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Wird Cannabis jetzt legal? Deutscher Bundestag beschließt kontrollierte Cannabis-Freigabe

Veröffentlicht am 23rd Feb 2024

Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in Deutschland kommt – allerdings nur als begrenzte Teil-Legalisierung bzw. Entkriminalisierung.

Nach langer politischer Auseinandersetzung hat der Deutsche Bundestag am 23. Februar 2024 das neue „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz - CanG) beschlossen, welches für Volljährige den Anbau und Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum sowie die Abgabe über Anbauvereinigungen unter bestimmten Bedingungen straffrei stellt. Der Handel mit Cannabis bleibt allerdings vorerst weiterhin illegal.

Zwar bleibt das Gesetz damit hinter dem ursprünglichen weitreichenden Versprechen des Koalitionsvertrags zurück, welcher eine umfassende Legalisierung und kontrollierte Abgabe in lizensierten Fachgeschäften vorsah. Trotzdem ist die nun beschlossene „Legalisierung Light“ eine historische Kehrtwende in der Cannabis-Politik in Deutschland.

Wie verlief die Cannabis-Legalisierung bisher?

Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in Deutschland ist eines der meistumstrittenen Koalitionsversprechen der Ampelregierung. Das Vorhaben und ein entsprechendes Gesetz wurden von verschiedensten Akteuren jahrelang diskutiert, Entwürfe grundlegend überarbeitet – so mancher glaubte schon nicht mehr daran, dass die Legalisierung irgendwann Realität wird. 

Bereits im Oktober 2022 legte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein erstes Eckpunktepapier mit rechtlichen Rahmenbedingungen für die geplante Legalisierung vor. Dieses erntete jedoch aufgrund entgegenstehender völker- und europarechtlicher Vorschriften reichlich Kritik. 

Im April 2023 folgte ein zweites Eckpunktepapier, welches bereits erheblich vom Kurs des ersten Papiers und einer vollständigen Legalisierung abrückte und stattdessen die schrittweise Umsetzung der Cannabis-Legalisierung im Wege eines 2-Säulen-Modells vorsieht: In einem ersten Schritt soll der Besitz und Anbau von geringen Mengen Cannabis zu privaten Zwecken entkriminalisiert werden (1. Säule) und in einem zweiten Schritt der kommerzielle Vertrieb in regional begrenzten, staatlich kontrollierten Modellvorhaben erprobt werden (2. Säule).

Nun hat der Bundestag zur Umsetzung der 1. Säule des Legalisierungsvorhabens am 23. Februar 2024 das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz - CanG) beschlossen. Das als umfassendes Mantelgesetz ausgestaltete Gesetz beinhaltet neben Regelungen zur kontrollierten Abgabe, Besitz und Konsum von Cannabis zu Genusszwecken im neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) weitere im Zusammenhang mit der Entkriminalisierung stehende Änderungen bestehender Gesetze, etwa Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes und des Strafgesetzbuchs. 

Welche Regelungen sieht das neue Cannabisgesetz konkret vor?

