Die Zuständigkeit für selbständige Klagen auf Festsetzung von Schadensersatz vor dem EPG (UPC_CoA_30/2024; APL_4000/2024)
Veröffentlicht am 7th Mai 2025

Einleitung
Mit Anordnung vom 16. Januar 2025 (UPC_CoA_30/2024; APL_4000/2024) hat sich das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) mit der Frage nach der Zuständigkeit des EPG befasst, Schadensersatz für Verletzungen europäischer Patente der Höhe nach festzusetzen, auch wenn die zugrunde liegende Verletzung zuvor nicht vom EPG selbst, sondern von einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaates festgestellt wurde. Das Berufungsgericht bestätigte die Zuständigkeit des EPG in diesen Fällen und stellte zudem klar, dass davon auch Verletzungshandlungen erfasst seien, die vor dem Inkrafttreten des EPGÜ am 1. Juni 2023 begangen wurden, solange das geltend gemachte europäische Patent zu diesem Zeitpunkt noch nicht erloschen ist.
Hintergrund
Im zugrundeliegenden Fall hatte die Patentinhaberin vor Inkrafttreten des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) vor dem Landgericht Düsseldorf auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Schadenersatz wegen Verletzung des deutschen Teils eines europäischen Patents (EP) geklagt. Die Klage war erfolgreich und das Urteil erwuchs in Rechtskraft.
Anschließend beantragte die Klägerin nun vor dem Einheitlichen Patentgericht (EPG), namentliche vor der Lokalkammer Hamburg, die konkrete Festsetzung von Schadenersatz gemäß Art. 32(1)(f) EPGÜ, Art. 68(1) EPGÜ und Teil 1 Kapitel 4 der Verfahrensordnung (VerfO). Die Beklagte legte daraufhin gemäß R. 19.1(a) VerfO Einspruch ein und machte geltend, dass das angerufene Gericht für den vorliegenden Antrag auf Festsetzung von Schadensersatz gem. Art. 32(1) EPGÜ nicht zuständig sei, weil das entsprechend zugrundeliegende Verletzungsverfahren nicht vor dem EPG, sondern einem nationalen Gericht geführt wurde.
Die Lokalkammer Hamburg folgte der Ansicht der Beklagten und gab dem Einspruch statt. Art. 32(1)(a) EPGÜ verleihe dem EPG die Zuständigkeit für die Festsetzung von Schadensersatz der Höhe nach nur dann, wenn zuvor eine Klage wegen Patentverletzung vor dem EPG erhoben worden sei. Auch Art. 32(1)(f) EPGÜ begründe nur eine Zuständigkeit für Schadensersatz- oder Entschädigungsklagen, die auf dem (vorläufigen) Schutz einer veröffentlichten europäischen Patentanmeldung beruhen. Die Anerkennung eines Schadenersatzes zusprechenden nationalen Urteils könne dagegen die Zuständigkeit des EPG für die Festsetzung von Schadenersatz nicht begründen, so die Lokalkammer.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein und beantragte, sie aufzuheben.
Entscheidung
Die Klägerin hatte mit ihrer Berufung Erfolg, und der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an die Lokalkammer Hamburg zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht folgte der Argumentation der Lokalkammer nicht. Das EPG sei auch für selbstständige Klagen auf Festsetzung von Schadensersatz zuständig, nachdem ein Gericht eines Vertragsmitgliedstaates die Verletzung eines europäischen Patents und die Verpflichtung des Verletzers zur Zahlung von Schadenersatz dem Grunde nach festgestellt hat.
Der Wortlaut von Art. 32(1)(a) EPGÜ schließe weder aus, dass selbständige Klagen auf Schadenersatz (wie im vorliegenden Fall) von der Zuständigkeit des EPG erfasst sind, noch schreibe er eine solche Zuständigkeit ausdrücklich vor. Eine Auslegung der Verfahrensordnung und der Entstehung des EPGÜ lasse jedoch den Schluss zu, dass es Fälle geben kann, in denen das Vorliegen einer Patentverletzung nicht vom Gericht rechtlich und tatsächlich beurteilt werden muss. Es gebe keinen Grund, den vorliegenden Fall anders zu behandeln. Obwohl die Verfahrensordnung (VerfO) die Festsetzung des Schadenersatzes als Nebenantrag behandelt, müsse dies außer Acht gelassen werden, da sich aus einer kombinierten Leseart von Artikel 32 (1) (a), 32 (1) (f) und 34 EPGÜ ergebe, dass der Antrag auf Festsetzung auch als selbständige Klage eingereicht werden kann.
Die Zuständigkeit des EPG erstrecke sich zudem auch auf Verletzungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des EPGÜ am 1. Juni 2023 begangen wurden, solange das geltend gemachte europäische Patent zu diesem Zeitpunkt noch nicht erloschen sei.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Berufungsgerichts ermöglicht es, nach Feststellung der Patentverletzung durch ein nationales Gericht eine Klage zur Festsetzung der Schadenersatzhöhe vor dem EPG einzureichen. Dies kann strategisch von Bedeutung sein, wenn die Schadensermittlung nach dem EPGÜ und der VerfO für den Patentinhaber vorteilhafter ist als die Schadensermittlung nach nationalem Recht. Das Berufungsgericht erteilte den diesbezüglichen Vorwürfen eines sog. „Forum Shoppings“ und „law shoppings“ eine deutliche Absage. Eine Abweichung zwischen dem von den nationalen Gerichten angewandten Recht und dem EPGÜ sei vorgesehen und entspreche sogar dem Sinn und Zweck des EPGÜ. Daher ist insgesamt davon auszugehen, dass sich die Anzahl an Klagen vor dem EPG durch vorliegende Anordnung in Zukunft nicht unerheblich erhöhen und das EPG zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. Ob sich die Rechtsprechung zur Schadensermittlung vor dem EPG auf lange Sicht so viel anders entwickeln wird als vor den nationalen Gerichten, bleibt jedoch noch abzuwarten. Besonders viele Höheverfahren vor dem EPG gibt es bislang noch nicht.