Drittstaatenpass "on hold" – Aktuelle Entwicklungen bei Ausweitung des EU-Passes auf Drittstaaten

Veröffentlicht am 16th Nov 2016

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hatte am 19. Juli 2016 eine erneute Empfehlung zur Anwendung des EU-Passes auf Drittstaaten Manager alternativer Investmentfonds (Drittstaaten-AIFM) bzw. Drittstaaten alternative Investmentfonds (Drittstaaten-AIF) betreffend nunmehr zwölf Drittstaaten veröffentlicht (ESMA-Empfehlung). Bereits am 30. Juli 2015 hatte ESMA eine Empfehlung bzw. Stellungnahme zur Ausweitung des EU-Passes betreffend sechs Drittstaaten abgegeben.

Auf dieser jüngsten ESMA-Empfehlung aufbauend, sollte die EU Kommission grundsätzlich innerhalb von drei Monaten einen, nach der Richtlinie 2011/61/EU (AIFM-Richtlinie) vorgesehenen, delegierten Rechtsakt erlassen, der einen Systemwechsel betreffend das Vertriebsregime für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug mit sich bringt: Mit Einführung des sog. Drittstaatenpasses werden dann die Regelungen des (durch die AIFM-Richtlinie eingeführten) EU-Passregimes grundsätzlich auch für Drittstaaten-AIFM bzw. Drittstaaten-AIF gelten.

Der Drei-Monats-Zeitraum ist mittlerweile abgelaufen, ohne dass ein delegierter Rechtsakt durch die EU Kommission erlassen wurde. Mit dem Erlass des delegierten Rechtsaktes wird laut Branchenkreisen auch nicht mehr in diesem Jahr gerechnet. Vielmehr wird eine Entscheidung der EU Kommission erst im Laufe des ersten Quartals 2017 erwartet. Ob die EU Kommission überhaupt einen delegierten Rechtsakt erlassen wird und falls ja, ob und inwieweit sie der ESMA-Empfehlung folgen wird, ist derzeit allerdings unklar.

1. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

In Deutschland wurde das EU-Passregime der AIFM-Richtlinie durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in den §§ 321 bis 330a umgesetzt.

Hintergrund des EU-Passes ist, dass ein in einem Mitgliedstaat zugelassener AIFM zum europaweiten Vertrieb von AIF an professionelle Anleger berechtigt ist. Bei den EU-Passregeln unterscheidet die AIFM-Richtlinie danach, ob es sich um einen EU-Bezug handelt oder ob ein Drittstaatenbezug vorliegt.

Ein „EU-Bezug“ liegt vor, wenn AIFM, die in einem Mitgliedstaat (oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)) zugelassen sind, nach den erforderlichen Anzeigeverfahren EU-AIF oder Drittstaaten-AIF europaweit vertreiben können. Für den Vertrieb und die Verwaltung ist in diesen Fällen insbesondere keine weitere Erlaubnis des jeweiligen Mitgliedstaats erforderlich. Es genügt vielmehr eine bloße Vertriebsanzeige an die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats des EU-AIFM.

Für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug – d.h. Vertrieb und Verwaltung von Drittstaaten-AIF oder EU-AIF durch Drittstaaten-AIFM – gelten die Passregelungen erst nach Erlass des delegierten Rechtsaktes der EU Kommission. Bis zur Geltung des delegierten Rechtsaktes (sog. Drittstaatenstichtag) dürfen die Mitgliedstaaten nach der AIFM-Richtlinie Sachverhalte mit Drittstaatenbezug durch nationale Bestimmungen regeln (sog. „nationale Anzeigeverfahren“; missverständlich auch häufig „nationales Privatplatzierungregime“ genannt).

Nach dem derzeit anwendbaren nationalen Anzeigeverfahren mit Drittstaatenbezug in Deutschland (§ 330 KAGB), ist der Vertrieb von Drittstaaten-AIF und EU-AIF durch Drittstaaten-AIFM an professionelle Anleger derzeit insbesondere unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

  • Vertriebsanzeige bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die u. a. folgende Informationen / Dokumente umfasst
    • Gründungsdokumente (wie Anlagebedingungen oder Satzung / Gesellschaftsvertrag,
    • ausführliche Beschreibung des Drittstaaten-AIFM
    • Versicherungen des Drittstaaten-AIFM, dass er gegenüber BaFin
      • Reportingpflichten nach KAGB erfüllt,
      • über alle Änderungen bei ihm oder verwalteten AIF informiert, und
      • auf Verlangen über seine Tätigkeiten Auskunft erteilt und Unterlagen vorlegt
  • Einhaltung von umfassenden Informations- und Reportingpflichten gegenüber Anlegern nach §§ 307, 308 KAGB,
  • Einrichtung einer oder mehrerer Stellen, die Funktionen/Aufgaben einer Verwahrstelle im Sinne der AIFM-Richtlinie erfüllen,
  • Schaffung geeigneter Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung eines Vertriebs an Privatanleger,
  • Erfüllung von Meldepflichten gegenüber der BaFin,
  • Bestehen geeigneter Kooperationsvereinbarungen zwischen der BaFin und der jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörde des Drittstaaten-AIFM / Drittstaaten-AIF (sog. Memoranda of UnterstandingMoU),
  • weder Sitzstaat des Drittstaaten-AIFM noch Sitzstaat des Drittstaaten-AIF stehen auf „schwarzer Liste“ nicht kooperativer Länder / Gebiete, die von der Anti-Geldwäsche und -Terrorismusfinanzierung-Arbeitsgruppe (FATF) aufgestellt wurde.

