Fragerecht des Arbeitgebers nach Gewerkschaftszugehörigkeit

Veröffentlicht am 9th Jan 2015

Für Arbeitgeber kann es in verschiedenen Zusammenhängen darauf ankommen, wie viele und welche Mitarbeiter der Belegschaft einer bestimmten Gewerkschaft angehören. Dies spielt eine Rolle für tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen (sofern diese nicht sowieso durch mit allen vereinbarte Bezugnahmeklausel allgemein angewendet werden), für die rechtliche Beurteilung von Folgen eines Betriebsübergangs und im tarifpluralen Betrieb auch für die Frage, welche Gewerkschaft mit den meisten Mitarbeitern im Betrieb vertreten ist. Nach dem inzwischen vom Kabinett verabschiedeten Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes, soll dies das zentrale Kriterium zur Bestimmung des im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrags werden. In diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist daher eine aktuelle Entscheidung des BAG, wonach Arbeitgebern in bestimmten Fällen ein Fragerecht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit zuzugestehen ist (Urteil vom 18. November 2014 – 1 AZR 257/13).

Der Sachverhalt

Das beklagte Unternehmen gehört dem kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss 2006 mit ver.di und der dbb Tarifunion jeweils einen gleichlautenden Tarifvertrag „Nahverkehrsbetriebe Bayern“.

Im Jahre 2010 kündigten beide Arbeitnehmerorganisationen den Tarifvertrag und führten zunächst gemeinsame Verhandlungen mit dem KAV Bayern über einen neuen Tarifabschluss. Am 20. August 2010 verließ die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) diese Tarifverhandlungen und erklärte diese nachfolgend formal für gescheitert, während zwischen der dbb Tarifunion und dem KAV Bayern noch am gleichen Tag eine Einigung über Entgelterhöhungen und Einmalzahlung zustande kam. Diese sollte ab September 2010 gelten.

Das beklagte Unternehmen informierte Ende August 2010 ihre Mitarbeiter über Verlauf und Ergebnis der Tarifverhandlung. Dabei wies es darauf hin, dass Mitarbeiter der GDL keine Ansprüche aus der Einigung geltend machen könnten und forderte alle Mitarbeiter auf, binnen zwei Wochen das beigefügte Antwortformular auszufüllen und mitzuteilen, ob sie Mitglieder der GDL seien. Erst nach erfolgter Rückmeldung werde die Tarifeinigung in der Entgeltabrechnung umgesetzt. Die Kenntnis von der Gewerkschaftszugehörigkeit werde ausschließlich für die Prüfung eines Anspruchs auf die Tarifeinigung mit der dbb Tarifunion verwendet.

Die GDL hat Klage wegen dieses Vorgehens eingereicht, das aus ihrer Sicht die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit verletzt und beantragt festzustellen, dass eine Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit generell unzulässig sei.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem entsprechenden Hauptantrag der GDL stattgegeben. Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat hingegen zwar ein eigenes Recht der Gewerkschaft zur Abklärung der Zulässigkeit von Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im Arbeitsverhältnis anerkannt. Es hat den Antrag der Klägerin jedoch abgelehnt, weil für bestimmte Fälle ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bestehe.

Die Entscheidung

Das BAG bestätigt diese Einschätzung und hat den Antrag der GDL insgesamt abgewiesen.

Die Richter weisen darauf hin, dass die konkrete Fragebogenaktion ein Verstoß gegen die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL war. Nach Art und Weise der Befragung während einer laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung habe diese darauf gezielt, den Verhandlungsdruck der GDL zu unterlaufen. Dies geht in die Richtung der Argumentation des Hessischen LAG, das bereits darauf hingewiesen hatte, wenn überhaupt, hätte die Beklagte positiv nach einer Zugehörigkeit in der dbb Tarifunion und nicht einer Zugehörigkeit in der GDL fragen müssen.

Trotz dieser die Koalitionsfreiheit verletzenden Vorgehensweise hat das BAG den umfassenden Unterlassungsantrag der GDL insgesamt abgewiesen. Die Pressemitteilung nimmt hier auf „deliktsrechtliche“ sowie auf „verfahrensrechtliche Gründe“ Bezug. Hierzu wird die vollständige Urteilsbegründung des BAG abzuwarten sein. Nach bisherigem Verständnis der Entscheidung sieht es aber so aus, als ob das BAG letztlich zumindest ein obiter dictum dahingehend ausgesprochen hat, dass grundsätzlich in bestimmten Situationen ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit besteht und daher ein unbeschränkter Unterlassungsanspruch für alle Fallgestaltungen nicht gegeben ist.

Hinweise für die Praxis

Es ist damit zu rechnen, dass das BAG sich noch in weiteren Verfahren mit der praxisrelevanten Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit wird befassen müssen. Für Arbeitgeber, die mit mehreren Gewerkschaften Tarifverträge abgeschlossen haben oder aber von mehreren Gewerkschaften zu einem Tarifabschluss aufgefordert und gegebenenfalls auch mit Streiks bedroht werden, ist es von besonderer Bedeutung, die Gewerkschaftszugehörigkeit ihrer Mitarbeiter zu kennen. Nur so lässt sich abklären, mit welchen Mitarbeitern eine Tarifeinigung letztlich aufgrund beidseitiger Tarifgebundenheit zwingend gilt.

Dies gilt umso mehr, wenn in Zukunft nach dem noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Tarifeinheitsgesetz nur noch der Tarifvertrag der in einem Betrieb mit den meisten Arbeitnehmern vertretenen Gewerkschaft für diesen Betrieb verbindlich sein soll. Nach dem derzeitigen Entwurf hätten Gewerkschaften mit einer geringeren Anzahl von Mitgliedern im fraglichen Betrieb lediglich einen Anspruch auf identische Übernahme des Tarifabschlusses der Mehrheitsgewerkschaft.

Hier gilt es, einen angemessenen Interessenausgleich zu finden zwischen den Interessen des Arbeitgebers und der Koalitionsfreiheit. Arbeitgebern ist zu raten, die Gewerkschaften bereits im Vorfeld einer Tarifauseinandersetzung zum Nachweis der entsprechenden Mitgliederzahlen im Betrieb aufzufordern, wenn dies sich tatsächlich als das maßgebliche Kriterium für eine Tarifgeltung im tarifpluralen Betrieb gesetzlich durchsetzen sollte. Eine Befragung erst in Streiksituationen kann rechtlichen Bedenken, wie hier vom BAG ins Feld geführt, begegnen. Im Einzelfall ist zudem auf die konkrete Formulierung der Fragen, den Kreis der Befragten, Zeitpunkt und Fristsetzung für die Beantwortung zu achten.

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