Dekarbonisierung

ESG – Der Nachhaltigkeitstrend in Venture-Capital-Transaktionen

Veröffentlicht am 28th Sep 2021

In den letzten Jahren hat die Implementierung von ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) in VC-finanzierten Unternehmen zunehmend an Gewicht gewonnen. Während für Fondsgesellschaften bereits rechtliche Vorgaben in Kraft sind, ist die Umsetzung von ESG-Maßnahmen keine generelle Pflicht für sonstige Unternehmen. Daher bemühen sich VC-Investoren nun, ihre eigens aufgestellten ESG-Kriterien auf Ebene ihrer Portfoliogesellschaften durchzusetzen. Ein Standard zur Implementierung von ESG-Maßnahmen in VC-finan­zierten Start-ups fehlt allerdings zurzeit noch.

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1. ESG-Kriterien im Einzelnen

Unter ESG sind grundsätzlich Standardkriterien für ein nachhaltiges Anlegen von Finanzmitteln zu verstehen. Environment beinhaltet Aspekte wie den Klimawandel, Umweltverschmutzung, Ressourcenschonung und De­karbonisierung. Je nach Geschäftsmodell sind hier verschiedene Faktoren relevant. Für E-Commerce-Start-ups sind zum Beispiel nachhaltige Verpackungen und Lieferketten von Bedeutung. Social umfasst Themen wie gesellschaftliches Engagement, Diversity, Fair Trade und Sicherheit. Hierunter fallen insbesondere auch Datenschutz und -sicherheit, deren Einhaltung für Digi­talunternehmen unerlässlich ist. Mit Governance ist eine nachhaltige Unternehmensführung gemeint. Hierzu zählt die Etablierung von Unternehmenswerten als auch die Einführung von Aufsichtsstrukturen und Compliance-Prozessen. Zumindest bei Later-Stage-Start-ups ist zum Beispiel die Einrichtung eines Beirats, der für die Kontrolle und Beratung der Geschäftsfüh­rung zuständig ist, bereits marktüblich geworden.

Während die meisten Unternehmen in den letzten Jah­ren ihren Fokus auf die Umsetzung von Um­welt­maßnahmen gelegt haben, hat die Corona-Krise nun den Aspekt Corporate Social Responsibility deutlich in den Vordergrund gerückt. Durch die Corona-Krise ist soziale Ungleichheit global angestiegen. Der Lock­down hat bei vielen Menschen zu spürbaren Einkom­mens­verlusten geführt, so dass das gesellschaftliche Engagement in vielen Unternehmen deutlich intensiviert wurde.

Insbesondere hat die Corona-Krise aber auch gezeigt, dass Unternehmen mit einer guten Corporate Gover­nance eine Krise wesentlich besser überstehen. Ein nachhaltiges Risikomanagement und die Digitalisierung von Wertschöpfungsketten tragen zur Widerstands­fähigkeit eines Unternehmens bei.

2. Implementierung auf Portfolio-Ebene

Der europäische Gesetzgeber hat für Fondsgesellschaf­ten in der EU bereits verbindliche Offenlegungs- und Transparenzpflichten eingeführt. Folglich hat es sich zum Marktstandard etabliert, dass Fondsgesellschaften eigene ESG-Richtlinien in ihrem Fonds aufstellen. Die BaFin hat in ihrem „Merkblatt zum Umgang mit Nach­haltigkeitsrisiken“ vom 20. Dezember 2019 für die von ihr beaufsichtigten Unternehmen unverbindliche Ver­fahrensweisen zur Umsetzung der gesetzlichen An­forderungen an ein angemessenes Risikomanage­ment­system herausgegeben. Andere Investoren haben sich gewissen Initiativen angeschlossen oder sich freiwillig gewissen Standards unterworfen (zum Beispiel dem Deut­schen Nachhaltigkeitskodex).

Viele VC-Fonds verlangen daher die Einführung von ESG-Maßnahmen in ihren Portfoliogesellschaften, um nicht gegen eigene Investmentpolitik-Richtlinien zu verstoßen. Es bestehen Projekte wie „Sustainability Clause“ von Leaders for Climate Action, an denen bereits zahlreiche namhafte deutsche als auch internationale VC-Fonds teilnehmen. Danach verpflichten sich diese, eine entsprechende Nachhaltigkeitsklausel in ihrem Term Sheet und in die Gesellschaftervereinba­rung der Portfoliogesellschaft aufzunehmen, die alle neu finanzierten Unternehmen zu gewissen Klima­schutz­zielen verpflichtet.

