12 Sterne Compliance - Bio-Produkte im Online-Vertrieb

Veröffentlicht am 14th Nov 2017

Hersteller und Händler müssen das Vertrauen der Verbraucher in ökologische und biologische Erzeugnisse wahren. Unternehmen in der Bio-Branche unterliegen daher fast ausnahmslos einem besonderen Compliance-System für die Stufen der Herstellung und dem Vertrieb der Bio-Produkte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH)  hat jetzt  klargestellt, dass Compliance auch und insbesondere für den Zukunftsmarkt des Online-Bioprodukte-Handels gilt. Das 12-Sterne-Siegel muss geschützt sein. Die Entscheidung wird massive Auswirkungen auf die Organisationsstruktur von Online-Händlern haben.

Connected Consumer im Lebensmittel-Einzelhandel

Online-Vertrieb bestimmt den Trend im Einzelhandel. Mittlerweile werden 40 Mrd. Euro im Onlinehandel umgesetzt. Dabei wächst vor allem der Lebensmittel-Onlinehandel rasant. Sein Anteil am Gesamtumsatz des Lebensmittelhandels belief sich im Jahr 2016 zwar nur auf 1%, er wuchs aber um 25%. Der Anteil der Internet-User, die auch Online-Lebensmittelkäufer sind, lag im Jahr 2016 bereits bei 16%. Fast jeder fünfte Internet-User klickt gegen den Hunger. Betrachtet man den Bio-Markt sehen die Wachstumsraten ähnlich vielversprechend aus.

Den Verbraucher 4.0 gibt es also mittlerweile auch in der Bio-Produktbranche, namentlich „Connected Consumer“. Als Person also sehr begehrt bei den Online-Händlern, hat er für diese allerdings einen Haken: Er hat dieselben Rechte wie der analoge Kunde. Mit anderen Worten: Auch der digitale Online-Handel muss analoge Compliance leben, wenn es um den Vertrieb von Bio-Produkten geht, so der EuGH als Vorgabe an Online-Händler.

Gleichheit in Sachen Bio?

Über was hatte der EuGH zu entscheiden? Ein Online-Händler von „Bio-Gewürzen“ berief sich auf eine Ausnahme von dem Melde- und Kontrollsystem für die Herstellung und den Vertrieb von ökologischen und biologischen Erzeugnissen aus dem Öko-Landbaugesetz (ÖLG). Seinen Streit mit der Wettbewerbszentrale über die Anwendung der Ausnahme brachte er zunächst bis zum Bundesgerichtshof (BGH), der dann eine Frage über die Auslegung der europäischen Öko-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 dem EuGH vorlegte. Dieser durfte sich dann dazu äußern, ob für den Online-Handel mit Bio-Produkten die gleichen Compliance-Grundsätze wie für den stationären Handel gelten.

Im Ergebnis zwar uneins mit der Einschätzung des BGH, aber dennoch maßgeblich für die Händler stellt der EuGH den Online- und Versandhandel dem stationären Handel für die Anwendung von Compliance-Verpflichtungen auf den Vertrieb von Bio-Produkten gleich.

Das Melde- und Kontrollsystem soll gewährleisten, dass jedes Erzeugnis über alle Produktions- und Handelsstufen rückverfolgbar ist – der Verbraucher soll sicher sein können, dass „bio“ auch wirklich „bio“ ist. Auch jeder Händler muss also ein Kontrollsystem in seinem Unternehmen eingerichtet haben, welches diese Maßgaben erfüllt.

Ausnahme für direkte Abgabe

Das ÖLG nimmt unter bestimmten Voraussetzungen Händler von der Compliance-Verpflichtung aus. Um die Ausnahme zu nutzen, müssen Händler die Bio-Produkte unter anderem „direkt“ an den Verbraucher abgeben. Was bedeutet aber „direkt“ beim Handel? Müssen Händler und Verbraucher in einem Raum sein? Oder darf nur kein Zwischenhändler eingeschaltet sein? Der Connected Consumer ist jedenfalls nicht in einem Raum mit dem Online-Händler. Der Handel kommt einzig über den Webshop zu Stande, durch den der Connected Consumer surft.

Der EuGH hat die Anwendung der Ausnahme für diese Verkaufssituation nicht zugelassen. Seiner Meinung nach bedeutet „direkt“, dass Händler oder ihr Verkaufspersonal und Käufer sich im Ladengeschäft treffen müssten. Und zwar Angesicht zu Angesicht; denn nur das schaffe das erforderliche Vertrauen, die Ausnahme vom Kontrollsystem gelten zu lassen. Er begründet dies damit, dass die Ausnahmen der Vorschriften eng auszulegen seien und die Compliance-Vorschriften nur dann nicht gälten, wenn deren Anwendung unverhältnismäßig erschiene.

Die wichtigste Feststellung des EuGH ist, dass das Gericht den stationären Handel mit dem Online-Handel gleichbedeutend einordnet. Es sieht das signifikante Wachstumspotential des Online-Bioprodukte-Handels und das Risiko der Täuschung des Connected Consumers, wenn dieser Entwicklung nicht frühzeitig Rechnung getragen wird.

Händler brauchen Zertifikate

Betroffen ist jeder Händler von Bio-Produkten, der seine Ware im Online-Handel an einen Verbraucher abgibt. Das ist mittlerweile eine große Anzahl von Unternehmen. Selbst kleine Biohöfe betreiben schon Webshops. Einige der Online-Händler sind sich schon seit langem über diese Verpflichtung bewusst und erfüllen die Compliance-Verpflichtungen auch im Onlinehandel. Alle, die auf die Ausnahme gesetzt haben, müssen sich nun umgehend richtig aufstellen.

Sie müssen sich zertifizieren und jährlich von Kontrollstellen prüfen lassen. Dazu müssen die Händler eine Erstinspektion durchlaufen und die Dokumente über die Herkunft und den Vertriebsweg der Bio-Produkte zur Prüfung bereithalten. Insbesondere bei Online-Händlern, die aus einem Nicht-EU-Land Bio-Produkte importieren, wird dies eine komplexe Aufgabe sein.

Abmahnungen drohen

Es ist dringend zu empfehlen, dass diese Maßgaben in der Rechts-, Organisations- und Kostenstruktur des jeweiligen Händlers umgesetzt werden. Abhängig von der Größe des Händlers kann das sogar dazu führen, dass die QS/QM-Abteilung gegründet oder aufgestockt werden muss. Das Personal muss geschult werden. Schließlich muss auch der Webshop den neuen Anforderungen an den Online-Vertrieb angepasst werden. Dort müssen wesentliche Informationen zur Zertifizierung und Kontrollstelle angegeben werden.

Setzt sich der Online-Händler darüber hinweg und bleibt unzertifiziert, droht ihm u.a. der ärgste Feind: Der Wettbewerber kann denjenigen abzumahnen, der unberechtigt das Bio-Siegel führt, sei es werblich oder als Kennzeichnung.

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