Bank- und Finanzrecht

Quick Bites: Finanzierungsvereinbarungen in Zeiten der Krise

Veröffentlicht am 14th Dez 2022

Zahlreiche globale Krisen stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Wie lange können sie die Auswirkungen von Inflation, kriegsbedingten Energiepreissteigerungen und weiteren Unterbrechungen von Lieferketten sowie Rohstoffverknappungen noch aus eigener Kraft auffangen? Dringend nötig ist ein sorgfältiges und vor allem rechtzeitiges Krisenmanagement.


Nachdem die angekündigte, durch COVID-19 ausgelöste Insolvenzwelle zunächst ausblieb, haben der Ukraine-Krieg und weitere globale Entwicklungen die Frage aufgeworfen, wie lange krisengebeutelte Unternehmen diese Auswirkungen aufgrund von Inflation, kriegsbedingten Energiepreissteigerungen und weiteren Unterbrechungen von Lieferketten sowie Rohstoffverknappungen noch aus eigener Kraft auffangen können.

Die aktuellen Entwicklungen erfordern daher ein sorgfältiges und vor allem rechtzeitiges Krisenmanagement, wobei zwischen notwendigen Maßnahmen in Bezug auf bestehende und zukünftige Finanzierungen zu unterscheiden ist.

Relevante Themen für (bestehende) Finanzierungsvereinbarungen

Wesentliche Beeinträchtigung / Höhere Gewalt

Wie oben beschrieben, kann der Ukraine-Krieg eine wesentliche nachteilige Auswirkung auf die Fähigkeit eines Darlehensnehmers haben, seinen jeweiligen Verpflichtungen nachzukommen, was von den Darlehensgebern als wesentliche nachteilige Auswirkung ("MAE") oder wesentliche nachteilige Änderung ("MAC") eingestuft werden kann. Ob dies der Fall ist oder nicht, hängt von der MAE-Definition in den jeweiligen Finanzierungsvereinbarungen ab.

Folgende Themen können jedoch damit zusammenhängen:
 

  1. Neue “Requests” auf Inanspruchnahme und Risiko der Annullierung bestehender Verpflichtungen/Zusagen:
     
    • “Requests” können von den Kreditgebern/Vermittlern nicht erfüllt werden.
    • Kreditnehmer hat zu überprüfen, ob wiederholte Zusicherungen und Garantien noch erfüllt sind.
    • Vollständige Erfüllung der formalen Anforderungen, um die erforderliche Liquidität zu erhalten.
    • Risiko, dass Kreditgeber ihre Zusagen canceln oder "einfrieren", auch wenn die in Anspruch genommenen Fazilitäten nicht gekündigt werden.
       
  2. (Ereignis der) Nichterfüllung:
     
    • Das Auftreten von MAEs führt zu einer Kündigung der jeweiligen Fazilitäten, wenn die genannten Auswirkungen und Umstände aufgrund der allgemein weiten Definition von MAE unmittelbar eine solche hervorrufen.
    • Dies führt zu einem erhöhten Reputations- und Haftungsrisiko im Zusammenhang mit einer unrechtmäßigen Beendigung seitens der Darlehensgeber.
    • Die Darlehensgeber können den Darlehensnehmer vorsorglich auffordern, einen “Waiver” zu beantragen, wodurch möglicherweise fällige Gebühren anfallen, die die Liquiditätslage gefährden.
    • Cross-Default-Risiko, wenn eine MAE/MAC im Rahmen anderer Finanzierungsvereinbarungen eintritt.
       
  3. Höhere Gewalt und Cross-Default:
     
    • Die Klausel kann für Cross-Default-Klauseln relevant sein, ist aber in Finanzierungsdokumenten, die deutschem Recht unterliegen, eher unüblich.
    • Das Auftreten von höherer Gewalt hängt von der jeweiligen Definition in den Unterlagen, dem tatsächlichen Hintergrund und dem konkreten Fall ab und muss im Detail analysiert werden.
    • Höhere Gewalt kann den Darlehensnehmer zumindest für einen bestimmten Zeitraum von der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen befreien bzw. ihn dazu berechtigen, eine Änderung der Finanzierungsdokumente zu verlangen.

Einhaltung von Finanzkennzahlen

  • Aufgrund des plötzlichen Rückgangs der eingehenden Cashflows infolge der verbleibenden Effekte besteht ein hohes Risiko, dass EBITDA-/Cashflow-bezogene Finanzkennzahlen (z. B. Leverage, DSCR, ICR, LLCR usw.) in naher Zukunft verletzt werden, da die beschriebenen Effekte bei den anfänglichen Berechnungen nicht berücksichtigt wurden. Dies kann zu Kündigungsgründen und schließlich zur Fälligstellung der gewährten Fazilitäten führen. Auch wertorientierte Financial Covenants (z.B. LTV) können aufgrund sinkender Marktpreise gefährdet sein.
  • Die Inanspruchnahme von (in der Regel begrenzten) Heilungsrechten in der gegenwärtigen Situation ist möglich, kann jedoch dazu führen, dass solche Heilungsrechte in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen. Da die MAE/MAC-Problematik mit den Kreditgebern erörtert werden kann, sollte anstelle der Inanspruchnahme von Heilungsrechten eine Verzichtserklärung eingeholt werden, wenn die entsprechenden Gebühren dafür nicht so hoch sind.
  • Werden Verzichtserklärungen diskutiert, so sind der künftige Einfluss auf das Base-Case-Modell und die entsprechenden Financial Covenants zu berücksichtigen (Covenants Reset).

