikation“, was in der Praxis also ein strengeres Regime bedeuten würde als vom EU-Gesetzgeber vorgesehen. In der Begründung des Diskussionsentwurfs heißt es zwar, dass die Aussage oder Darstellung im Kontext einer kommerziellen Kommunikation stehen bzw. verwendet werden müsse, aus dem aktuellen Wortlaut des Entwurfs wird das jedoch nicht klar. Es bleibt daher abzuwarten, ob hier noch entsprechende Anpassungen des Gesetzesentwurfs erfolgen.
§ 5 Absatz 3 Nr. 4 UWG-E
§ 5 Absatz 3 Nr. 4 UWG-E soll den Zeitpunkt zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Werbeaussage mit Zukunftsversprechen auf den Zeitpunkt der Kaufentscheidung nach vorne verlagern.
Auch der Wortlaut von § 5 Absatz 3 Nr. 4 UWG-E birgt gewisse Unsicherheiten über dessen Reichweite. Nach § 5 Absatz 3 Nr. 4 UWG-E ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn „mit ihr eine Umweltaussage über künftige Umweltleistung getroffen wird, ohne klare, objektive, öffentlich einsehbare und überprüfbare Verpflichtungen, die in einem detaillierten und realistischen Umsetzungsplan festgelegt sind“. Danach dürfte aus der Regelung nicht klar hervorgehen, ob, wie es die EmpCo-Richtlinie vorsieht, nur Umweltaussagen gegenüber Verbrauchern gemeint sind, oder ob auch das Verhältnis zu sämtlichen B2B-Marktteilnehmern erfasst sein soll, was dann ebenfalls über die Zielsetzung der EmpCo-Richtlinie hinausgehen würde. In der Begründung des Diskussionsentwurfs findet sich dazu keine Klarstellung. Auch hier bleibt abzuwarten, ob eine sprachliche Nachschärfung des Entwurfs erfolgt.
Die Fassung des § 5 Absatz 3 Nr. 4 UWG-E würde in Zukunft zudem über ein bloßes Irreführungsverbot hinausgehen, denn es würden zusätzliche Handlungs- und Informationspflichten etabliert. So muss der geforderte Umsetzungsplan etwa
„a) messbare und zeitgebundene Ziele sowie weitere relevante Elemente umfasst, die zur Unterstützung seiner Umsetzung erforderlich sind, wie die Zuweisung von Ressourcen, und
b) regelmäßig von einem unabhängigen externen Sachverständigen überprüft [werden], dessen Erkenntnisse Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden.“
Zu Recht wird hier kritisiert, dass an dieser Stelle nicht geregelt wird, welches Anforderungsprofil für einen externen Sachverständigen gelten soll und in welcher Form die vorgesehenen Informationen dem Verbraucher zugänglich gemacht werden müssten. Beispielsweise sieht die Begründung zum Diskussionsentwurf die Möglichkeit der Verwendung eines QR-Codes auf dem jeweiligen beworbenen Produkt vor, was in den Erwägungsgründen zur EmpCo-Richtlinie so nicht vorgesehen ist (Erwägungsgrund 36 und auch Artikel 5 Absatz 6 zum Entwurf der Green Claims Richtlinie sehen die Möglichkeit der Verwendung eines QR-Codes zur Bereitstellung von Informationen hingegen ausdrücklich vor). Hier bliebe insofern wohl zunächst abzuwarten, ob die nationalen Gerichte eine Einhaltung der Informationspflichten durch Bereitstellung per QR-Code bejahen würden. Hieran bestehen insofern Zweifel, als Teile des angesprochenen Verkehrskreises dann aufgrund fehlender Nutzungsmöglichkeiten von den bereitgestellten Informationen ausgeschlossen würden.
§ 2 Absatz 2 Nr. 6 UWG-E und Anhang Nr. 2a zu § 3 Absatz 3 UWG-E
Auch in puncto Nachhaltigkeitssiegel ergeben sich in Umsetzung der EmpCo-Richtlinie einschneidende Änderungen. Der Diskussionsentwurf sieht mit § 2 Abs. 2 Nr. 6 UWG-E ein detailliertes „Zertifizierungssystem“ für die rechtskonforme Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln vor, dessen Anforderungen deutlich über die bisherigen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften, aber auch markenrechtlichen Regelungen für Gewährleistungsmarken hinausgehen, wie unter anderem die Bundesrechtsanwaltskammer in einer Stellungnahme bereits kritisiert hat.
