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Quick Bites: Kurzarbeit – was ist zu beachten?

Veröffentlicht am 5th Dez 2022

Seit Beginn der Corona-Pandemie spielt die Kurzarbeit für Unternehmen eine wichtige Rolle. Auch mittelfristig drohen Unternehmen Arbeitsausfälle, verursacht etwa durch die Energiekrise und Lieferengpässe. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen von Arbeitsausfällen zu mildern und Fachkräfte zu halten, bleibt die Kurzarbeit das Mittel der Wahl. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld und Hinweise, was Arbeitgeber beachten sollten.

1. Wie kann in einem Betrieb Kurzarbeit eingeführt werden?

Die Kurzarbeit kann etwa mittels einer Einzelvereinbarung eingeführt werden, welche mit jedem von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer individuell zu treffen ist.

Eine einseitige Anordnung der Kurzarbeit ist für Arbeitgeber nur möglich, wenn sich in dem Arbeitsvertrag eines betroffenen Arbeitnehmers eine wirksame sogenannte Vorratsklausel befindet, die es dem Arbeitgeber erlaubt, Kurzarbeit einseitig einzuführen.

An solche Vorratsklauseln stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Beispielsweise müssen Ankündigungsfristen enthalten sein. Bezüglich der erforderlichen Dauer dieser Ankündigungsfristen bestehen rechtliche Unsicherheiten. Die Wirksamkeit dieser Klauseln sollte überprüft werden, bevor der Arbeitgeber sich bei der Einführung von Kurzarbeit auf diese stützt. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Einführung der Kurzarbeit unwirksam ist.

Ist es nicht möglich, mit einem Arbeitnehmer eine Einzelvereinbarung zu treffen und ist in dem konkreten Arbeitsvertrag keine wirksame Vorratsklausel enthalten, besteht die Möglichkeit, die Kurzarbeit mittels einer Änderungskündigung einzuführen.

Aufgrund der einzuhaltenden Kündigungsfrist ist eine Einführung mittels ordentlicher Änderungskündigung allerdings häufig nicht praktikabel. Eine außerordentliche, fristlose Änderungskündigung kann in Extremfällen in Betracht kommen.

Besteht ein Betriebsrat, ist die Einführung der Kurzarbeit mittels einer Betriebsvereinbarung üblich und sinnvoll, weil in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ohnehin ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Hierbei gilt es, die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine solche Betriebsvereinbarung zu beachten.

Auch Tarifverträge können Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit enthalten.

2. Was sind die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld?

Gemäß § 95 Sozialgesetzbuch III (SGB III) haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn

  1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
  2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
  3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
  4. der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
3. Wann liegt ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vor?

Gemäß § 96 SGB III ist ein Arbeitsausfall erheblich, wenn er (i) auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, er (ii) vorübergehend und (iii) nicht vermeidbar ist und (iv) im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.

Zu Beginn der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtert: Es reicht aus, wenn statt einem Drittel lediglich zehn Prozent der in dem Betrieb Beschäftigten von dem Arbeitsausfall betroffen sind. Die Geltung dieser Regelung wurde zuletzt bis zum 30. Juni 2023 verlängert.

Wirtschaftliche Gründe

Die wirtschaftlichen Gründe, welche den Arbeitsausfall verursachen, müssen allgemein und extern sein, also gerade nicht betriebsintern. Beispielsweise scheiden daher auf einer Umorganisation des Betriebs oder auf wirtschaftlichen Fehleinschätzungen des Managements beruhende Arbeitsausfälle aus.

Allgemeine wirtschaftliche Gründe können etwa Störungen in den Lieferketten sein.

Unabwendbares Ereignis

Unabwendbare Ereignisse können beispielsweise Brände, Explosionen, Epidemien, Pandemien oder auch behördliche Maßnahmen sein. Die behördlich veranlassten Schließungen im Einzelhandel während der Corona-Pandemie können daher unter den Begriff des „unabwendbaren Ereignisses“ gefasst werden.

Engpässe bei der Gasversorgung, die regulierende staatliche Maßnahmen erforderlich machen, können unabwendbare Ereignisse darstellen.

Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls

Ein Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern.

