Gewerblicher Rechtsschutz / IP

Anwendbares Recht bei Vindikation nationaler Teile eines Bündelpatents

Veröffentlicht am 21st Feb 2022

Urt. vom 22. Juli 2021, 6 U 108/10 – Kunststoffsack

Die Übertragung von Erfinderrechten wirft häufig Fragen zum international anwendbaren Recht auf. In der Entscheidung Kunststoffsack geht das Oberlandesgericht Frankfurt auf die Frage ein, welcher Rechtsordnung die Übertragungsansprüche des Erfinders unterliegen, wenn der Arbeitgeber die einem europäischen Patent zugrundliegende Erfindung nicht ordnungsgemäß in Anspruch genommen hat. Daneben behandelt die Entscheidung eine Reihe weiterer praxisrelevanter Punkte im Zusammenhang mit der Übertragung von Arbeitnehmererfindungen.

Close up of people in a meeting, hands holding pens and going over papers

Sachverhalt und Streitfragen

Die Beklagte ist ein Bauindustriebetrieb und Inhaberin eines 2004 angemeldeten europäischen Patents mit der Bezeichnung „Kunststoffsack mit Überdruckentlüftung“. Als solche stellt sie unter anderem Folien und Stoffe für die Bauindustrie her. Der Kläger war früher bei der Beklagten beschäftigt und ist neben zwei weiteren Angehörigen des Unternehmens im Streitpatent und in der internationalen Patentanmeldung als Erfinder genannt. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Erfindung als Diensterfindung unbeschränkt und rechtswirksam in Anspruch genommen hat. 

Die Klage war erstinstanzlich weitgehend erfolgreich. Die Beklagte wurde verurteilt, das Streitpatent beziehungsweise die Rechte aus einer Anmeldung für dieses sowie der PCT- Anmeldung auf den Kläger zu übertragen. Überdies habe die Beklagte entsprechende Registereintragungen zu bewilligen und Auskunft über Benutzungshandlungen zu erteilen. In zweiter Instanz wurde die Klage zunächst mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei nicht Miterfinder der streitgegenständlichen Erfindung, da der geleistete Beitrag „nicht den springenden Punkt“ der Erfindung betreffe. Der BGH (X ZR 103/11) hat die Sache im Revisionsverfahren an das OLG zurückverwiesen. Dabei stellte er insbesondere fest, dass entgegen der Auffassung des OLG nicht jeder Beitrag eines Miterfinders selbständig erfinderisch sein muss und der Kläger daher als Miterfinder anzusehen sei. Das OLG Frankfurt hat hierauf der Klage nunmehr teilweise stattgegeben. 

Dabei hat sich der Senat zu den Fragen geäußert, ob

  1. eine Auslegung von Art. 60 Abs. 1 S. 2 EPÜ geboten ist, nach der die Vorschrift nicht nur eine Kollisionsnorm für das Recht auf die Diensterfindung enthält, sondern zugleich eine Kollisionsnorm für die Vindikation darstellt. 
  2. eine Erfindungsmeldung abweichend vom Wortlaut des § 5 Abs. 1 ArbnErfG aF wirksam sein kann, wenn die Unterschrift eines Miterfinders fehlt. 
  3. eine „Oberschrift“ statt einer „Unterschrift“ den Anforderungen des § 6 Abs. 2 ArbnErfG aF für die Inanspruchnahme einer Arbeitnehmererfindung genügt. 
  4. der Beklagte einer Vindikation der nationalen Teile eines Bündelpatents die Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach § 1000 BGB in Bezug auf die entstandenen Kosten für die Aufrechterhaltung der Schutzrechte entgegenhalten kann. 