Die wichtigste Neuerung findet sich dabei in Buchstabe d) der Definition: Danach soll künftig nur eine objektive, von unabhängigen Dritten nach anerkannten internationalen oder EU-Standards durchgeführte Prüfung die Anforderungen an ein UWG-konformes Zertifizierungssystem erfüllen. Das bedeutet, dass künftig eine externe Instanz – unabhängig vom Unternehmen und vom Siegelbetreiber selbst – die Einhaltung der Siegelvorgaben bescheinigen müsste. Für private Anbieter, die bislang ihre eigenen Kriterien selbst vor Ort prüften, würde dies eine grundlegende Umstellung des Geschäftsmodells erfordern. Denn private Siegel und Auszeichnungen, bei denen keine unabhängige Zertifizierung durch unbeteiligte Dritte vorgesehen ist, wären dann nicht mehr zulässig. Ein Bestandsschutz scheint bislang nicht vorgesehen zu sein. Nach Anhang Nr. 2a zu § 3 Abs. 3 UWG-E soll nämlich kein Nachhaltigkeitssiegel mehr genutzt werden dürfen, wenn es nicht entweder von staatlicher Stelle stammt oder auf einem solchen Zertifizierungssystem beruht. Das könnte dazu führen, dass zahlreiche aktuell auf nationaler und europäischer Ebene als Gewährleistungsmarken eingetragene Nachhaltigkeitssiegel nach Inkrafttreten der Änderungen nicht mehr verwendet werden dürfen.
Denn die vorgesehenen Vorschriften überschneiden sich zwar teilweise mit den markenrechtlichen Regelungen zu sog. Gewährleistungsmarken, zu denen auch Nachhaltigkeitssiegel zählen können, weichen aber in entscheidenden Punkten davon ab. Beispielsweise ist eine Pflicht zur unabhängigen externen Überwachung oder die Einbindung externer Interessenträger bislang im Markenrecht nicht vorgesehen. Insbesondere kleinere oder lokal agierende Gewährleistungsmarkensysteme müssten ihre internen Prozesse und ihre Markensatzungen deutlich anpassen, um den weitergehenden Anforderungen des „Zertifizierungssystems“ nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 UWG-E zu genügen – andernfalls wären sie zur Nutzung ihres Siegels nicht mehr berechtigt.
Hinzu kommt, dass auch der aktuelle Entwurf der Green-Claims-Richtlinie weitere, teils noch strengere Vorgaben für Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegel enthält. Er sieht nämlich eine Konformitätsbescheinigung durch eine zusätzliche Ex-ante-Prüfung und -Zertifizierung von Umweltzeichen und des Zertifizierungssystems sowie eine regelmäßige Überprüfung der Konformität vor. Das würde in der Praxis die Anpassung bestehender Gewährleistungsmarken an die neue Rechtslage weiter verkomplizieren und womöglich Markeninhaber treffen, die – falls die zukünftigen Anforderungen nicht erfüllt würden – mit Verfall oder Löschung ihrer bereits eingetragenen Marke rechnen müssten.
Nationale Rechtsprechung: Fokus auf Transparenz und Belastbarkeit
Während auf nationaler wie internationaler Gesetzgebungsebene noch debattiert wird, haben deutsche Gerichte zuletzt mehrere Urteile zu Greenwashing-Themen gefällt. So hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil vom 27. Juni 2024 (Az.: I ZR 98/23) Werbung mit der Aussage "klimaneutral" als irreführend untersagt, soweit keine Erläuterung dazu erfolgt, ob die beworbene Klimaneutralität durch tatsächliche CO2-Einsparungen in der Herstellung des Produkts oder lediglich durch Kompensation erreicht wird.