Als vermeidbar gilt beispielsweise ein Arbeitsausfall, der überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht.

Zudem kann ein Arbeitsausfall vermeidbar sein, wenn er durch Urlaubsgewährung (siehe hierzu Ziffer 4.) oder den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden (siehe hierzu Ziffer 5.) verhindert werden kann.

4. Müssen Arbeitnehmer ihren Urlaub aufbrauchen?

Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht nicht, wenn der Arbeitsausfall vermeidbar ist.

Der Arbeitsausfall gilt nach dem Gesetz als vermeidbar, wenn er durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen.

Zu Beginn der Corona-Pandemie verlangten die Agenturen für Arbeit lediglich, dass der Resturlaub aus dem Vorjahr vorrangig eingebracht werden muss.
Diese Regelung gilt nun nicht mehr. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich auch die Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr vorranging verbraucht werden müssen. 

Hiervon gibt es jedoch auch Ausnahmen: Existiert in dem Betrieb beispielsweise bereits eine feste Urlaubsplanung, muss dieser Urlaub von den Beschäftigten zu dem bereits vorgesehenen Zeitpunkt genommen werden. Nur wenn davon abgewichen wird, ist der Arbeitsausfall nicht vermeidbar, so dass ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht besteht.

5. Müssen Arbeitnehmer zur Vermeidung des Arbeitsausfalls negative Arbeitszeitsalden aufbauen?

Beschäftigte müssen keine Minusstunden vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld aufbauen. Diese Regelung gilt zumindest bis zum 30. Juni 2023. Mit der Verlängerung der Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld bis zum 30. Juni 2023 wurde auch diese Regelung entsprechend verlängert.

Überstunden und positive Zeitguthaben müssen aber vorrangig abgebaut werden.

6. Wann sind die betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erfüllt?

Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Betrieb im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld ist auch eine Betriebsabteilung.

7. Wann sind die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erfüllt?

Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn 

  1. der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung
    1. fortsetzt,
    2. aus zwingenden Gründen aufnimmt oder
    3. im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt,
  2. das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und
  3. der Arbeitnehmer nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen ist.

 Die persönlichen Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugs von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig wird, solange Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde

8. Haben auch Zeitarbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld? 

Seit dem 1. Oktober 2022 können Zeitarbeitnehmer wieder Kurzarbeitergeld erhalten. Die Gültigkeit dieser Regelung wurde zuletzt bis zum 30. Juni 2023 verlängert.

Eine entsprechende Regelung war zuvor mit Ablauf des 30. Juni 2022 ausgelaufen.

9. Was ist die Anzeige des Arbeitsausfalls?

Arbeitgeber müssen den Arbeitsausfall bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit anzeigen. Die Bundesagentur für Arbeit stellt hierfür online ein Formular zur Verfügung.

Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis, gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist.

10. Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?

Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 % der Nettoentgeltdifferenz, bei Arbeitnehmern mit mindestens einem Kind 67 %.

Die erhöhten Kurzarbeitergeldsätze in Höhe von 70 % bzw. 77 % ab dem vierten Monat und von 80 % bzw. 87 % ab dem siebten Monat der Kurzarbeit gelten seit dem 1. Juli 2022 nicht mehr.

Nettoentgeltdifferenz ist nach dem Gesetz die Differenz zwischen

  1. dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Soll-Entgelt und
  2. dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Ist-Entgelt.

Soll-Entgelt ist das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in dem Anspruchszeitraum erzielt hätte, vermindert um Entgelt für Mehrarbeit.

Ist-Entgelt ist das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in dem Anspruchszeitraum tatsächlich erzielt hat, zuzüglich aller zustehenden Entgeltanteile.

Arbeitsentgelt, das einmalig gezahlt wird, bleibt bei der Berechnung von Soll-Entgelt und Ist-Entgelt außer Betracht.

Es werden nur beitragspflichtige Entgelte berücksichtigt. Arbeitsentgelt, welches die Beitragsbemessungsgrenze zur Renten- und Arbeitslosenversicherung übersteigt, bleibt also unberücksichtigt.

