Mängel bei Anlagen und Komponenten: Herstellern drohen höhere Regresskosten

Veröffentlicht am 19th Jan 2018

Gesetzgeber gestattet ab 2018 den Regress für Aus- und Einbaukosten

Der Gesetzgeber greift tief in die komplexe wirtschaftliche Wertung von Lieferketten im Energiesektor ein. Für alle ab dem 1. Januar 2018 geschlossenen Anlagen- bzw. Komponentenlieferverträge wird der Nacherfüllungsanspruch deutlich ausgeweitet. Er erfasst zukünftig in § 439 Abs. 3 BGB auch die Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der neuen mangelfreien Sache. Zusätzlich wird mit § 445a BGB ein neuer Regressanspruch eingeführt, mit dem diese Kosten innerhalb der Lieferkette zurückverlangt werden können. Hersteller von (Groß-)Komponenten für Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen oder auch konventionellen Kraftwerken sollten ihre AGB überprüfen und das wirtschaftliche Risiko einpreisen. Selbiges gilt für die Abnehmer; zu ihnen gehören auch die jeweiligen Verkäufer, Projektentwickler und Generalunternehmer (sog. EPCs) als Vertragspartner des Auftraggebers.

Der Gesetzgeber will die Kostentragungspflicht innerhalb der Lieferkette dort verorten, wo die eigentliche Verantwortlichkeit für den Mangel liegt. Dadurch wird die Verteilung der Kostenrisiken in der Lieferkette erheblich verändert. Wird eine mangelhafte Sache ein- oder angebaut, hat der Verkäufer nicht nur eine neue Sache zu liefern, sondern auch die erforderlichen Kosten für den Aus- und Einbau zu tragen. Zuvor bestand im B2B-Bereich in aller Regel nur bei Verschulden des Verkäufers ein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten.

Insbesondere in der Windenergiebranche kann sich die Neuregelung auf das Verhältnis zwischen Vollwartungsdienstleister und Komponentenhersteller erheblich auswirken, da der Austausch von Großkomponenten in weit über 150 Meter Nabenhöhe mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Regressanspruch besteht nicht immer

In einigen Fällen wird der Regressanspruch beschränkt:

  • Im seltenen Fall der Unverhältnismäßigkeit darf der Verkäufer eine Kostenübernahme verweigern.
  • Erstattet werden nur die berechtigten Kosten, d. h. Kosten, bei denen ihn eine gesetzliche Zahlungspflicht trifft. Dadurch werden alle Kosten ausgeschlossen, die er durch eine berechtigte Verweigerung hätte abwenden können, ebenso wie Kostenerstattungen aus Kulanzgründen.
  • Für offenkundige Mängel, die der Käufer nach § 377 HGB (Untersuchungs- und Rügepflicht im Handelsverkehr) bereits im Rahmen der Lieferung oder Abnahme hätte rügen müssen, kann der Verkäufer hingegen nicht in Regress genommen werden.

Einfluss durch Vertragsgestaltung

Inwieweit der neue Regressanspruch durch AGB abbedungen oder jedenfalls beschränkt werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Während es sich beim Verbrauchsgüterkauf um zwingendes Recht handelt, ist im B2B-Verkehr eine gewisse Flexibilität von den Gerichten anerkannt. Ein pauschaler Ausschluss des Regressanspruchs in AGB droht unwirksam zu sein. Möglich bleibt jedoch eine moderate Verschärfung etwa der Rügeobliegenheit nach § 377 HGB und die einschränkende Bestimmung erstattungsfähiger Ein- und Ausbaukosten.

Ein Vertrag mit internationalem Bezug, der nicht deutschem Recht unterliegt, kann die Regresskette aber unterbrechen. Sofern die Vertragsbeziehung dem Recht eines anderen Landes unterliegt, finden konsequenterweise auch die deutschen Regressvorschriften keine Anwendung. Auch dies ist bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.

Weitere Änderungen durch die Reform

Neben dem dargestellten Regressanspruch hat der Gesetzgeber im Zuge des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung noch zahlreiche weitere Regelungen verabschiedet. Diese betreffen unter anderem den Verbraucherschutz, die Abnahme im Werkvertragsrecht sowie das private Baurecht.

Handlungsempfehlung für im Energiebereich tätige Unternehmen

1. Sind Sie von der Gesetzesreform betroffen, weil Sie im Bereich des Kaufrechts (Kaufvertrag, Kaufvertrag mit Montageverpflichtung, Werklieferungsvertrag) agieren?

2.Falls ja, empfehlen wir:

  • Prüfung der eigenen AGB, eventuell Anpassung an die neue Rechtslage,
  • Berechnung des Kostenrisikos durch mögliche Regressansprüche. Das Risiko sollte einerseits in die eigenen Produkte eingepreist werden, andererseits sind ggf. Rückstellungen für Regressansprüche hilfreich.

 

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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