Aktuell erfährt ein Verfahren der Deutschen Umwelthilfe gegen den Technologiekonzern Apple große Aufmerksamkeit. Der Naturschutzverband hatte im April 2024 vor dem Landgericht Frankfurt am Main Klage gegen Apple erhoben wegen der Bewerbung einer „CO2-neutralen“ Apple Watch samt eigens gestaltetem „Carbon Neutral“-Logo. Das Landgericht äußerte nach Medienberichten kürzlich am ersten Verhandlungstag erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des Werbeversprechens. Zwar werde ein Großteil der Emissionen bereits im Rahmen der Herstellung und des Transports des Produkts vermieden, der verbleibende Rest aber über naturbasierte Kompensationsprojekte ausgeglichen. Es sei aber nicht einmal sichergestellt, dass die Kompensation langfristig aufrechterhalten bleibt. Denn eines der Kompensationsprojekte wiederum sei aufgrund eines auslaufenden Pachtvertrags vorläufig nur bis 2029 gesichert, was aus Sicht des Gerichts nicht die Erwartungen des angesprochenen Verkehrskreises erfüllen könne. Der durchschnittliche Verbraucher erwarte eine langfristigere Sicherung der Maßnahmen zur Reduktion bzw. Kompensation von CO2-Emissionen – etwa bis 2045 oder gar 2050 – wenn die Klimaneutralität eines Produkts behauptet werde. Eine Entscheidung soll Ende August 2025 verkündet werden.
Anfang des Jahres 2025 hatten sich auch das Landgericht Köln (Urt. v. 21.03.2025, Az.: 84 O 29/24) und das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urt. v. 25.03.2025, Az.: 3 HK O 6524/24) mit Werbeaussagen zu Klimaneutralität im Zusammenhang mit der Kompensation von CO2-Emissionen in anderen Branchen beschäftigt: Das Landgericht Köln urteilte in einem Verfahren gegen die Deutsche Lufthansa die beanstandeten Werbeaussagen zur „CO2-Kompensation“ und zum „nachhaltigeren Fliegen“ seien irreführend im Sinne von § 5 Abs.1 UWG. Das Gericht bemängelte insbesondere, dass dem Verbraucher suggeriert werde, er könne durch eine Zahlung für Kompensationsmaßnahmen seinen gebuchten Flug „klimaneutral“ machen, ohne dass klar offengelegt werde, wie und in welchem Umfang eine Kompensation konkret stattfinde.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth setzte sich in einem Verfahren gegen den Sportartikelhersteller adidas mit der Aussage „Bis zum Jahr 2050 werden wir klimaneutral sein“ auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass die angegriffene Werbeaussage gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG unzulässig sei, da der unzutreffende Eindruck erweckt werde, dass der Sportartikelhersteller im Jahr 2050 allein durch eigene Emissionseinsparungen und ohne den zusätzlichen Einsatz von Kompensationsmaßnahmen klimaneutral sein wird.
Beide Gerichte unterstrichen im Anschluss an das Urteil des BGH vom 27. Juni 2024, dass die Werbung mit Klimaneutralität ohne eine eindeutige Aufklärung über das zugrunde liegende Verhältnis von Emissionsreduktion und Emissionskompensation irreführend ist, da es sich hierbei um unterschiedliche, nicht gleichwertige Maßnahmen handelt und der Reduktion im Verhältnis zur Kompensation eine größere, d.h. im Ergebnis stichhaltigere Bedeutung zukomme. Eine Bestätigung dürfte diese Rechtsprechung zukünftig im geänderten UWG finden.
Fazit: Rechtsprechung aktuell verlässlichste Leitplanke
Obwohl die Green-Claims-Richtlinie auf EU-Ebene noch aussteht und auch die Umsetzung der EmpCo-Richtlinie in das nationale Recht noch nicht abgeschlossen ist, zeichnet die deutsche Rechtsprechung in aktuellen Entscheidungen bereits eine klare Richtung vor:
- Green Claims müssen transparent, überprüfbar und vor allem durch eine tatsächliche Emissionsreduktion untermauert sein.
- Die reine Kompensation von CO2-Emissionen gilt nicht als gleichwertige Maßnahme zur Erreichung von Klimaneutralität und ist dementsprechend keine ausreichende Grundlage für die Tätigung von Umweltversprechen.
- Umweltversprechen für die Zukunft sind mit einem belastbaren Umsetzungsplan zu belegen.
Bis die neuen Rechtsvorschriften in Kraft treten und insbesondere deren Zusammenspiel rechtlich geklärt ist, können diese Urteile faktisch als Leitplanke für Unternehmen fungieren, die ihre Produkte als „klimaneutral“ bewerben oder ähnliche Aussagen kommunizieren wollen.
Wer seine Werbestrategie frühzeitig an diesen Standards ausrichtet, reduziert so das Risiko juristischer Auseinandersetzungen und stärkt zugleich sein nachhaltigkeitsbezogenes Firmenimage.