  • Cannabis wird von der Liste verbotener Substanzen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gestrichen, wo es bisher mit entsprechenden Strafvorschriften belegt war.
  • Erwachsenen wird künftig der Besitz zum Eigenkonsum von bis zu 25 Gramm getrocknetem Cannabis im öffentlichen Raum und bis zu 50 Gramm getrocknetem Cannabis am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt erlaubt.
  • Der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zwecks Eigenkonsums ist gestattet, erfordert jedoch den Schutz vor dem Zugriff von Kindern, Jugendlichen und Dritten. Cannabis aus dem privaten Eigenanbau darf nicht an Dritte weitergegeben werden.
  • Zugelassen wird außerdem der nicht-kommerzielle Gemeinschaftsanbau für den Eigenkonsum in Anbauvereinigungen, sogenannten „Cannabis Clubs“. In den Vereinigungen selbst und in deren Sichtweite darf jedoch nicht konsumiert werden.
  • Der öffentliche Konsum von Cannabis in und „in Sichtweite“ von Schulen, Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Spielplätzen und öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr ist verboten. Sichtweite soll bei einem Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich der jeweiligen Einrichtung nicht mehr gegeben sein.
  • Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten.
  • Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen dürfen Konsumcannabis nur mit behördlicher Genehmigung gemeinschaftlich anbauen und ausschließlich an ihre Mitglieder zum Eigenverbrauch und nur gegen Selbstkosten abgeben. Es müssen strenge gesetzliche Auflagen unter behördlicher Aufsicht eingehalten werden.
  • Anbauvereinigungen sind auf maximal 500 volljährige Mitglieder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland beschränkt. Die Mitgliedschaft in mehr als einer Anbauvereinigung ist verboten.
  • Die Abgabemenge in Anbauvereinigungen ist pro Mitglied begrenzt auf höchstens 25 Gramm täglich / 50 Gramm monatlich und nur unter strenger Prüfung von Mitgliedschaft und Alter erlaubt. Die Abgabe an junge Erwachsene (Heranwachsende) im Alter von 18 bis 21 Jahren ist auf 30 Gramm pro Monat und einen THC-Gehalt von 10 Prozent begrenzt.
  • Die Abgabe von Cannabis erfolgt in kontrollierter Qualität und ausschließlich in reiner Form, das heißt als Marihuana oder Haschisch. Eine Abgabe in Verbindung mit Alkohol, Tabak, Lebensmitteln oder sonstigen Aromen und Zusätzen ist untersagt.
  • Werbung und jede Form des Sponsorings für Cannabis und für Anbauvereinigungen sind verboten.
  • Eine Anpassung der THC-Grenzwerte im Straßenverkehr wird aktuell vom Bundesministerium für Verkehr und Digitales geprüft und ein entsprechender Vorschlag bis zum 31. März 2024 erwartet. 
  • Es sind Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Anbauvereinigungen vorgesehen. Daneben soll es Frühinterventionsprogramme geben, insbesondere für Jugendliche, die gegen die vorgenannten Regelungen verstoßen.
  • Alte Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar sind, können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.

Daneben enthält das Mantelgesetz auch noch Regelungen zum Umgang mit Medizinal-Cannabis, welche in einem gesonderten „Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken“ (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG) geregelt sind. Medizinal-Cannabis darf (weiterhin) nur in Apotheken abgegeben werden.

Von der geplanten Legalisierung zur Entkriminalisierung: Was ist nun erlaubt?

Beschlossen wurde mit den Regelungen des Cannabisgesetzes damit lediglich eine Teil-Legalisierung in Form einer begrenzten Entkriminalisierung: Für Volljährige wird der Eigenanbau und Besitz zum Eigenkonsum von Cannabis zu Genusszwecken nun in bestimmten Mengen straffrei, der Handel bleibt allerdings weiterhin illegal. Bei geringfügiger Überschreitung der oben genannten gesetzlich geregelten Besitzgrenzen (bis zu 30 Gramm im öffentlichen Raum bzw. 60 Gramm in der Wohnung) stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, bei höheren Überschreitungen (mehr als 30 Gramm im öffentlichen Raum bzw. 60 Gramm in der Wohnung) eine Straftat.

Nicht erlaubt bleiben damit der Handel und das Inverkehrbringen ohne Lizenz unabhängig von der Menge sowie der Erwerb, Besitz und Anbau oberhalb der jeweils erlaubten Mengen, wofür Geldbußen, Geldstrafen oder Freiheitsentzug drohen. Insbesondere die Abgabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche soll künftig noch konsequenter verfolgt und bestraft werden.

Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis über nicht-kommerzielle Vereine an deren Mitglieder soll den Schwarzmarkt eindämmen. Diese dürfen von den Mitgliedern neben den satzungsgemäßen Beiträgen zur Deckung der Selbstkosten keine Entgelte verlangen und über die Abgabe keine Gewinne erwirtschaften.

