Keine Benachteiligung von Schwerbehinderten durch Abschläge bei vorzeitiger Betriebsrente

Veröffentlicht am 3rd Feb 2017

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass keine unerlaubte Benachteiligung wegen einer Behinderung vorliegt, wenn eine Versorgungsordnung Abschläge bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 13. Oktober 2016 – 3 AZR 439/15).

Sachverhalt

Der 1953 geborene Kläger war von 1980 bis 2013 bei der Beklagten beschäftigt. Er war als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Seit Vollendung seines 60. Lebensjahres bezieht er eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte sowie eine Betriebsrente.

Bis zum Jahr 2001 war es bei der Beklagten möglich, eine ungekürzte Betriebsrente zu erhalten, wenn der Arbeitnehmer eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Nach einer Änderung der Versorgungsordnung im Jahr 2001 besteht ein Anspruch auf Betriebsrente auch, wenn eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird; es wurde allerdings als feste Altersgrenze die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt. Außerdem wurde bestimmt, dass für eine vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,4 Prozent pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vorzunehmen ist, soweit die Anwartschaft auf Beschäftigungszeiten nach dem 1. Januar 1996 beruht. Die Beklagte kürzte die Betriebsrente entsprechend.

Mit seiner Klage ging der Kläger gegen die Kürzung vor. Das LAG Frankfurt hielt die Kürzung für rechtmäßig und wies die Klage ab (LAG Frankfurt, Urteil vom 8. Juli 2015 – 6 Sa 257/14).

Entscheidung

Das BAG sah den Rechtsstreit als nicht entscheidungsreif an und verwies ihn an das LAG zurück.

Das BAG entschied allerdings, dass eine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Benachteiligung wegen einer Behinderung nicht vorläge. Da die Kürzung nicht an die Behinderteneigenschaft anknüpfe, scheide eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG aus. Auch eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG läge nicht vor.

Wenn die Voraussetzungen eines frühen Renteneintritts bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern vorliegen, würde ihr Anspruch auf eine Betriebsrente nach der geänderten Versorgungsordnung ebenso gekürzt werden, wie bei schwerbehinderten Arbeitnehmern. Auch wenn nur schwerbehinderte Arbeitnehmer die gesetzliche Rente und damit die Betriebsrente früher beanspruchen können, läge keine Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmern vor. In diesem Fall gäbe es nämlich keine anderen Arbeitnehmer, die zum selben Zeitpunkt eine Betriebsrente beziehen. Der Kläger verlange letztlich eine ihn begünstigende Behandlung. Diese sei nach § 5 AGG zwar zulässig, es bestehe aber keine dahingehende Verpflichtung des Arbeitgebers. Auch aus der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (RL 2000/78/EG) ergebe sich nichts anderes. Aus Art. 5 RL 2000/78/EG folge keine Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen für behinderte Menschen bei der Berechnung einer Betriebsrente.

Das BAG hat das Urteil des LAG Frankfurt dennoch aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen, da es die Begründung als rechtsfehlerhaft ansah. Das LAG Frankfurt hat nun erneut zu prüfen, ob für die Änderung der Versorgungsordnung sachlich-proportionale Gründe vorlagen und die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist für Arbeitgeber erfreulich. Abschläge bei einer vorzeitig in Anspruch genommenen Betriebsrente sind danach zulässig. Eine Benachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer liegt nicht vor. Dem Urteil ist zuzustimmen. Arbeitnehmer, die früher eine Betriebsrente beziehen, erbringen zum einen weniger lang Arbeitsleistungen, zum anderen nehmen sie aber mehrere Jahre Rentenleistungen in Anspruch.

Mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG steht das aktuelle Urteil in Einklang. Bereits im Jahr 2013 hatte das BAG für den Fall einer Mindestaltersgrenze von 50 Jahren bei einer Invaliditätsrente entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werde, wenn gesunde Arbeitnehmer auch nur unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf eine Invaliditätsrente haben (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 3 AZR 796/11). Die aktuelle Entscheidung zeigt wieder einmal, wie wichtig die Einrichtung einer professionellen Versorgungsordnung für Arbeitgeber ist. Bei Änderungen der Versorgungsordnung ist stets darauf zu achten, ob die Grundsätze von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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