Neues Kostenrisiko bei der Arbeitszeiterfassung – spätestens jetzt muss gehandelt werden!
Veröffentlicht am 1st August 2025
Das LAG Niedersachsen (Urteil vom 9. Dezember 2024, Az.: 4 SLa 52/24) hat einen Arbeitgeber wegen fehlender Arbeitszeitdokumentation zur Zahlung von fast EUR 50.000 an eine ehemalige Mitarbeiterin verurteilt. Die Mitarbeiterin hatte pauschal behauptet, über 3.000 Überstunden geleistet zu haben. Die Arbeitgeberin konnte keine gegenteilige Arbeitszeitdokumentation vorlegen. Dieses Versäumnis kostete sie den Prozess.

Was ist an der Entscheidung neu?
Mitarbeiter müssen bei Klagen auf Überstundenvergütung nicht nur die Dauer der Überstunden, sondern auch die Anordnung, Duldung und betriebliche Notwendigkeit der Überstunden behaupten.
Das LAG Niedersachsen hat nun entschieden, dass nur die Vorlage der Aufzeichnungen der erfassten Arbeitszeiten für die jeweiligen Zeiträume den Vortrag des Arbeitnehmers entkräften kann. Oder anders gesagt: Ohne gegenteilige Arbeitszeitdokumentation gelten die vom Arbeitnehmer behaupteten Überstunden als zugestanden.
Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig. Es gibt Arbeitnehmern aber schon jetzt ein vollkommen neues Druckmittel an die Hand. Sie müssen zukünftig lediglich pauschal Unmengen an Überstunden behaupten. Wurde die Arbeitszeit nicht ordnungsgemäß erfasst (was der Arbeitnehmer selbstverständlich am besten weiß), kann unter Verweis auf den Präzedenzfall des LAG Niedersachsen mit guten Erfolgschancen vor dem Arbeitsgericht auf Zahlung geklagt werden. Dieses Vorgehen ist vor allem in Kündigungsschutzprozessen, also wenn es sowieso nur noch darum geht, möglich viel Geld zu erstreiten, naheliegend.
Was ist zu tun?
Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Umsetzungshinweise aus unserer Beratungspraxis:
Für welche Mitarbeiter müssen die Arbeitszeiten erfasst werden?
- Für alle Mitarbeiter, die dem Arbeitszeitgesetz unterfallen.
- Auch bei mobilen Arbeiten.
- Auch bei Arbeit im Homeoffice.
- Es dürfen nicht einzelne Berufsgruppen (z.B. Außendienstler) ausgenommen werden.
Welche Zeiten müssen erfasst werden?
- Sämtliche Arbeitszeiten, nicht nur Überstunden oder Sonn- und Feiertagsarbeit.
- Beginn, Ende und Dauer der gesamten Arbeitszeit , einschließlich der Pausenzeiten, d.h. es ist über den Tag ggf. mehrfach „ein- und auszustempeln“.
Wie müssen die Zeiten erfasst werden?
- Datenschutzkonform.
- Leicht zugänglich.
- Auch eine händische Erfassung genügt.
Gilt die Pflicht auch, wenn Vertrauensarbeitszeit vereinbart wurde?
Ja.
Fazit
Durch das neue Urteil des LAG Niedersachsen ändert sich bezüglich der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nichts, neu sind aber die Folgen bei Versäumnissen. Behördliche Prüfungen und Bußgelder mögen noch als unwahrscheinlich empfunden worden sein. Klagen von (ehemaligen) Mitarbeitern auf Überstundenvergütung sind es dagegen nicht. Hinzukommt, dass die geltend gemacht Vergütungsansprüche die Bußgelder leicht um ein vielfaches übersteigen können.
Um als Arbeitgeber schon jetzt zukunftssicher aufgestellt zu sein und finanzielle Risiken zu vermeiden, ist eine gründliche Analyse der bestehenden Arbeitszeitregelungen unumgänglich.