Gewerblicher Rechtsschutz / IP

BGH: Herausgabe des Verletzergewinns für Zusatzgeschäfte nach Schutzrechtsablauf (Polsterumarbeitungsmaschine)

Veröffentlicht am 22nd Mar 2024

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung Polsterumarbeitungsmaschine vom 14. November 2023 (BGH, Urt. v. 14. Nov. 2023 - X ZR 30/21) ausgiebig mit dem patentrechtlichen Schadensersatzanspruch nach der Berechnungsmethode des sog. „Verletzergewinns“ beschäftigt.

People in a meeting and close up of a gavel

Die Herausgabe des Verletzergewinns stellt eine von drei Methoden für die Bestimmung des zu leistenden Schadensersatzes im Falle einer schuldhaften Patentverletzung dar. Der „Verletzergewinn“ ist zwar inzwischen als Form des Schadensersatzes in den allermeisten Gesetzen, insbesondere im Patentgesetz, ausdrücklich festgelegt, der Umfang des herauszugebenden Gewinns ist jedoch nach wie vor hoch umstritten. So setzt sich der BGH auch in diesem Fall mit Fragen auseinander, die bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt waren. 

Konkret ging es darum, inwieweit Gewinne aus Zusatzgeschäften bei der Berechnung des Schadensersatzes miteinzubeziehen sind, vorliegend namentlich solche aus Leasing- und Wartungsverträgen sowie aus der Lieferung von Verbrauchsmaterialien. Zudem war zu klären, ob dabei auch Gewinne zu berücksichtigen sind, die erst nach dem Erlöschen des Patentschutzes angefallen sind. Des Weiteren wurde die Frage geklärt, in welchem Umfang gegebenenfalls Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung in Bezug auf Zusatzgeschäfte bestehen.

Wesentlicher Sachverhalt 

Die Beklagte stellt Polsterumarbeitungsmaschinen zum Umarbeiten eines flächigen Vorratsmaterials (z.B. Papier) in Polsterprodukte (z.B. Kissen) her und vertreibt diese. Daneben schließt sie Leasing- und Wartungsverträge in Bezug auf die Maschinen ab und liefert auch zusätzliche Verbrauchsmaterialien wie das umzuarbeitende Papier. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihres europäischen Patents in Anspruch, das eine solche Polsterumarbeitungsmaschine schützt.

Die Beklagte ist in den Vorinstanzen unter anderem zur Auskunft und Rechnungslegung bezüglich der Lieferung von Verbrauchsmaterialien sowie von ihr abgeschlossener Leasingverträge verurteilt worden, nachdem bereits das Landgericht zuvor eine Patentverletzung durch zwei von vier angegriffene Ausführungsformen festgestellt hat.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Es ging vor allem um die Fragen, ob auch der Umsatz und Gewinn aus Zusatzgeschäften (z.B. Leasing- und Wartungsverträge oder Verkauf von Verbrauchsmaterial) für den Schadensersatz von Relevanz ist und ob solche Vorteile zeitlich nur während der Schutzdauer des Patents eine Rolle spielen oder auch nach dem Erlöschen des Patents. Daran anknüpfend galt es zu klären, in welchem Umfang insoweit Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung bestehen. Dem Urteil des BGH ist bereits eine kontroverse Debatte über diese Fragen in der immaterialgüterrechtlichen Literatur vorangegangen.  

Entscheidungsgründe 

Die Revision blieb in der Sache ohne Erfolg. Der BGH bestätigte zunächst, dass für die Berechnung des „Verletzergewinns“ alle Gewinne zu berücksichtigen seien, die mit der Verletzung des Patents in einem ursächlichen Zusammenhang stehen (so bereits BGH, Urt. v. 29. Mai 1962 - I ZR 132/60 – Dia-Rähmchen II). Dazu könnten auch diejenigen Gewinne zählen, die der Verletzer durch den Abschluss von Leasing- und Wartungsverträgen sowie durch die Lieferung von Verbrauchsmaterialien erzielt. 
Der notwendige ursächliche Zusammenhang sei dabei nicht nur im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen, sondern wertend danach zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf den mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstands oder anderen Faktoren beruht. Der Abschluss von Leasingverträgen über patentgemäße Vorrichtungen stellt dabei eine unmittelbare Verletzungshandlung i.S.v. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG dar, die Schadensersatzansprüche begründet. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns richte sich demnach auch auf Gewinne, die durch den Abschluss von Leasingverträgen über patentgemäße Vorrichtungen erzielt worden seien.

