Mehr Schutz, mehr Aufwand: Geschäftsgeheimnisse werden in der EU zukünftig einheitlich behandelt

Veröffentlicht am 27th Jul 2016

Geschäftsgeheimnisse werden im Wettbewerb forschender und fertigender Unternehmen immer wichtiger – umso erschreckender, dass deren Schutz in Europa einem Flickenteppich gleicht, der grenzüberschreitende Forschung und Entwicklung behindert. Es fehlt bereits an einer gemeinsamen Begriffsdefinition, ganz zu schweigen von einheitlichen Rechtsfolgen und -behelfen für den Fall der Geheimnisverletzung. Die EU-Kommission plant darum seit langem, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen europaweit zu vereinheitlichen und zu verstärken – Mitte Juni ist die entsprechende Richtlinie endlich in Kraft getreten (RL (EU) 2016/943). Die Mitgliedsstaaten haben zwei Jahre Zeit zur Umsetzung.

Ausgangspunkt der Richtlinie ist die Legaldefinition des unbestimmten Rechtsbegriffes „Geschäftsgeheimnis“. Insbesondere er zwingt Unternehmen in Deutschland, ihr unternehmensinternes Schutzniveau zu überprüfen. Nach geltendem Recht kommt es für die Qualifizierung einer Information als Betriebsgeheimnis vor allem darauf an, ob die Information nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhaber, der auf einem berechtigten wirtschaftlichen Interesse beruht, geheimgehalten werden soll. Die Richtlinie verlangt dagegen, dass die Information „Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ ist. Was angemessen ist, müssen die nationalen Gerichte konkretisieren. In Anbetracht der Vielzahl möglicher Schutzmaßnahmen sind Rechtsunsicherheiten programmiert.

Unternehmen sollten daher zunächst ihre standardmäßig verwendeten Geheimhaltungsvereinbarungen und Klauseln in Know-how relevanten Verträgen auf den neuesten Stand zu bringen und ihre Mitarbeiter im Hinblick auf den Umgang mit Geschäftsgeheimnissen zu schulen. Auf besonders sensible Geschäftsgeheimnisse sollten nur die Mitarbeiter Zugriff haben, die diese für die effektive Verrichtung ihrer Tätigkeit benötigen.

Unternehmen werden die neuen Regeln besonders beachten müssen, wenn neue Arbeitnehmer mit ausgereiften innovativen Ideen im Wechselgepäck an Bord kommen. Nach der Richtlinie soll eine Rechtsverletzung zukünftig bereits dann gegeben sein, wenn nach den Umständen hätte bekannt sein müssen, dass die Person, über die das Unternehmen in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist, dieses rechtswidrig genutzt oder offengelegt hat.

Zwar stellt die Richtlinie klar, dass der Arbeitnehmer nicht geheime Informationen sowie Erfahrungen und Fähigkeiten, die er auf redliche Weise im Verlauf seiner üblichen Tätigkeit erlangt hat, in einem neuen Arbeitsverhältnis verwenden darf. Sobald es sich aber tatsächlich um Geschäftsgeheimnisse des vorherigen Arbeitgebers handelt, und dies aufgrund der Umstände hätte bekannt sein müssen, sieht es anders aus: Neben Unterlassungsansprüchen drohen dem neuen Arbeitgeber dann auch Schadensersatzansprüche.

Als rechtmäßig soll künftig der Erwerb von Geschäftsgeheimnissen gelten, die im Wege des Reverse Engineering erlangt wurden, also zum Beispiel durch Beobachtung, Untersuchung oder Rückbau eines Produkts, das öffentlich verfügbar gemacht wurde. Dies ist jedenfalls für Deutschland ein völlig neuer Ansatz. Hierzulande ist das Reverse Engineering mit einigen Ausnahmen nur insoweit zulässig, als die im Produkt verkörperten Kenntnisse allgemein bekannt oder zumindest leicht zugänglich sind. Ein optimaler Schutz für Technologien und Produkte, die dem Reverse Engineering zugänglich sind, kann künftig daher nur über die Anmeldung von Patenten oder Gebrauchsmustern erzielt werden.

Schließlich sieht die Richtlinie eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Gerichtsverfahren vor – von der Verpflichtung aller Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung von vertraulichen Informationen bis hin zur Beschränkung des Kreises der Prozessbeteiligten, die Zugang zu Anhörungen und Dokumenten haben. Leider hat das „in camera Verfahren“ keinen Eingang in die Richtlinie gefunden hat – es hätte den Ausschluss der gegnerischen Partei erlaubt und damit die substantiierte Darlegung eines Geschäftsgeheimnisses zur Begründung bzw. Abwehr eines Anspruchs ermöglicht, ohne dem Gegner bzw. Wettbewerber Zugang zu den gut gehüteten Kronjuwelen zu geben.

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