Bildung von Altersgruppen in der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung

Veröffentlicht am 29th Sep 2015

Werden im Rahmen der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung Altersgruppen gebildet, so richtet sich die Verteilung der auszusprechenden Kündigungen auf die Altersgruppen streng nach der proportionalen Verteilung der Belegschaft auf die Altersgruppen (BAG, Urt. v. 26. März 2015 – 2 AZR 478/13).

Der Sachverhalt

Die Beklagte, ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, kündigte wegen Auftragsrückgangs Mitarbeiter im Äquivalent von 222 Vollzeitarbeitsplätzen. Hierzu schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Nach dem Sozialplan waren Altersgruppen („bis 29 Jahre“, danach in 5-Jahres-Schritten) zu bilden und die Kündigungen nach einem festgelegten Punkteschema vorzunehmen. Dem Interessenausgleich wurde für die Gruppe der mechanischen Helferinnen und Helfer eine Namensliste beigefügt, auf die 156 Mitarbeiter gesetzt wurden. Nach dieser sollten beispielsweise in der Altersgruppe der „35 bis 39 Jahre“ 37,29 % der Mitarbeiter und in der Altersgruppe „60 bis 64 Jahre“ 58,33 % der Mitarbeiter gekündigt werden. Insgesamt sollten nur 42,4 % der Mitarbeiter gekündigt werden. Die Klägerin gehörte der Altersgruppe „55 bis 59 Jahre“ an und wurde im Rahmen dieses Arbeitsplatzabbaus gekündigt. Sie klagte gegen die Kündigung. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Sie hielten die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl für unwirksam.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Sozialauswahl sei unwirksam gewesen.

Das BAG bestätigt in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, dass bei der Durchführung der Sozialauswahl Altersgruppen zur Bewahrung der betrieblichen Altersstruktur gebildet werden dürfen. Die Bildung von Altersgruppen ist nur zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) zulässig. Dies bedeute, dass die bestehende Altersstruktur nicht verändert bzw. „optimiert“ werden darf. Vielmehr müsse durch die Einteilung in Altersgruppen gesichert werden, dass die vor Ausspruch der Kündigung bestehende Altersstruktur erhalten bleibe.
Daher sei die Sozialauswahl anhand dieser drei Schritte durchzuführen:

  1. Bildung von Altersgruppen nach sachlichen Kriterien
  2. Feststellung der prozentualen Verteilung der Belegschaft auf die einzelnen Altersgruppen
  3. Verteilung der auszusprechenden Kündigungen entsprechend des in Schritt 2 festgestellten Proporzes.

Die Verteilung der Kündigungen auf die Altersgruppen habe streng proportional zu erfolgen. Wird eine Altersgruppe überproportional herangezogen, werde durch die Einteilung in Altersgruppen nicht mehr die bestehende Altersstruktur erhalten, sodass die Bildung der Altersgruppen unzulässig und die Ergebniskontrolle dann auf die gesamte Vergleichsgruppe zu erstrecken sei. Das Arbeitsgericht habe daher dann die Wirksamkeit der Kündigungen anhand einer auf die gesamte relevante Belegschaft bezogenen Sozialauswahl zu prüfen.

In dem konkreten Fall sah das BAG die aufgestellten Anforderungen nicht als erfüllt an, da die Kündigungen nicht proportional auf die einzelnen Altersgruppen verteilt wurden. Insgesamt wurden 42,4 % der Mitarbeiter gekündigt – innerhalb der einzelnen Arbeitsgruppen wurden jedoch schwankend zwischen 37,29 % und 58,33 % der Mitarbeiter gekündigt. Bei gleichmäßiger Verteilung der Kündigungen hätten jedoch in jeder Altersgruppe ca. 42,4 % der Mitarbeiter gekündigt werden müssen.

Hinweise für die Praxis

Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung erneut betont, dass auch bei der Bildung von Altersgruppen die Sozialauswahl sorgfältig durchzuführen ist. Die Bildung von Altersgruppen darf nicht zu einer Diskriminierung wegen des Lebensalters führen.

Dem Arbeitgeber bieten sich daher bei der Verteilung der Kündigungen auf die Altersgruppen keine Gestaltungsspielräume. Es ist vielmehr Sorge zu tragen, dass die Kündigungen strikt proportional auf die einzelnen Altersgruppen verteilt werden.

Ein gewisser Gestaltungsspielraum besteht lediglich bei der Bildung der Altersgruppen. Die Jahresschritte zur Einteilung sind nicht starr durch Gesetz festgelegt und können bei entsprechender Begründung auch im Rahmen einer einzigen Sozialauswahl zwischen den einzelnen Gruppen schwanken.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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