Der Fall "Bank Mellat" – Die Entscheidung des EuGH in der Rs. C-176/13 P

Veröffentlicht am 13th Apr 2016

Weshalb klagte die Bank Mellat?

  • Der Rat der Europäischen Union nahm die Bank Mellat in die Liste der sanktionierten Unternehmen auf.
  • Damit wurde das Vermögen der Bank auf Grundlage der EU-Sanktionsverordnungen eingefroren. Die Bank musste eine erhebliche Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit hinnehmen.
  • Dagegen wandte sich die Bank Mellat zunächst bei dem Gericht der Europäischen Union (EuG).
  • Sie begründete ihre Klage insbesondere mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern hinsichtlich der behaupteten Beteiligung an einer nuklearen Proliferation und stützte sich dabei auch auf ihre Rechte aus Art. 47 der EU-Grundrechtecharta. 

Die Beurteilung durch den EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigte die Nichtigkeitsfeststellung des EuG in der diskutierten Rechtsache; denn

  • der Rat informierte die Bank nicht rechtzeitig über die Verhängung der Maßnahmen und deren Gründe;
  • die Gründe zur Rechtfertigung der Maßnahmen waren nicht hinreichend konkret;
  • die Bank traf keine Obliegenheit zur Prüfung, ob sie Dienstleistungen an Personen oder Einrichtungen erbrachte, die in der UN-Resolution Rs 1929 (2010) als Beteiligte der nuklearen Proliferation gelistet waren;
  • der Rat konnte die Beteiligung der Bank an einer nuklearen Proliferation nicht beweisen;
  • der Einwand der Wahrung der Vertraulichkeit der Quellen, welche die Gründe für die Listung lieferten, war unzulässig;
  • unabhängig von ihrer etwaigen Staatlichkeit durfte die Bank sich auf die Grundrechte aus der EU-Grundrechtecharta berufen.

Welche Schlüsse lassen sich aus dem Urteil ziehen?

Der Rat darf das Recht der Betroffenen auf Stellungnahme und Rechtsschutz nicht aushöhlen. Daher

  • muss er die Betroffenen mit oder kurzfristig nach Erlass der restriktiven Maßnahmen über diese informieren;
  • darf er während der Dauer des Verfahrens keine Folgebeschlüsse erlassen, ohne die Betroffenen erneut darüber zu informieren.

Das Inkrafttreten der Maßnahme wird durch diese Informationspflicht allerdings nicht gehemmt.

Die Anforderungen an die Beweise zur Aufnahme in die Listen restriktiver Maßnahmen sind verschärft worden:

  • Es werden zwar stichhaltigere Gründe für die Aufnahme in die Listen,
  • aber keine Plausibilitätskontrolle dieser Gründe durch den Rat gefordert.

Der Rat kann im gerichtlichen Verfahren um ein in-camera-Verfahren (Kadi II-Entscheidung) unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Beteiligten ersuchen. Dies wahrt die Vertraulichkeit der Quellen.

Die Organe der EU haben auch im Verhältnis zu Drittstaaten die EU-Grundrechte zu beachten.

Ausblick

Die Entscheidung des EuGH ist ein weiterer Wegbereiter für den Einzelnen, sich effektiv gegen vorschnell verhängte und nicht ausreichend begründete Wirtschaftssanktionen der EU zu wehren. 

Die Entscheidung führt die Reihe der kritischen Urteile bezüglich Listungen von Personen und Unternehmen in Sanktionsverordnungen der EU fort.

Dies eröffnet zusätzliche Verteidigungschancen für staatliche Unternehmen aus Drittstaaten, die von Sanktionen betroffen sind.

Sie können Klagen gegen restriktive Maßnahmen der EU jetzt auch auf die Verletzung ihrer Rechte aus der EU-Grundrechtecharta stützen und den Rat der EU zwingen, Beweise für die Listung vorzubringen. Dies war zuvor nicht ohne weiteres möglich. 

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