EuGH: Konkurrenzschutzklauseln in gewerblichen Mietverträgen nicht zwingend wettbewerbswidrig

Veröffentlicht am 23rd Jun 2016

Der in gewerblichen Mietverträgen vereinbarte Schutz vor Konkurrenz kann kartellrechtlich zulässig sein – das hat der Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) im November 2015 festgestellt. Nur wenn Konkurrenzschutzklauseln zu einer erheblichen Abschottung eines Marktes beitragen, können sie als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen gegen das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Besonderheiten des betreffenden relevanten Marktes geprüft werden.

Hintergrund der Entscheidung waren die Vereinbarungen des lettischen Lebensmittelhändlers „Maxima Latvija“ mit den Vermietern diverser Einkaufszentren.

Diese Geschäftsraummietverträge enthielten eine Klausel, die die Vermietung von Gewerbeflächen in den jeweiligen Einkaufszentren an mögliche Wettbewerber von der Einwilligung der Einzelhandelskette abhängig machte.

Nach Auffassung des lettischen Wettbewerbsrates bezweckte diese Klausel, andere Einzelhändler, die mit Maxima Latvija im Wettbewerb stehen, vom Zugang zu den Mietflächen abzuschotten und verstieß daher nach seiner Auffassung gegen das Kartellverbot. Die lettische Kartellbehörde verhängte gegen den Einzelhändler ein Bußgeld.

Nach einem Rechtsstreit über mehrere Instanzen, legte Lettlands Oberster Gerichtshof dem EuGH die Frage vor, ob die vereinbarte Konkurrenzschutzklausel zwischen einem Vermieter von Geschäftsräumen und einem Einzelhändler als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen sei.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass derartige Klauseln nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen und damit nicht per se als wettbewerbswidrig anzusehen seien. Stattdessen bedürfe es einer Prüfung der wettbewerblichen Wirkungen auf dem relevanten Markt im Einzelfall, d.h. dem örtlichen Markt des Lebensmitteleinzelhandels. Auch wenn das Einzelhandelsunternehmen mit den Einkaufszentren nicht im Wettbewerb steht, sei eine Marktverschließung durchaus denkbar – offensichtlich ist sie nach Auffassung der Luxemburger Richter aber nicht.

Zudem sei dem Geschäftsraummietverhältnis eine Konkurrenzschutzverpflichtung in der Regel immanent – hier jedoch mit der Besonderheit, dass die Verpflichtung des Vermieters, den Mieter vor Wettbewerb innerhalb eines bestimmten Gebäudekomplexes zu schützen, als Mitwirkungspflicht zugunsten des Mieters umformuliert worden ist.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH ist auch in Deutschland zu berücksichtigen.

In der mietrechtlichen Praxis spielt sie vor allem dann eine Rolle, wenn eine Vereinbarung über den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz in gewerblichen Mietverträgen hinausgeht. Es bedarf somit stets einer konkreten Einzelfallprüfung, die herausstellt, ob Vereinbarungen wie die hier vorliegenden, zu einer möglichen Abschottung des Marktes beitragen und folglich zu einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV führen.

Zu berücksichtigen sind dabei neben der Möglichkeit des Konkurrenten, auf andere Gewerbeflächen auszuweichen, auch die Laufzeit der Verträge, die konkreten Marktverhältnisse, wie etwa Zahl und Größe der Wirtschaftsteilnehmer, die Marktkonzentration sowie die Treue der Verbraucher zu bestehenden Geschäften.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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