Entscheidungsgründe 

  1. Das Gericht bestätigt den geltend gemachten Vindikationsanspruch gem. Art. 60 Abs. 1 S. 2 EPÜ i.V.m. Art. 2 § 5 Abs. 1 S. 2 IntPatÜG hinsichtlich aller noch streitgegenständlichen nationalen Teile des Bündelpatents. Art. 60 Abs. 1 S. 2 EPÜ sei dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift nicht nur eine Kollisionsnorm für das Recht auf die Diensterfindung darstellt, nach der sich das Recht auf das europäische Patent nach dem Recht desjenigen Staates richtet, in dem der Arbeitnehmer überwiegend beschäftigt ist. Vielmehr müsse Gleiches ebenfalls für die Vindikation gelten. Sinn und Zweck der Regelung sei es, Arbeitnehmer zu schützen und diesen im Zweifelsfalle eine Vindikation nach einer Vielzahl von Jurisdiktionen zu ersparen. Eine ähnliche Auslegung hatte auch das OLG Karlsruhe schon in seinem Urteil „Rohrleitungsprüfung“ vom 13. April 2018 (GRUR 2018, 1030) vorgenommen. 
  2. Eine Erfindungsmeldung könne trotz fehlender Unterschrift eines Miterfinders gem. § 5 Abs. 1 ArbnErfG aF wirksam sein, wenn sich die Gesamtumstände so darstellen, dass eine Meldung auch im Namen der Miterfinder abgegeben wird. Zwar ergäbe sich aus der Entscheidung „Initialidee“ des BGH vom 12. April 2011 (GRUR 2011, 733), dass die Meldepflicht jeden einzelnen Miterfinder trifft, für die als Pflicht des § 5 Abs. 1 ArbnErfG auch die Beanstandungspflicht des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 3 ArbnErfG nicht greift. Der BGH verlange hier jedoch lediglich, dass die Erfindungsmeldung so abgefasst ist, dass der Arbeitgeber den Erfindungscharakter und die an der Erfindung beteiligten Personen erkennen kann, um sachgerecht über die Inanspruchnahme oder Freigabe entscheiden zu können. Entscheidend sei, dass deutlich wird, dass die Erfindungsmeldung auch im Namen der weiteren Beteiligten abgegeben wird. 
  3. Für die Inanspruchnahme einer Arbeitnehmererfindung sei eine Unterschrift in der Weise nötig, dass hierin die sichere Zuordnung eines räumlich zeitlichen Textabschlusses gesehen werden kann. Hierin würde die „Verantwortung für den darüberstehenden Text übernommen“. Im entschiedenen Fall befand sich die „Unterschrift“ im mittigen Teil der Seite im Zusammenhang mit der Bestätigung des Erhalts der Erfindungsmeldung. Die formularmäßig erklärbare Inanspruchnahme der Erfindung durch eine Ankreuzmöglichkeit folgte erst hierauf. Den Entscheidungsgründen des hiesigen Falles und der Entscheidung des BGH vom 13. Oktober 1994 (NJW 1995, 43 Rn. 20) lässt sich entnehmen, dass zwar generell kein derartig strenger formalistischer Maßstab angelegt wird, dass eine „Oberschrift“ nie ausreichen könne. Sind auf einem Schriftstück jedoch Sinnabschnitte, wie hier die Bestätigung des Erhalts der Erfindungsmeldung und der Inanspruchnahme der Erfindungsmeldung enthalten, geht das Gericht von der formalistischen Betrachtungsweise aus, nach der eine Unterschrift ihre Klarstellungs- und Beweisfunktion nur erfüllen kann, wenn sie am Ende des gesamten Textkörpers steht. 
  4. Die Beklagte könne der Vindikation der nationalen Teile eines Bündelpatents ein Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 BGB entgegenhalten, sodass der Kläger diese nur Zug-um-Zug gegen Zahlung der Kosten verlangen könne, die der Beklagten im Zusammenhang mit dem Schutzrecht gem. § 994 BGB entstanden sind. Hierzu gehören die Kosten für die Patentanmeldung sowie für die Aufrechterhaltung. Bis zur Zahlung dieser Kosten könne die Beklagte die Vindikation der nationalen Teile des Bündelpatents, die noch streitgegenständlich sind, verweigern. Für Verwendungen auf Patentanmeldungen und Patente, deren Herausgabe nicht mehr verlangt wird, gelte dieses Zurückbehaltungsrecht jedoch nicht.

Fazit

Die Entscheidung bestätigt, dass sich die Berechtigung an einer Diensterfindung nach dem Arbeitsstatut richtet, während für die erfinderrechtliche Vindikation des Schutzrechtes, das aus der Diensterfindung hervorgegangen ist, grundsätzlich sachenrechtlich das unter Umständen abweichende Schutzlandstatut gilt. 

Kern der Entscheidung ist jedoch, dass eine teleologische Auslegung der arbeitnehmerschützenden Vorschrift des Art. 60 I 2 EPÜ ergeben soll, dass eine Ausnahme von dieser Unterscheidung zu machen ist, wenn der Erfinder ein Arbeitnehmer ist. Da sich das Recht auf das europäische Patent dann nach dem Arbeitsstatut richtet, solle es naheliegen, dem Arbeitnehmer in diesem Fall auch den Anspruch auf Vindikation des Bündelpatents hinsichtlich aller seiner nationalen Teile einheitlich nach dem Recht des Staates zu gewähren, in dem der Arbeitnehmer überwiegend beschäftigt ist. 

In gesetzessystematischer Sicht bestehen jedoch Zweifel. Die Entscheidung erscheint deshalb nicht ganz überzeugend, weil sie die Unterscheidung zwischen arbeits- und patentrechtlichen Fragen einebnet. Ihr steht zudem die Wertung des Art. 74 EPÜ entgegen, wonach die europäische Patentanmeldung materiell aus dem jeweiligen Schutzland bestimmt wird. 

Für das Unified Patent gilt weiterhin die Zuständigkeit der nationalen Gerichte, weil Vindikationsklagen nicht in der Zuständigkeit des UPC gem. Art. 32 EPGÜ liegen. Für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung ist Art. 7 VO (EU) 1257/2012 heranzuziehen, wonach grundsätzlich der Wohnsitz bzw. der Sitz der Hauptniederlassung des Patentanmelders entscheidend ist. Bei Patentanmeldern ohne Sitz oder Niederlassung in der EU gilt deutsches Recht, Art. 7 Abs. 3 VO (EU) 1257/2012.

Social Media

* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

Interested in hearing more from Osborne Clarke?