Der ursprüngliche Koalitions-Plan zum staatlich kontrollierten Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften wurde aus EU-rechtlichen Gründen aufgeschoben. Das soll in Zukunft in regionalen Modellversuchen (Säule 2) getestet werden.

Fazit

Mit der in dem neuen Cannabisgesetz vorgesehenen begrenzten Teil-Legalisierung bzw. Entkriminalisierung ist die Bundesregierung von ihrem ursprünglichen Ansatz einer vollständigen Legalisierung, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen war, deutlich abgewichen. Doch auch wenn die beschlossene „Legalisierung Light“ nun weniger umfassend ist als geplant, so stellt sie dennoch eine historische Kehrtwende in der Cannabis-Politik in Deutschland dar.

Das Abrücken von der ursprünglichen Vision und der zähe Fortgang der ursprünglich für den 1. Januar 2023 geplanten Legalisierung verdeutlicht, wie kontrovers dieses Thema in der Politik diskutiert wird und wie komplex die Herausforderungen sind, vor die sich die Bundesregierung durch das ehrgeizige Ziel einer Neuordnung der deutschen Drogenpolitik und die Vereinbarung des Wunsches nach einer Legalisierung von Cannabis mit den Bedenken ihrer Kritiker stellte.

Doch auch nach Beschluss des Gesetzes bleibt die Kritik auf beiden Seiten laut: Den Befürwortern geht die Legalisierung nicht weit genug, da ein kommerzieller Verkauf über lizensierte Fachgeschäfte, wie ursprünglich in Aussicht gestellt, zunächst nicht erlaubt ist. Das verhindert einen neuen Wirtschaftszweig und die damit verbundenen Investitionen und potenziellen Steuereinnahmen. 

Den Kritikern geht die Legalisierung dagegen immer noch zu weit. Sie sehen insbesondere den Kinder- und Jugendschutz gefährdet, vor allem, da sie damit rechnen, dass die Kontrollen der vorgesehenen Bannzonen die Behörden überlasten werden. Zudem sehen sie den Schwarzmarkt nicht effektiv bekämpft.
Es bleibt abzuwarten, ob der mit dem Gesetz bezweckte Balanceakt zwischen Liberalisierung und Schwarzmarktbekämpfung auf der einen Seite und Kinder- sowie Jugendschutz auf der anderen Seite Erfolg haben wird.

Ausblick

Das Inkrafttreten des Gesetzes ist für den 1. April 2024 geplant. Ab diesem Zeitpunkt sollen Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen Cannabis für Volljährige erlaubt sein. Der gemeinsame Anbau und die Abgabe über Anbauvereinigungen sollen dann – nachdem die entsprechenden organisatorischen und behördlichen Voraussetzungen in den Ländern geschaffen wurden – zum 1. Juli 2024 möglich werden.

Zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens muss das neue Cannabisgesetz allerdings formal erst noch den Bundesrat passieren. Bei dem Cannabisgesetz handelt es sich zwar um ein zustimmungsfreies Einspruchsgesetz, jedoch steht es dem Bundesrat offen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Einzelne Bundesländer haben bereits eine entsprechende Absicht geäußert. 

Sollte sich die Länderkammer in der für den 22. März 2024 angesetzten Bundesratssitzung für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses entscheiden, würde dies das Gesetzesvorhaben in zeitlicher Hinsicht ausbremsen. Das für den 1. April 2024 geplante Inkrafttreten des Gesetzes gilt für diesen Fall als unwahrscheinlich.

Die Zukunft der Cannabis-Legalisierung in Deutschland bleibt also spannend. Nicht nur bleibt die Frage bestehen, welche Auswirkungen das neue Cannabisgesetz auf die deutsche Gesellschaft und Rechtslandschaft haben wird. Angesichts der jüngsten politischen Debatten und Richtungswechsel im Gesetzgebungsverfahren bleibt auch die Umsetzung der zweiten Säule des 2-Säulen-Modells, also die des kommerziellen Vertriebs in regional begrenzten, staatlich kontrollierten Modellvorhaben, unsicher.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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