BGH zur Pfändbarkeit der Corona-Soforthilfe
Veröffentlicht am 28th Jun 2021
BGH, Beschluss vom 10. März 2021 – VII ZB 24/20
Eine Pfändung der Corona-Soforthilfen wegen Schulden, die vor der Pandemie entstanden sind, ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht möglich.
Hintergrund
Seit Beginn der Corona-Pandemie greift die Bundesrepublik angeschlagenen Unternehmen mittels der sogenannten Corona-Hilfen unter die Arme. Damit sollen pandemiebedingte Liquiditätsengpässe überwunden werden.
Unklar war bislang, inwieweit Gläubiger beispielsweise im Rahmen einer Vollstreckung Zugriff auf die Corona-Hilfen haben.
Ein ausdrücklicher Pfändungsschutz der Corona-Hilfen ist bislang gesetzlich nicht geregelt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Im Fall des Bundesgerichtshofs ging es um eine Soforthilfe aus dem Bundesprogramm der „NRW-Soforthilfe 2020“. Die Soforthilfe wurde im März 2020 bewilligt und auf ein Pfändungsschutzkonto überwiesen. Das Amtsgericht erhöhte den pfändungsfreien Betrag des Pfändungsschutzkontos um den Betrag aus der Soforthilfe. Hiergegen legte ein Gläubiger Beschwerde ein, die nun auch letztinstanzlich der Bundesgerichtshof zurückgewiesen hat.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs steht der Pfändung von Corona-Hilfen § 851 Abs. 1 ZPO entgegen.
Gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung nur pfändbar, wenn sie übertragbar ist. An einer solchen Übertragbarkeit fehlt es, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne eine Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Erfasst werden insbesondere zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt.
Der Bundesgerichtshof führt diesbezüglich aus, dass Corona-Hilfen ausschließlich zur Finanzierung von Verbindlichkeiten gedacht seien, die seit dem 1. März 2020 entstanden sind.
Ausdrücklich nicht erfasst sind vor dem 1. März 2020 entstandene Liquiditätsengpässe. Nach den zugrundeliegenden Förderbestimmungen der Corona-Hilfen dürfe der Empfänger frei entscheiden, welche Forderungen er damit erfüllt, da er die zweckentsprechende Verwendung auch zu verantworten habe.
Deshalb habe das Amtsgericht auch die Erhöhung des Pfändungsfreibetrags auf dem Pfändungsschutzkonto zu Recht veranlasst. Aufgrund der besonderen Zweckbindung sei es gerechtfertigt, die Corona-Hilfe einer Sozialleistung gleichzustellen und in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO den pfändungsfreien Betrag auf einem Pfändungsschutzkonto um den Betrag der gewährten Corona-Hilfe zu erhöhen.
Ergänzend stellte der Bundesgerichthof fest, dass es unerheblich sei, ob die Gewährung der Corona-Hilfe zu Recht erfolgte. Denn der Gläubiger habe auch in dem Fall der unberechtigten Gewährung keinen Zugriff, da die Corona-Hilfe durch den Schuldner an den Staat zurückzuzahlen sei.
Folgen und Ausblick
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist sehr praxisrelevant und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Pfändung von Corona-Hilfen durch den Fiskus (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. Juli 2020 – VII S 23/20).
Mit seiner Entscheidung schließt der Bundesgerichtshof die Gesetzeslücke in § 850k Abs. 4 ZPO, der die Problematik der Unpfändbarkeit öffentlich-rechtlicher Subventionen nicht bedacht hat. Die bislang existierende Gesetzeslücke ist auch Gegenstand des bereits beschlossenen Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetzes, das am 1. Dezember 2021 in Kraft tritt und sich des hier besprochenen Problems mit der Einführung des § 902 Satz 1 Nr. 6 ZPO angenommen hat (vgl. BGBl 2020, I, Nr. 54, S. 2466).
Zwar gilt die Entscheidung unmittelbar nur für die im Rahmen des Bundesprogramms „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbstständige“ gewährten Corona-Hilfen. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs lässt sich jedoch grundsätzlich auch auf die Überbrückungshilfen I, II, III und III (Plus) sowie auf die November- und Dezemberhilfen übertragen. Denn auch diese sind zweckgebunden.
Den entsprechenden Bewilligungsbescheiden ist dabei ausdrücklich zu entnehmen, dass eine Abtretung oder Verpfändung nicht zulässig ist.
Ob sich die Entscheidung auch auf die im Rahmen des KfW-Sonderprogramms ausgegebenen Kreditmittel übertragen lässt, deren finanzieller Umfang diesen der Corona-Hilfen deutlich übersteigt, ist im Hinblick auf die Argumentation mit der Zweckgebundenheit zumindest zweifelhaft. Bislang hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung noch keine Gelegenheit sich hierzu zu äußern.