The Built Environment

Die Wärmeversorgung in der Energiekrise – Was kommt auf die Immobilienwirtschaft zu?

Veröffentlicht am 27th Jul 2022

Erneuerbar, bezahlbar und sicher – das sind die Kernelemente der Energieversorgung. In der aktuellen Energiekrise treten die Fragen der Versorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit von Energie in den Mittelpunkt. Die Energie- und Wärmewende, insbesondere die Umstellung der Energieversorgung in den Gebäuden auf erneuerbare Energien, sowie die Elektromobilität sind dabei gleichfalls Herausforderungen, denen sich die Immobilienwirtschaft stellen muss. 

Dieser Beitrag enthält einen Überblick über wesentliche neue Regelungen für den Bezug von Erdgas und Wärme durch Gebäudeeigentümer und Auswirkungen der Energiekrise auf die Mietverhältnisse. Angesichts der rasanten Entwicklungen ist dabei ein großes Augenmerk auf mögliche weitere Veränderungen der Rechtslage und der Marktsituation zu legen. Dieser Beitrag hat den Stand zum 22. Juli 2022.


Construction site with multiple cranes

Steigende Gaspreise

Die Gaspreise an den Handelsmärkten kennen aktuell nur eine Richtung. Nach oben. Abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen in den jeweiligen Gaslieferverträgen, können Gaslieferanten ihre gestiegenen Bezugskosten gegebenenfalls auch im Rahmen von bestehenden Verträgen an ihre Kunden weitergeben. Das geht zum Beispiel dann, wenn die Preise an die Börsenpreise gekoppelt sind oder anhand von Preisgleitklauseln.  

Angesichts der Gaskrise gibt es seit Mai 2022 für Energieversorgungsunternehmen gegebenenfalls die Möglichkeit, ihre Gaspreise nach dem Energiesicherungsgesetz (EnSiG) anzupassen (§ 24 EnSiG). Das setzt zum einen voraus, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Alarmstufe oder die Notfallstufe nach dem Notfallplan Gas ausgerufen hat. Die Alarmstufe wurde am 26. Juni 2022 ausgerufen. Weiterhin muss die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland feststellen. Liegen beide Voraussetzungen vor, können Gaslieferanten ihre Mehrkosten für die Beschaffung von Ersatz für die ausgefallenen Gasimportmengen an ihre Kunden weitergeben. Letztverbrauchern, wie Gebäudeeigentümern, die das Gas zum Heizen oder zur Warmwassererzeugung einsetzen, ist dies mit einer Woche Vorlaufzeit anzukündigen. Den Kunden stehen dann lediglich Kündigungsrechte und – bei Veränderung der Situation – Gegenanpassungsrechte zu. 

Ein Gaslieferant, der sich auf die Preisanpassung nach dem Energiesicherungsgesetz beruft, darf allerdings keine Preisanpassungen aufgrund vertraglicher Preisanpassungsregelungen verlangen. 

Anstelle derartiger Preisanpassungen können die Mehrkosten durch die Beschaffung von Erdgas als Ersatz für Gaslieferungen aus Russland künftig gegebenenfalls über einen Umlagemechanismus an die Gasverbraucher weitergegeben werden, wenn eine im Energiesicherungsgesetz vorgesehene Verordnung erlassen und angewendet wird (§ 26 EnSiG). Dies ist aktuell der von der Bundesregierung favorisierte Mechanismus. Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, dass die Bundesregierung auf diese Möglichkeit zurückgreifen will. Er stellt dabei einer Erhöhung der Gaspreise um 2 Cent/kWh ab 1. Oktober oder ggf. bereits ab 1. September 2022 in den Raum.

Anpassung der Wärmepreise

Wird die Wärme mit Erdgas erzeugt, führen Gaspreisanpassungen unmittelbar zu einer Erhöhung der Kosten der Wärmelieferanten. Das gilt sowohl für Fernwärmeversorger als auch für Contractoren, die im Rahmen von Contracting-Verträgen die gewerbliche Wärmelieferung für ein Gebäude oder ein Quartier übernommen haben. Vor diesem Hintergrund ist am 19. Juli 2022 eine Änderung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in Kraft getreten, die es Wärmelieferanten ermöglichen soll, Kostensteigerungen beim Gas vor dem Hintergrund einer Gasmangellage an Kunden weiterzugeben, wenn sich der Gaslieferant für die Preiserhöhung auf § 24 EnSiG beruft. Jedoch soll der Wärmelieferant lediglich die Möglichkeit haben, eine bereits bestehende vertragliche Preisanpassungsklausel frühzeitiger als vertraglich vorgesehen, anzuwenden. Der Preisanpassungsmechanismus selbst bleibt unberührt. Typische Anpassungsklauseln ermöglichen aber keine ad hoc Preisanpassung wegen gestiegener Kosten aufgrund einer Gasmangellage, womit das Ziel der Neuregelung, die Liquidität der Versorger zu schützen, eher nicht erreicht werden dürfte. Gerade dieses Thema war aber eines der zentralen Themen im Vorfeld der Neuregelung der AVBFernwärmeV. Abhängig von der Preisanpassungsformel kann der Wärmelieferant die Preiserhöhung allerdings mit zeitlicher Verzögerung an seine Kunden weitergeben. Für den Fall einer Preisanpassung aufgrund der Gasmangellage sollen den Wärmekunden Sonderkündigungsrechte zustehen. 

Angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung aktuell einen Umlagemechanismus nach § 26 EnSiG favorisiert, ist denkbar, dass auch die AVBFernwärmeV nochmals angepasst wird. In jedem Fall ist damit zu rechnen, dass sich Wärmekunden im Fall einer Gasmangellage Preisanpassungsbegehren Ihrer Wärmelieferanten gegenübersehen.

Verweigerung der Gaslieferung bzw. Wärmelieferung

Grundsätzlich gilt, dass in den Fällen, in denen niemand Gas bzw. Wärme liefern kann (die sog. Unmöglichkeit), die Gas- bzw. Wärmelieferanten auch kein Gas oder Wärme liefern müssen. Können Lieferungen nur teilweise erfüllt werden gilt für den nicht erfüllbaren Teil das Gleiche.

Aber auch für den Fall, dass die Energielieferung zwar grundsätzlich möglich ist, können Energielieferanten unter Umständen das Recht haben, ihre Lieferung einzustellen, zum Beispiel auf der Grundlage vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen. 

Soweit die AVBFernwärmeV auf Wärmelieferverträge anwendbar ist, ist der Wärmelieferant von seinen Lieferpflichten befreit, soweit und solange er an der Erzeugung, dem Bezug oder der Fortleitung des Wärmeträgers durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung ihm wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann, gehindert ist. Dass eine Belieferung für den Wärmelieferanten wirtschaftlich unzumutbar ist, ist grundsätzlich bei (erheblichen) Zahlungsrückständen des Kunden ebenso denkbar wie in den Fällen einer Gasmangellage, bei der eine (Gas-)Bedarfsdeckung zu zumutbaren Bedingungen nicht möglich ist. Was noch und was nicht mehr zumutbar ist, ist dann eine Frage des Einzelfalls.  

Für den Gassektor enthält das Energiesicherungsgesetz noch eine Sonderregelung. Danach bedürfen Gaslieferanten, die ihre Kunden mit der Begründung nicht beliefern wollen oder können, dass sie ihrerseits weniger Gas geliefert bekommen, als vertraglich vereinbart, der Genehmigung der Bundesnetzagentur. Das gilt allerdings dann nicht, wenn eine Ersatzbeschaffung, unabhängig von den Kosten, unmöglich ist oder der Handel mit Gas an der Börse ausgesetzt ist.

Mietminderung durch Mieter

Sowohl bei Wohnräumen als auch bei gewerblich vermieteten Räumen (z.B. Büroräumen) gibt es Mindesttemperaturen für die Raum- und Warmwassertemperatur, die vom Vermieter einzuhalten sind, wenn er vertraglich die Wärmelieferung übernimmt. Das ist bei zentralen Heizsystemen regelmäßig der Fall. Das gilt auch, wenn der Mietvertrag keine ausdrücklichen Mindesttemperaturen vorsieht. Grundsätzlich liegt in einer Unterschreitung von Mindesttemperaturen ein Mietmangel mit der Folge, dass die Miete gemindert ist. Geringe oder kurze Unterschreitungen der Temperaturen sind ggf. hinnehmbar und berechtigen nicht zu einer Minderung. Bei außergewöhnlichen Fällen kann aber sogar ein Recht des Mieters zur Kündigung des Mietvertrages entstehen. Dass den Vermieter für die Situation kein Verschulden trifft, ist dabei unerheblich. Im Detail gibt es zu diesen Fragen umfangreiche Rechtsprechung, so zu Mietminderungen und deren Höhe z.B. in Abhängigkeit davon, wie lange und um wie viel Grad Celsius Mindesttemperaturen in welchen Räumen unterschritten werden. Die Gerichtsentscheidungen ziehen dabei z.B. eine „Behaglichkeitstemperatur“ von 20 – 22 Grad Celsius für Wohnräume heran bzw. die Arbeitsstättenverordnung, nach der eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen muss (z.B. bei Tätigkeiten im Sitzen und leichter Arbeitsschwere (Büros) nach den Technischen Regeln für Arbeitsstätten 20 Grad Celsius). Nachts können Temperaturen aber auch abgesenkt werden. Abhängig von der tatsächlich erreichbaren Temperatur und der Dauer einer Gasmangellage, die zu Temperaturunterschreitungen führt, können auf Vermieter nach der aktuellen Rechtslage damit erhebliche Mietminderungen zukommen. 