ESG-Kriterien können an verschiedenen Stellen in der Beteiligungsdokumentation eines Start-ups eingebaut werden:

2.1. Garantien und Freistellungen

ESG spielt bereits im Rahmen der Due Diligence neben den traditionellen Aspekten der finanziellen, recht­lichen, technischen, steuerlichen und kommerziellen Due Diligence eine zunehmend große Rolle. Je nach Branche werden hier bestimmte Nachhaltigkeitsas­pek­te von den VC-Investoren geprüft und entsprechende Dokumente angefordert. Die Ergebnisse der Due Diligence fließen dann in die Vertragsverhandlungen ein. ESG-Faktoren können systematisch in die Bewer­tung eines Unternehmens einfließen. In den meisten Fällen werden sie dies aber nur implizit tun, da noch kein Standard für die mathematische Berechnung von ESG-Faktoren anerkannt und verbreitet ist. ESG-Fak­to­ren werden sich vor allem in den Garantien und Frei­stel­lungen in der Beteiligungsdokumentation widerspiegeln. Unabhängig von den konkreten Ergebnissen der Due Diligence verlangen VC-Investoren oft generelle Compliance-Garantien, wonach das Start-up garantiert, dass alle einschlägigen Gesetze eingehalten werden.

2.2. Covenants

Auf Basis der im Rahmen der Due Diligence identifi­zierten Lage bezüglich der Verfolgung von ESG-Maßnahmen sollte mit dem Startup ein Aktionsplan ausgearbeitet werden. In diesem Aktionsplan ist vor­zusehen, welche ESG-Maßnahmen von wem und wie auszuführen sind. Die diesbezüglichen Verpflichtun­gen sollten aus Investorenperspektive als sogenannte Covenants beziehungsweise Undertakings des Start-ups in die Gesellschaftervereinbarung aufgenommen werden. An dieser Stelle sind die ESG-Maßnahmen explizit aufzulisten. Sinnvoll kann auch eine Bezugnahme auf eine bestimmte Initiative sein, der sich das Start-up anschließen kann (zum Beispiel Green Consumption Pledge Initiative der Europäischen Kommission). Letztlich können bestimmte Rechtsfolgen wie zum Beispiel Geldstrafen aufgenommen werden im Falle eines Verstoßes gegen ESG-Vorgaben.

2.3. Monitoring

Zur Durchsetzung und Kontrolle der Durchführung und Einhaltung der ESG-Maßnahmen werden VC-Investoren regelmäßig gewisse Informationsrechte verlangen. Zudem können auf Nachhaltigkeit abgestimmte Re­porting-Strukturen aufgebaut werden. Hier gilt es die Interessen eines Investors nach möglichst viel Informa­tion mit den Interessen der Gründer, ihr Unternehmen eigenständig zu führen, zu vereinbaren. Ein detailliertes Reporting sollte nicht zum Mikromanagement der Geschäftsführer durch die Investoren führen. Ein Beirat kann zur Kontrolle und Überwachung der Geschäfts­f­ührung geschaffen werden. Der Beirat kann (unter anderem) mit einem unabhängigen Mitglied besetzt werden, welches besondere Expertise aus dem ESG-Bereich mitbringt.

2.4. Weitere Maßnahmen

Bestimmte ESG-Maßnahmen, welche kurzfristig um­gesetzt werden können, können bereits als Closing Conditions oder als Meilensteine des jeweiligen In­vestments in die Beteiligungsvereinbarung aufgenommen werden. Zudem können Gehaltsmodelle innerhalb des Start-ups an die Erreichung von ESG-Zielen geknüpft werden. Hier ist jedoch darauf zu achten, die ESG-Ziele möglichst genau zu bestimmen, um die richtigen Anreize zu schaffen und später mögliche Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Mitarbeitern zu vermeiden.

2.5. Praxis

Letztendlich werden Umfang und Reichweite der ESG-Maßnahmen nicht nur von der jeweiligen Branche des Start-ups, sondern auch von der Phase abhängen, in der sich das Start-up gerade befindet. Dennoch zeigt die Praxis, dass die Implementierung von ESG-Maßnahmen auf Ebene der Portfoliogesellschaften gerade nicht einzelfallabhängig erfolgt. Einige VC-Fonds haben einheitliche ESG-Klauseln für ihre Portfoliogesellschaften entworfen, deren wortgleiche Aufnahme sie in jeder Beteiligungsdokumentation fordern. Dies mag zwar für die jeweiligen VC-Investoren praktikabel sein. Für Start-ups führt es jedoch dazu, dass sie teilweise Ver­pflichtungen eingehen müssen, welche überhaupt nicht in Bezug zu ihrem Geschäftsmodell stehen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem ein weiterer VC-Investor als Gesellschafter hinzukommt, der seine eigenen ESG-Klauseln in das Investment mitbringt, wird eine wortgleiche Übernahme nicht möglich sein.

3. Fazit

Sowohl VC-Investoren als auch Start-ups sind sich einig, dass ESG-Themen gefördert werden und ihren Weg in die Beteiligungsdokumentation finden müssen. Doch anstatt dass jeder VC-Fonds seine generellen ESG-Maßstäbe unabhängig vom Einzelfall in jedes seiner Start-ups zu integrieren versucht, sollte ein Weg ge­funden werden, die besonderen Gegebenheiten des Start-ups einfließen zu lassen und einen Ausgleich mit den Maßstäben anderer VC-Investoren zu finden.

Dieser Fachartikel ist im Original erschienen in der Fachzeitschrift M&A Review

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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