Kein Selbstverleih des Geschäftsführers – Begründung eines Arbeitsverhältnisses

Veröffentlicht am 29th Jun 2016

Die Beschäftigung freier Mitarbeiter ist ein gängiges Instrument der Personalbeschaffung von Unternehmen, birgt aber zugleich auch Risiken bei arbeitnehmernahen Tätigkeiten. Zu einer speziellen Konstruktion des Selbstverleihs eines Geschäftsführers durch sein eigens dazu gegründetes Unternehmen hat das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 1. Dezember 2015 – 1 Sa 439 b/14) nun geurteilt, dass im konkreten Fall bereits seit Jahren ein Arbeitsverhältnis zum Entleihunternehmen gegeben war. Die bestehende Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis half insofern für einen Geschäftsführer nicht und den Einwand des Rechtsmissbrauchs hat das Gericht im konkreten Fall abgelehnt.

Der Sachverhalt

Der Kläger war langjährig als freier Kameraassistent und Kameramann im Status eines freien Mitarbeiters für das beklagte Unternehmen, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, tätig. Nach einer internen Vorgabe sollte die Beschäftigung freier Mitarbeiter an max. 60 Tagen im Jahr erfolgen. Im Jahre 2000 wies ihn der damalige Produktionschef darauf hin, dass eine umfangreichere Beschäftigung bei dem Beklagten für ihn möglich sei, wenn er über ein Verleihunternehmen mit einer Erlaubnis nach § 1 AÜG ausgeliehen werde.

Im selben Jahr gründete der Kläger eine eigene Firma, deren Geschäftsführer und einziger Gesellschafter er selbst war. Diese Firma besaß die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und schloss in der Folgezeit Rahmenvereinbarungen über die Überlassung von „Produktionspersonal und ggf. Sachmittel“, die vom Kläger als Geschäftsführer unterzeichnet wurden. Sie verpflichtete sich, dem Beklagten nur solche Arbeitnehmer zu überlassen, die mit ihr mindestens für die Dauer der Überlassung in einem Arbeitsverhältnis stehen.

Von September 2007 bis 2013 war der Kläger ausschließlich im Rahmen von Verträgen mit seiner Firma als Kameramann für den Beklagten tätig, regelmäßig an über 150, teils über 190 Kalendertagen im Jahr. Für jeden Tageseinsatz wurden seiner Firma pauschal und unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme 10 Std. Einsatzzeit vergütet. Die Arbeit des Klägers bestand überwiegend in der Kameraführung für kurze Nachrichtenbeiträge von ein bis drei Minuten, die er nach kurzfristiger Anfrage übernahm und für die der Beklagte jeweils die Kameraausrüstung stellte. Der Kläger wurde dabei in gemischten Teams aus Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern des Beklagten nach engmaschigen Regievorgaben tätig.

Nach Beendigung der Geschäftsbeziehung und Liquidierung seiner Firma machte der Kläger geltend, dass seit September 2007 ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten bestehe und er als Kameramann in Vollzeit zu beschäftigen sei.

Die Entscheidung 

Das LAG Schleswig-Holstein gab der Klage, anders als noch die Vorinstanz, statt und bejahte ein Arbeitsverhältnis sowie den Beschäftigungsanspruch für die Zukunft. Lediglich die erst in der Berufungsinstanz per Klageerweiterung eingeführten Annahmeverzugsforderungen von über EUR 50.000 wies es aus prozessualen Gründen ab.

Es könne trotz der bestehenden Verleiherlaubnis nicht von der an sich vereinbarten Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen und ein Arbeitsverhältnis lediglich zum Verleihunternehmen angenommen werden. Denn die Regelungen des AÜG fänden auf Geschäftsführer keine Anwendung.

Der Einordnung der Beschäftigung als Arbeitsverhältnis stand nicht entgegen, dass vertragliche Regelungen nur zwischen dem Beklagten und der Firma des Klägers bestanden. Eine Berufung des Beklagten hierauf ließ die Kammer nicht zu, da das Verhalten objektiv darauf gerichtet gewesen sei, Schutzvorschriften zu Gunsten des Klägers zu umgehen und auf Anregung eines verantwortlichen Mitarbeiters des Beklagten erfolgte. Dass der verliehene Kläger Geschäftsführer der Firma war, sei deutlich erkennbar gewesen.

Der Kläger sei weisungsgebunden als Arbeitnehmer tätig geworden. Er sei aufgrund der Kürze der von ihm aufgenommenen Beiträge und der engen Regievorgaben hierzu nicht „programmgestaltend“ tätig geworden und somit nicht unter diesem speziellen, der Rundfunkfreiheit geschuldeten Sonderstatus als freier Mitarbeiter zu betrachten. Vielmehr sei er jedenfalls inhaltlich und zeitlich weisungsgebunden und in erheblichem Maße in die Arbeitsorganisation des Beklagten eingebunden gewesen.

Obwohl der Kläger gegen die vertragliche Absprache verstoßen hat, wonach er dem Beklagten nur Arbeitnehmer seiner eigenen Firma verleihen durfte, kann er sich auf das begründete Arbeitsverhältnis berufen. Dies ordnet das Gericht nicht als rechtsmissbräuchlich ein, da das Vorgehen des Klägers nicht auf den Arbeitnehmerstatus, sondern auf eine höhere Anzahl von Einsätzen bei dem Beklagten gerichtet gewesen sei. Auch war es in keiner Weise heimlich oder auf Täuschung ausgerichtet.

Die Verurteilung zu einer Beschäftigung in Vollzeit sprach das Gericht aufgrund des Umfangs der Tätigkeitsverpflichtungen aus, die sich bei einer Arbeitsbereitschaft von 10 Stunden pro Einsatztag im Durchschnitt auf jährlich 1.668 Stunden summierten. Das entspricht mehr als den regelmäßigen tariflichen Jahresarbeitsstunden einer Vollzeitkraft.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung betrifft eine Konstellation, die in der Praxis – in unterschiedlicher Ausgestaltung – seit einigen Jahren öfter anzutreffen ist. Ein-Mann-Gesellschaften bieten als Dienstleistung die Tätigkeit ihres Gesellschafter-Geschäftsführers an. Dies wirft Fragen einer möglichen Umgehung der Sozialversicherungspflicht wie auch der Begründung eines an sich vom Auftraggeber nicht gewollten Arbeitsverhältnisses auf.

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein zeigt, dass aus Auftraggebersicht Vorsicht geboten ist. Allein das Vorhandensein einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hilft beim Verleih des Geschäftsführers nicht weiter. Vielmehr ist weiterhin maßgeblich darauf zu achten, dass der Einsatz als echte freie Mitarbeiter erfolgt. Weisungsgebundenheit in fachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht muss ebenso vermieden werden wie eine faktische Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. Andernfalls droht – trotz des formal nur mit der Ein-Mann-Gesellschaft bestehenden Vertragsverhältnisses – ein Arbeitsverhältnis mit dem eingesetzten Geschäftsführer. Gerade langfristige und sehr umfangreiche Dauerkooperationen wie im vorliegenden Fall legen bei entsprechend arbeitnehmerähnlicher Einbindung ein Arbeitsverhältnis nahe. Zwar werden die Gerichte im jeweiligen Einzelfall zu prüfen haben, ob die Berufung auf ein Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich sein könnte. Wie die Entscheidung zeigt, werden für eine solche Annahme zu Lasten des Mitarbeiters aber hohe Anforderungen gestellt.

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