(Proaktive) Aktualisierung der Finanzierungsmodelle

  • Die Darlehensnehmer können verpflichtet sein, die den Darlehensgebern zur Verfügung gestellten Finanzierungsmodelle proaktiv zu aktualisieren, was von den konkreten Finanzierungsunterlagen abhängt. Dies kann zusätzliche Ressourcen (z.B. Arbeitskräfte bzw. potenzielle Kosten für einen Wirtschaftsprüfer zur Datenüberprüfung) erfordern und die verfügbare Liquidität weiter verringern.
  • Eine Aktualisierung des Base-Case-Modells kann die Möglichkeit bieten, die Situation offen mit den Kreditgebern zu besprechen und Verzichts-erklärungen/Covenants Resets zu erreichen. Darüber hinaus kann dies (wenn die entsprechenden Zahlen keine MAE/MAC ausweisen) als Abschwächungs-element verwendet werden, um eine Fälligstellung der auf der Grundlage von MAE/MAC gewährten Fazilitäten zu vermeiden.

Auskunftsersuchen der Kreditgeber wegen möglicher (Events of) Default
(Kündigungsrechte)

  • In der Regel enthalten die Finanzierungsunterlagen Informationspflichten des Darlehensnehmers gegenüber den Darlehensgebern in Bezug auf etwaige (Ausfall-)Ereignisse/Kündigungsrechte oder sogar Ereignisse, die zu solchen Ereignissen führen könnten. In einigen Verträgen wird sogar verlangt, dass Informationen über eine Verschlechterung der finanziellen Lage zur Verfügung gestellt werden.
  • Kreditgeber dürfen in der Regel Informationen von Kreditnehmern anfordern, wenn der Verdacht auf eine Notlage besteht. Solche Auskunftsersuchen können für die Darlehensnehmer mit weiteren Kosten verbunden sein, da diese in der Regel die Kosten für die jeweiligen Sachverständigen tragen müssen, die die angefragten Informationen anfordern und prüfen.

Erhöhte Kosten durch Ratingverschlechterung

  • Die Finanzierungsunterlagen können Klauseln enthalten, die besagen, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen ändern können, wenn sich das Rating des Darlehensnehmers verschlechtert, was dann mit höheren Zinszahlungen während der verbleibenden Laufzeit der Finanzierung verbunden ist und die DSCR-und ICR-Klauseln unter Druck setzen kann. Wenn Kreditgeber den Verdacht haben, dass sich das Rating des Kreditnehmers verschlechtern könnte, können sie möglicherweise auch eine Bestätigung des Ratings durch eine Ratingagentur verlangen. Dies kann zusätzliche Kosten verursachen.
  • Darüber hinaus ist es in den Finanzierungsunterlagen nicht unüblich, den Kreditgebern die Möglichkeit einzuräumen, im Falle einer Verschlechterung des Ratings zusätzliche Sicherheiten zu verlangen.

Abgrenzungen

  • Stundungen sind eine gängige Methode im Falle akuter Liquiditätsprobleme. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine über einen langen Zeitraum andauernde Stunden als "Ausfallrisiko" im Sinne der Eigenkapitalvorschriften auf der Bankenseite angesehen werden muss. Dies kann zu einer erheblichen Erhöhung der regulatorischen Kapitalanforderungen bei den Finanzinstituten führen. 
  • Nach den in COVID-19-Zeiten veröffentlichen FAQ der BaFin gelten entsprechende gestundete Forderungen nicht als ausgefallen, wenn die Zinsen auf die gestundeten Beträge, wie in der jeweiligen Finanzierungsvereinbarung festgelegt, gezahlt werden müssen. Ist die Stundung nach zwingendem Recht anwendbar, so tritt auch in diesem Fall kein “Ausfall” ein. Es bleibt abzuwarten, ob diese Grundsätze auch in der aktuellen Situation Anwendung finden werden.

Relevante Themen für zukünftige Finanzierungsvereinbarungen

  • Zusicherungen, dass es keine MAE/MAC (auf Seiten des Kreditnehmers) gibt.
  • Vereinbarung/Änderung von (vorab vereinbarten) angemessenen Finanzkennzahlen und Aktualisierung des Finanzierungsmodells sowie Überprüfung der Erfüllungsmöglichkeit zur Vermeidung einer sofortigen Kündigung nach Abschluss der Finanzierungsdokumentation.

Wichtigste Schlussfolgerungen

  • Ausgabenkontrolle/-reduzierung zur Erhaltung und Sicherung der Liquidität;
  • Präventive rechtliche Unterstützung (Einhaltung von Vorschriften und behördlichen Auflagen) sowie frühzeitige Kommunikation mit Kreditgebern/Agenten/Treuhändern; und
  • Strukturierte langfristige Strategie zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen.


Wir unterstützen Sie gerne bei allen rechtlichen Herausforderungen der Finanzdokumentation in aktuellen und künftigen Krisenzeiten.
Den Artikel können Sie hier als .pdf runterladen.

Social Media

* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

Interested in hearing more from Osborne Clarke?

Upcoming Events