Ausfall von Mietzahlungen oder Nebenkostenzahlungen 

Grundsätzlich kann ein Vermieter steigende Kosten der Wärmeversorgung dem Mieter im Rahmen der Nebenkostenabrechnung in Rechnung stellen und die Nebenkostenvorauszahlung angemessen erhöhen. Sind Mieter nicht in der Lage oder willig, steigende Nebenkosten zu zahlen, kann dies unter bestimmten Voraussetzungen zu dem Recht des Vermieters zur Kündigung des Mietvertrages führen. 

Die aktuelle politische Diskussion

Für den Fall einer weiteren Zuspitzung der Energiekrise und weiter steigenden Preisen hat Verbraucherschutzministerin Lemke ein Moratorium für Strom- und Gassperren ins Spiel gebracht. Wegen Zahlungsverzug soll niemandem der Strom oder das Gas abgestellt werden. 

Eine ähnliche Regelung zum Schutz von Verbrauchern und Kleinstunternehmen gab es bereits am Anfang der Covid-Krise mit dem Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht. Verbraucher und Kleinstunternehmen, die aufgrund der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie Einnahmeverluste hatten, sollten zeitlich befristet davor geschützt werden, dass sie von der Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Fernwärme abgeschnitten werden, wenn sie aufgrund der Einnahmeverluste ihre Rechnungen nicht zahlen konnten. Daneben regelte das Gesetz für einen befristeten Zeitraum, weiterhin, dass Mietverhältnisse über Grundstücke oder Räume nicht deswegen gekündigt werden können, weil Mieter die Miete wegen den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nicht bezahlen konnten. 

Beim Energiesparen liegt der Fokus der Politik in der Öffentlichkeit noch auf dem freiwilligen Energiesparen. Daneben treten Pläne, dass öffentliche Gebäude und Büros ab Herbst nur noch bis 19 Grad Celsius beheizt werden sollen. Es wird auch diskutiert, bei einer Gasmangellage ggf. sogar den grundsätzlichen Vorrang der Belieferung von Privatverbrauchern anzutasten. Derartige Vorgaben müssten dann aber auch so ausgestaltet sein, dass etwaige Konflikte mit anderen Rechtsverhältnissen geklärt sind. Das betrifft zum Beispiel die Frage, ob eine Absenkung der Temperatur auf 19 Grad Celsius dazu führt, dass eine Minderung der Miete ausgeschlossen ist. Wird ein Moratorium für Strom- und Gassperren eingeführt, dann betrifft das zunächst nur das Vertragsverhältnis zwischen Versorger und Kunden (also etwa zwischen dem Mieter und seinem Stromlieferanten). Wenn der Mieter aber gegenüber seinem Vermieter Zahlungsrückstände für Nebenkosten (hier: Wärme) hat, müsste eine Regelung geschaffen werden, die unmittelbare Wirkung für das Mietverhältnis entfaltet. Für den Vermieter könnte das zu der misslichen Situation führen, dass er zwar die erhöhten Preise an die Strom- und Gasversorger bzw. den Wärmelieferanten zahlen muss, er aber kaum eine Handhabe hat, diese erhöhten Preise bei seinen Mietern durchzusetzen. 

Daneben plant die Bundesregierung weitere Entlastungspakete mit einer Wohngeldreform, in die eine Heizkostenpauschale integriert werden soll, sowie einer Bürgergeldreform. Inwieweit diese Entlastungspakete dazu führen, dass die Überlegungen zu Moratorien nicht weiterverfolgt werden, bleibt abzuwarten. 

Was ist jetzt zu tun?

Es handelt sich um ein Bündel von Maßnahmen, die zurzeit auch bereits umgesetzt werden bzw. bereits jetzt vorbereitet werden sollten. Dabei geht es insbesondere um Folgendes:

  • Immobilieneigentümer sollten engen Kontakt mit Ihren Energielieferanten und den Netzbetreibern halten und mit ihnen über deren Notfallpläne sprechen. Vermieter sollten ihre Mieter aufklären und eine Kommunikationsstratege vorbereiten, falls es wirklich zu einer Gasmangellage kommt.
  • Immobilieneigentümer sollten die Möglichkeiten prüfen, wie Energie gespart werden kann, z.B. durch die Optimierung technischer Anlagen oder die zentrale Absenkung von Temperaturen.
  • Anhebung der Vorauszahlungen – sofern dies mietvertraglich zulässig ist oder sonst auf freiwilliger Basis – für die Mieter und Vorbereitung eines etwaigen Härtefallmanagements bei Zahlungsausfällen, die jetzt ggf. vermehrt auftreten können. Dabei ist zu beachten, dass eine Anhebung der Vorauszahlungen in aller Regel erst nach Erstellung einer Nebenkostenabrechnung zulässig ist und nicht unterjährig.
  • Prüfung der Gas- und Wärmebezugsverträge und deren Preisgestaltung, um Überraschungen zu vermeiden. 


 

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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