Urlaubsanspruch aus Vollzeittätigkeit bleibt bei unterjährigem Wechsel aus Teilzeit bestehen

Veröffentlicht am 1st Apr 2015

Kann ein Arbeitnehmer vor seinem Wechsel von einem Voll- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis seinen Urlaub nicht mehr nehmen, scheidet eine anteilige Kürzung nach Ansicht des EuGH aus. Dieser Rechtsprechung hat sich das BAG nun in seiner Entscheidung angeschlossen (Urteil v. 10. Februar 2015 – 9 AZR 53/14 (F)).

Der Sachverhalt

Der Kläger war zunächst bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt und wechselte am 15. Juli 2010 in ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Fortan arbeitete er statt wie bisher an fünf nur noch an vier Wochentagen.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Prozessparteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung, wonach sich der für eine Fünftagewoche festgelegte Erholungsurlaub entsprechend vermindert, wenn die wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche verteilt wird.

Bis zum Zeitpunkt des Wechsels in die Teilzeit hatte der Kläger noch keinen seiner ihm tariflich bei Vollzeit zustehenden 30 Urlaubstage in Anspruch genommen.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass dem Kläger nur noch ein insgesamt anteilig zu kürzender Jahresurlaubsanspruch von 24 Tagen für das Jahr 2010 zustehe (30 Urlaubstage geteilt durch fünf mal vier).

Der Kläger hingegen bezifferte seinen verbleibenden Urlaubsanspruch auf insgesamt 27 Tage und klagte auf Gewährung von drei weiteren Urlaubstagen. Sein Anspruch ergebe sich aus dem ungekürzten vollen Urlaubsanspruch für das halbe Jahr, welches er in Vollzeit gearbeitet habe und dem anteiligen Urlaubsanspruch für das noch ausstehende halbe Jahr, welches er in Teilzeit arbeite (15 Tage plus 12 Tage).

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger weitere drei Urlaubstage zu gewähren. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hessen unterlag der Kläger jedoch und ging gegen diese Entscheidung in Revision.

Die Entscheidung

Das BAG gaben der Klage statt und folgt somit unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2013 (Urteil v. 13. Juni 2013 – C-415/12). Aufgrund des Diskriminierungsverbotes von Teilzeitbeschäftigten sei es unzulässig, die Anzahl der Urlaubstage verhältnismäßig zu kürzen, wenn ein Vollzeitbeschäftigter unterjährig in ein Teilzeitarbeitsverhältnis wechselt und seine ihm bis dahin zustehenden Urlaubstage vor diesem Wechsel nicht nehmen konnte.

Zwar ordne § 26 Abs. 1 TVöD eine entsprechende Kürzung an, jedoch sei diese Vorschrift vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung insoweit unwirksam, als auch eine Minderung der während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage vorgesehen werde.

An dem Argument, wonach der erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer solchen Kürzung nicht vermindert werde, weil er in Urlaubswochen ausgedrückt gleich bleibe, könne nicht festgehalten werden. Dies stellten die Richter des neunten Senats im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten ausdrücklich klar.

In der Konsequenz scheide damit im vorliegenden Fall eine (nachträgliche) anteilige Kürzung der Urlaubstage für das erste Halbjahr 2010 – entgegen der Auffassung des LAG – aus und dem Kläger stehe für das Kalenderjahr 2010 ein Jahresurlaub von insgesamt 27 Urlaubstagen zu.

Hinweise für die Praxis

Das BAG gibt mit diesem Urteil, für das bislang nur die Pressemitteilung veröffentlicht ist, seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich auf.

Arbeitgeber müssen bei einem Wechsel eines Mitarbeiters in Teilzeit mit zukünftig weniger Wochenarbeitstagen im Blick haben, dass dies bei bestehenden Resturlaubsansprüchen zu beträchtlichen Abwesenheitszeiten des Mitarbeiters führen kann.

In solchen Fällen kann es daher empfehlenswert sein, entsprechend darauf hinzuwirken, dass der während der Vollzeitbeschäftigung angesammelte Urlaub – sofern möglich – auch noch während dieser Vollzeittätigkeit genommen wird.

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