Sofern auch ein Vertrieb an deutsche semiprofessionelle Anleger beabsichtigt ist, hat der Drittstaaten-AIFM – über die o. g. Voraussetzungen hinaus – sämtliche im KAGB umgesetzten Anforderungen der AIFM-Richtlinie zu erfüllen. Dies beinhaltet insbesondere folgende weitere Angaben und Dokumente gegenüber der BaFin:

  • Nachweis von bestimmtem Anfangskapital (je nachdem, ob interne oder externe Verwaltung vorliegt bis zu EUR 300.000),
  • Angaben zu Geschäftsleitern (Zuverlässigkeit / fachliche Eignung) und zu bedeutend beteiligten Inhabern (an Drittstaaten-AIFM),
  • Angaben über Vergütungspolitik und -praxis und etwaige Auslagerungsvereinbarungen sowie
  • detaillierter Geschäftsplan.

2. Änderungen der Vertriebsregeln für Drittstaaten-AIFM

Drittstaaten-AIFM mit Sitz in „passfähigem Drittstaat“

Bei ihren Empfehlungen in Bezug auf eine Erweiterung der Regelungen des EU-Passes auf Drittstaaten, ist ESMA bislang einem Staat-für-Staat-Prinzip gefolgt. Dies bedeutet, dass ESMA nur eine begrenzte Anzahl an Staaten einer Prüfung hinsichtlich ihrer Passfähigkeit unterzogen hat.

In ihrer (ersten) Stellungnahme vom 30. Juli 2015 beleuchtete ESMA die Passfähigkeit von lediglich sechs Staaten (Guernsey, Jersey, Schweiz, Hong Kong, Singapur, Vereinigte Staaten). In ihrer Empfehlung vom 19. Juli 2016 erweiterte sie ihre Prüfung in Bezug auf die Passfähigkeit um sechs auf nun insgesamt 12 Drittstaaten (Guernsey, Hongkong, Jersey, Singapur, Schweiz, Kanada, Australien, Japan, Bermuda, Cayman Island, Isle of Man, Vereinigte Staaten). ESMA kommt dabei zu folgenden Ergebnissen:

  • in Bezug auf eine Erweiterung der EU-Pass-Regelungen auf Kanada, Guernsey, Japan, Jersey und die Schweiz stehen keine Hindernisse entgegen
  • entgegen ihres letzten Empfehlungsschreibens vom 30. Juli 2015 befürwortet ESMA nun grundsätzlich auch eine Ausweitung des EU-Passes auf die Vereinigten Staaten; eine Ausweitung des EU-Passes sollte nach ESMA aber nur unter bestimmten Einschränkungen erfolgen (insbesondere Beschränkung des Anlegerkreises auf professionelle Anleger)
  • sofern Australien, Singapur und Hong Kong ihren Fondsmarkt ebenfalls für EU-Fonds(manager) öffnen, sieht ESMA auch hier keine wesentlichen Hindernisse in Bezug auf eine Ausdehnung der EU-Pass-Regelungen
  • lediglich für Bermuda, die Cayman Islands und die Isle of Man sieht sich ESMA derzeit nicht in der Lage, eine abschließende Empfehlung abgeben

Der Erlass des erwarteten delegierten Rechtsaktes wird jedenfalls für Drittstaaten-AIFM mit Sitz in einem passfähigen Drittstaat erhebliche Änderungen mit sich bringen:

  • AIFM aus diesen Drittstaaten müssen zwingend den Drittstaatenpass (umgesetzt in § 326 KAGB) nutzen – das nationale Anzeigeverfahren (§ 330 KAGB) ist nicht mehr anwendbar
  • Drittstaaten-AIFM benötigt eine Erlaubnis in seinem Referenzmitgliedstaat, die grundsätzlich der für inländische AIFM entspricht; sofern der Referenzmitgliedstaat Deutschland ist, sind folgende über die Voraussetzungen für eine inländische Erlaubnis hinausgehenden Angaben / Dokumente erforderlich (§ 58 KAGB)
    • Offenlegung der Vertriebsstrategie, damit BaFin Einschätzung des Drittstaaten-AIFM zu Referenzmitgliedstaat beurteilen kann; der Referenzmitgliedstaat bestimmt sich u.a. nach dem geografischen Schwerpunkt, in dem der Manager den Aufbau eines effektiven Vertriebs beabsichtigt
    • Bestellung eines gesetzlichen Vertreters mit Sitz in Deutschland
    • schriftliche Belege, die auf technischen Regulierungsstandards der ESMA basieren, zu dem EU-Recht gleichwertigen Vorschriften zum Anlegerschutz im Drittstaat und Compliance des Drittstaaten-AIFM hiermit; diese müssen durch ein Rechtsgutachten zu den Drittstaaten-Vorschriften „untermauert“ werden
    • drittstaatenbezogene Voraussetzungen liegen vor (MoU zwischen Drittstaat, in dem Drittstaaten-AIFM Sitz hat, und der BaFin, Drittstaat taucht nicht auf „schwarzer Liste“ auf, Abkommen zwischen Drittstaat und Deutschland zu Informationsaustausch in Steuersachen, auf Drittstaaten-AIFM anwendbare Drittstaaten-Rechtsvorschriften hindern BaFin nicht an effektiver Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktionen)
  • Vertriebsanzeige in Referenzmitgliedstaat – sofern dieser Deutschland ist, ist Vertriebsanzeige nach §§ 326, 321 Abs. 1 KAGB durchzuführen, was folgende Angaben / Dokumente erfordert, sofern diese nicht bereits bei Erlaubnisbeantragung bei der BaFin eingereicht wurden
    • detaillierter Geschäftsplan mit Angaben zu angezeigtem AIF und dessen Sitz,
    • Anlagebedingungen und Satzung / Gesellschaftsvertrag des angezeigtem AIF,
    • Angaben zu / Einrichtung einer Verwahrstelle,
    • Beschreibung des angezeigten AIF sowie Angabe / Einreichung aller verfügbaren Informationen über den angezeigten AIF (u. a. oben genannte Informationspflichten nach § 307 KAGB) und Aufsichtsbehörden (Reportingpflichten),
    • ggf. Angaben zum Sitz des Master-AIF und seines AIFM, falls angezeigter AIF ein Feeder-AIF ist,
    • Angabe der Vorkehrungen zur Schaffung geeigneter Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung eines Vertriebs an Privatanleger,
  • dafür können vom Drittstaaten-AIFM verwaltete AIF im Rahmen des Drittstaatenpasses dann EU-weit vertrieben werden

Drittstaaten-AIFM mit Sitz in einem „nicht passfähigen Drittstaat“

Für Drittstaaten-AIFM mit Sitz in einem nicht passfähigen Drittstaat hat die BaFin kürzlich mündlich klargestellt und in der Branche kommuniziert, dass für diese die aktuellen nationalen Anzeigeverfahren weiterhin gelten sollen. Daher wird die Einführung des Drittstaatenpasses für Drittstaaten-AIFM mit Sitz in einem nicht passfähigen Drittstaat keine Änderungen mit sich bringen. Wollen sie nach Deutschland vertreiben, so können die Drittstaaten-AIFM mit Sitz in einem nicht passfähigen Staat weiterhin das nationale Anzeigeverfahren nutzen.

Bestandsschutzregelung des KAGB

Nach der Regelung des § 344 KAGB ist davon auszugehen (die Regelung ist missverständlich und unglücklich formuliert), dass solche Drittstaaten-AIFM, die bereits vor dem Drittstaatenstichtag eine Genehmigung der BaFin zum Vertrieb nach dem derzeit geltenden nationalen Anzeigeverfahren erhalten haben, auf Grundlage dieser Genehmigung auch weiterhin ihren Vertrieb nach Deutschland fortsetzen können.

3. Ausblick

Wann und in welchem Umfang der Drittstaatenpass letztlich umgesetzt wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Wie bereits in ihrer ersten Stellungnahme vom 30. Juli 2015 hat ESMA der EU Kommission erneut vorgeschlagen, mit der Erweiterung des EU-Passes möglicherweise abzuwarten, bis ESMA eine hinreichende Anzahl an Staaten auf ihre Passfähigkeit geprüft hat. ESMA schweigt allerdings dazu, wann ihrer Ansicht nach eine hinreichende Anzahl erreicht ist. Jedenfalls wird ESMA ihre Evaluierung von Drittstaaten weiter fortsetzen.

Denkbar ist auch, dass sich die EU Kommission dem Staat-für-Staat-Prinzip anschließt und den Drittstaatenpass durch den Erlass eines delegierten Rechtsaktes zunächst nur für die Staaten einführt, für die die ESMA bereits eine positive Empfehlung ausgesprochen hat.

Insbesondere diese Staaten (Vereinigte Staaten oder Schweiz) dürften ein großes Interesse an einer zeitnahen Erweiterung des EU-Passregimes haben.

Auch vor dem Hintergrund des anstehenden „Brexits“ (Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU) – durch den das Vereinigte Königreich zu einem Drittstaat werden könnte und den EU-Pass folglich nicht mehr nutzen könnte – wäre eine schnelle Einführung (und vorhergehende ESMA-Empfehlung bezüglich) des Drittstaatenpasses begrüßenswert. Sofern das Vereinigte Königreich seine nationale Umsetzung der AIFM-Richtlinie so (bzw. zumindest im Wesentlichen) beibehielte, wäre es ohne weiteres als „passfähiger Drittstaat“ einzustufen – dort ansässige Drittstaaten-AIFM könnten dann grundsätzlich weiterhin von dem (Drittstaaten-)Pass profitieren.

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