11. Wie lange kann Kurzarbeitergeld bezogen werden?

Kurzarbeitergeld wird für den Arbeitsausfall für eine Dauer von längstens zwölf Monaten von der Agentur für Arbeit geleistet.

Die Bezugsdauer gilt einheitlich für alle in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.

Sie beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den in einem Betrieb Kurzarbeitergeld von dem Arbeitgeber gezahlt wird.

Wird innerhalb der Bezugsdauer für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat kein Kurzarbeitergeld gezahlt, verlängert sich die Bezugsdauer um diesen Zeitraum.

Sind seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld gezahlt worden ist, drei Monate vergangen und liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erneut vor, beginnt eine neue Bezugsdauer.

Bis zum 30. Juni 2022 war unter bestimmten Voraussetzungen eine Bezugsdauer von 28 Monaten möglich. Dies gilt nun nicht mehr.

12. Wer zahlt das Kurzarbeitergeld aus?

Der Arbeitgeber berechnet das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die Arbeitnehmer aus. Danach muss er einen sogenannten Leistungsantrag bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit stellen, dem er die sogenannte „Kug-Abrechnungsliste“ als Anlage beifügt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt hierfür online Formulare zur Verfügung.

Für die Einreichung des Leistungsantrags gilt eine Ausschlussfrist von drei Monaten. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den Kurzarbeitergeld beantragt wird.

Geht der Leistungsantrag rechtzeitig ein, erstattet die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld.

13. Wie prüft die Bundesagentur für Arbeit, ob die Voraussetzungen des Bezugs von Kurzarbeitergeld vorliegen?

Die Bundesagentur für Arbeit prüft die Voraussetzungen für die Bewilligung des Kurzarbeitergelds bei dessen Auszahlung nicht im Detail, sondern erlässt einen vorläufigen Bewilligungsbescheid und zahlt das Kurzarbeitergeld vorläufig aus.

Die Bundesagentur für Arbeit führt jedoch nach Ende der Kurzarbeit stets eine umfassende Abschlussprüfung durch, in deren Rahmen sie die Bewilligungsvoraussetzungen des Kurzarbeitergelds detailliert prüft.

Im Rahmen der Abschlussprüfung fordert die Bundesagentur für Arbeit den Arbeitgeber schriftlich unter Fristsetzung auf, eine Reihe von Unterlagen und Informationen einzureichen, anhand derer sie die Rechtmäßigkeit der Auszahlung des Kurzarbeitergelds dem Grunde und der Höhe nach überprüft.

Die angeforderten Unterlagen und Informationen sind in der Regel unter anderem Folgende: Arbeitszeitnachweise, Urlaubspläne, Arbeitsunfähigkeits-bescheinigungen, Lohn- und Gehalts-abrechnungen, Kündigungserklärungen, Aufhebungsverträge, Berechnungsprotokolle Soll-/Ist-Entgelt, Einsatzpläne, Schichtpläne, Nachweise über die rechtmäßige Einführung von Kurzarbeit, etc.

Die Bundesagentur für Arbeit kann entscheiden, die Abschlussprüfung in dem Betrieb des Arbeitgebers durchzuführen. Dies wird vermutlich in Fällen geschehen, in welchen sich bei der Prüfung der o.g. Unterlagen Unklarheiten ergeben.

Ergebnis der Abschlussprüfung kann sein, dass Abrechnungen korrigiert werden müssen. Hat der Arbeitgeber zu wenig Kurzarbeitergeld erhalten, kann es zu einer Auszahlung durch die Bundesagentur für Arbeit kommen.

Hat der Arbeitgeber zu viel Kurzarbeitergeld erhalten, fordert die Bundesagentur für Arbeit den zu viel ausbezahlten Betrag zurück.

Sobald die Abschlussprüfung beendet ist, erlässt die Bundesagentur für Arbeit einen entsprechenden Bescheid.

Vor dem Hintergrund der Abschlussprüfung müssen Arbeitgeber sämtliche erforderlichen Informationen gut dokumentieren. Insbesondere sind während der Kurzarbeit Arbeitszeitnachweise penibel zu führen, aus denen insbesondere Arbeitszeiten, Kurzarbeitszeiten, Urlaubstage, Krankheitstage, etc., hervorgehen.

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