M&A in der Praxis: Exit beim Joint Venture - Put/Call-Vereinbarungen und Shoot-Out

Veröffentlicht am 8th Jul 2016

Ein Joint Venture ist wie eine Ehe: Chancen und Risiken hängen von einer gemeinsamen Basis und der beiderseitigen Kompromissbereitschaft ab. Joint Ventures sind darum insbesondere bei einer 50:50 Beteiligung der Joint Venture Partner äußerst streitanfällig. Wenn die wirtschaftlichen Interessen nicht parallel laufen, können schnell Meinungsverschiedenheiten und Pattsituationen entstehen. 

Bei Streit kann es für das Gemeinschaftsunternehmen wirtschaftlich sinnvoll sein, dass ein Gesellschafter seine Anteile auf den anderen Gesellschafter überträgt. Eine solche Übertragung der Anteile von einer Partei auf die andere kann insbesondere über Put- bzw. Call-Optionen abgewickelt werden. Wenn Streit aber erst einmal entstanden ist, ist es oft schwierig zu erreichen, dass alle Anteile freiwillig, schnell und lautlos auf einen Gesellschafter übertragen werden.

Ausstiegsklauseln

Im deutschen Recht werden zunehmend Ausstiegsklauseln, sog. Shoot-Out Klauseln, in verschiedenen Varianten angewendet („Russian Roulette” oder „Texan Shoot-Out“). Hier werden Elemente der freiwilligen und der erzwungenen Anteilsübertragung kombiniert – und eine schnelle und reibungslose Beendigung der Zusammenarbeit ermöglicht. Die Anteile des einen Partners werden auf den anderen übertragen, die Joint-Venture-Gesellschaft wird zur alleinigen Tochtergesellschaft einer der beiden Parteien.

Eine Ausstiegsklausel legt (1) einen Trigger oder Deadlock Event fest und (2) bestimmt das durchzuführende Verfahren. Dazu gibt es unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten.

Grundmodell des „Russian Roulette”

Partei A möchte die Zusammenarbeit mit Partei B beenden wegen Eintritts eines bestimmten Ereignisses, das bereits im Voraus festgelegt wurde oder aus anderen gesellschaftsvertraglich festgelegten Gründen. Partei A übermittelt Partei B ein Verkaufs- und Abtretungsangebot hinsichtlich aller von Partei A gehaltenen Anteile zu einem in dem Angebot festgelegten Preis. Innerhalb einer vorher festgelegten Frist muss Partei B (1) entweder das Angebot von Partei A annehmen oder (2) die selbst gehaltenen Anteile an Partei A verkaufen und abtreten, und zwar zu demselben Preis.

„One Way Sell Russian Roulette”

Bei einer weiteren Gestaltungsvariante bietet Partei A Partei B ihren Anteil zu einem bestimmten Preis zum Kauf an. Sofern Partei B das Angebot ablehnt, muss sie ihren eigenen Geschäftsanteil Partei A zum gleichen Preis zum Kauf anbieten.

„Offer to Sell or Buy Russian Roulette” (klassisches Russian Roulette)

In dieser Gestaltungsvariante macht Partei A Partei B zwei Angebote: Partei A bietet Partei B an, entweder die eigenen Anteile zu einem bestimmten Preis an Partei B zu veräußern und zu übertragen oder alle Anteile von Partei B zu demselben Preis zu kaufen und zu übernehmen.

Partei B hat innerhalb einer bestimmten Frist ein Wahlrecht. Hier wäre auch eine Regelung denkbar, dass nach Ablauf der Angebotsfrist Partei A ein Wahlrecht hat.
Texan Shoot-Out

Im Falle des Texan Shoot Out macht Partei A Partei B ein Kauf- und Abtretungsangebot hinsichtlich aller von Partei B gehaltenen Anteile zu einem in dem Angebot festgelegten Preis. Innerhalb einer vorher festgelegten Frist kann Partei B dieses Angebot annehmen, alternativ aber auch selbst ein Kaufangebot bezüglich der Anteile von Partei A zu einem höheren Preis abgeben. Das gleiche Recht steht danach wiederum Partei A zu. Das Bietungsverfahren kann sich über mehrere Runden hinziehen. Es kann vereinbart werden, dass jedes Angebot das vorherige um einen bestimmten Prozentsatz übersteigen muss.

Gestaltungsvariante des Texan Shoot-Out – Hinterlegung beim Notar

Es kann auch vereinbart werden, dass, sollten beide Parteien die Anteile ankaufen wollen, jede Partei ihr jeweiliges Kaufangebot verdeckt beim Notar hinterlegt. Das höhere Gebot (highest sealed bid) setzt sich dann durch, der den niedrigeren Preis nennende Gesellschafter muss also seine Anteile verkaufen.

Vorteile von Ausstiegsklauseln

Die Vorteile von gut durchdachten Ausstiegsklauseln liegen auf der Hand. Zunächst kann hier eine schnelle und leise Trennung der Parteien erfolgen, Bewertungsstreitigkeiten werden ausgeschlossen. Da der Ausstiegspreis letztlich für beide Parteien gilt, liegt hier ferner ein hohes Maß an Preisgerechtigkeit vor. Die Ausgangspartei hat ein Interesse, einen möglichst fairen Angebotspreis vorzugeben, um nicht Gefahr zu laufen, selbst zu einem unverhältnismäßig hohem oder niedrigen Preis kaufen bzw. verkaufen zu müssen (sog. Cake-Cutting-Regel: “I cut, you choose”).

Erfahrungen aus den USA zeigen, dass Shoot-Out-Klauseln zwar häufig vereinbart, aber selten ausgeübt werden. Ihr Wert liegt daher auch eher in ihrer disziplinierenden Wirkung. Die drohende Abwicklung nach dem Russian-Roulette-Verfahren kann den Willen der Parteien stärken, entweder das Hindernis einer weiteren Zusammenarbeit aus dem Weg zu räumen oder einen gütlichen Weg zur Auflösung des Joint Ventures zu finden.

Nachteile von Ausstiegsklauseln

Es ist durchaus denkbar, dass die finanziell stärkere Partei den Mechanismus als Zwangsmittel nutzt, um den Geschäftsanteil der schwächeren Partei zu übernehmen. Die Rechtsprechung hält entsprechende Klauseln trotz des bestehenden Missbrauchsrisikos grundsätzlich aber nicht für sittenwidrig (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 20.12.2013 (Az. 12 U 49/13)).

Denkbar ist auch, dass absichtlich ein künstlicher Entscheidungsstillstand herbeigeführt werden könnte, um eine Partei aus der Gesellschaft zu drängen. In diesem Fall muss dann aber zumindest noch der Ausstiegspreis gezahlt werden.

Einzelfallentscheidung

Es ist im Einzelfall abzuwägen, welche Gestaltungsvarianten in einen Beteiligungsvertrag mit aufgenommen werden sollten. Hierbei ist im Vorfeld auch zu berücksichtigen, wie das finanzielle Kräfteverhältnis der Parteien verteilt ist und welche Konsequenzen dem Gemeinschaftsunternehmen bei Wegfall von Dienstleistungen oder dem Know-how einer der Parteien drohen.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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