Des Weiteren seien auch Gewinne aus Zusatzgeschäften umfasst, die zwar keine Benutzungshandlung i.S.v. § 9 PatG oder § 10 PatG darstellen, deren Abschluss aber in ursächlichem Zusammenhang mit patentverletzenden Handlungen stehe und einen hinreichenden Bezug zu dem verletzenden Gegenstand aufweise. Der BGH führt in diesem Zusammenhang aus, dass sich der Anspruch auf Gewinnherausgabe auf alle Gewinne des Verletzers beziehen müsse, die dieser erziele, weil er eine konkrete Marktchance, die das Schutzrecht vermittelt, für sich nutze und diese damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entziehe. Dem stehe nicht entgegen, dass der Gegenstand solcher Geschäfte nicht dem durch das Patent begründeten Ausschließlichkeitsrecht unterliege. Jedenfalls bestehe ein solcher Bezug etwa bei einem Wartungsvertrag über eine unter Verletzung des Patents in Verkehr gebrachte Maschine sowie bei einem Teil der mit der Lieferung von Verbrauchsmaterial (vorliegend Papier) erzielten Gewinne.

An diesem erforderlichen Ursachenzusammenhang zur Patentverletzung könne es allerdings fehlen, wenn ein zusätzlicher Gewinn zwar in ursächlichem Zusammenhang mit der Veräußerung einer geschützten Vorrichtung stehe, dieser Zusammenhang aber auf Umständen beruhe, die mit den technischen Eigenschaften der geschützten Erfindung nichts zu tun haben.

Des Weiteren seien auch Vorgänge zu berücksichtigen, die zwar erst nach dem Erlöschen des Patents zu einem (zusätzlichen) Schaden geführt haben, die Verletzungshandlung aber noch während der Geltungsdauer des Patents erfolgte. Dies gelte selbst dann, wenn die Verträge erst nach dem Erlöschen des Patents geschlossen worden seien.

Schließlich bestätigte der BGH das Berufungsgericht in der Feststellung, dass der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung über Zusatzgeschäfte schon dann gegeben sei, wenn die bloße Möglichkeit bestünde, dass diesbezügliche Umsätze und Gewinne für die Höhe des Schadensersatzanspruchs bedeutsam seien. Dazu müsse es als nicht fernliegend erscheinen, dass die Geschäfte in einem Ursachenzusammenhang mit einer rechtswidrigen Benutzungshandlung stehen. Ob ein solcher Zusammenhang tatsächlich bestehe, sei ggf. erst nach Erteilung der Auskunft zu entscheiden.

Praxishinweis

Während sich der BGH bereits 1962 in der Entscheidung Dia-Rähmchen II (BGH, Urt. v. 29. Mai 1962 - I ZR 132/60) mit der Einbeziehung mittelbar verursachter Gewinne und Umsätze im Rahmen der Herausgabe des Verletzergewinns befasste, wurde im vorliegenden Fall insbesondere die Frage nach der Berücksichtigung von Umsatzgeschäften nach Ablauf der Patentlaufzeit zum ersten Mal höchstrichterlich geklärt und grundsätzlich bejaht. 

Die Einbeziehung von Geschäftsvorgängen nach Ablauf eines Schutzrechts bei der Berechnung des Gewinns dürfte in der Praxis ein besonders hohes Konfliktpotenzial bergen, insbesondere weil dies laut dem BGH auch für nach dem Schutzrechtsablauf abgeschlossene Verträge gelten soll. Weitere erläuternde Ausführungen bezüglich der Vertragsarten oder des konkreten Umfangs sind in den Entscheidungsgründen jedoch nicht enthalten. Aufgrund des weiten Interpretationsspielraums könnte dies in Zukunft zu Rechtsunsicherheiten sowie zu einer Vielzahl von Umgehungsversuchen führen.  

Weitere Folgen ergeben sich nach der BGH-Entscheidung im Übrigen sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite. Beklagte müssen von jetzt an in jedem Fall die wirtschaftlichen Folgen trotz baldigem Schutzrechtsablaufs berücksichtigen und auf in einem ursächlichen Zusammenhang stehende Zusatzgeschäfte ausweiten. Auf Klägerseite sollten die Auskunfts- und Rechnungslegungsanträge zukünftig auf den erweiterten Schadensersatzanspruch angepasst werden, sodass auch Zusatzgeschäfte umfasst sind. 

Rechtlich stellt sich nun jedoch auch die weitere Frage, inwieweit ein Ursachenzusammenhang zwischen Gewinnen aus Zusatzgeschäften und einer rechtswidrigen Benutzungshandlung tatsächlich zu einem beträchtlichen Schadensersatz führen kann. Zum einen kann die Frage, ob ein ausreichender Zusammenhang tatsächlich besteht, erst nach Auskunftserteilung entschieden werden. Zum anderen stellt sich auch bei diesen „mittelbaren Gewinnen“ die Frage des Kausalanteils. Wie viel dieses Gewinns ist auf die geschützte Erfindung zurückzuführen?

Insgesamt eröffnet das Urteil einige neue, interessante Möglichkeiten bei der Berechnung des Schadensersatzes nach der Methode der Herausgabe des Verletzergewinns. Gleichzeitig hinterlässt das Urteil jedoch auch zahlreiche komplexe (ungeklärte) Folgefragen, welche die rechtliche Beratung nicht unbedingt vereinfachen.

Social Media

* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

Wollen Sie häufiger von uns hören?

Wir informieren Sie über Insights, News und Events zu Ihren relevanten Themen.