Außerordentliche Kündigung - Nutzung dienstlicher Ressourcen zur Herstellung privater „Raubkopien“

Veröffentlicht am 14th Sep 2015

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juli 2015 – Az.: 2 AZR 85/15 zur fristlosen Kündigung eines Mitarbeiters, der während der Arbeitszeit im großen Stil private Raubkopien von Bild- und Tonträgern herstellte, ist nicht sonderlich überraschend. Umso bemerkenswerter sind die Entscheidungen der Vorinstanzen, die trotz der Herstellung mehrerer tausend Raubkopien durch den Kläger keine Bedenken hegten, die Kündigung für unwirksam zu erklären.

Der Sachverhalt

Der rentennahe Kläger war seit 1992 bei dem beklagten Land beschäftigt. Er nahm die Funktion des „IT-Verantwortlichen“ beim Oberlandesgericht Naumburg wahr. Als solcher war er insbesondere für die Bestellung des benötigten Zubehörs, etwa von CDs und DVDs verantwortlich. Mitte März 2013 stellte die Beklagte im Rahmen einer Geschäftsprüfung fest, dass der Kläger in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs zum privaten Gebrauch bearbeitet hatte. Im gleichen Zeitraum waren etwa gleich viele DVD-Rohlinge seitens des Gerichts bestellt worden, deren Verbleib nicht erklärbar war. Daneben fand die Beklagte auf der Festplatte eines vom Kläger benutzten Rechners mehr als 6.400 privater E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien. Schließlich befand sich auf dem Rechner ein Programm, das geeignet war, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Bei näheren Untersuchungen Anfang April 2013 fanden sich weitere (Audio-)Dateien zum privaten Gebrauch auf den vom Kläger benutzten Festplatten. Der Kläger ließ sich im Laufe der Ermittlungen ein, er habe die Kopien auf seinem Rechner und den Festplatten erstellt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. April 2013 außerordentlich fristlos und mit Schreiben vom 13. Mai 2013 hilfsweise ordentlich.

Das Arbeitsgericht Halle und das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Die Entscheidung

Der Zweite Senat hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LAG zurück. Das BAG räumt mit den beispiellosen Argumenten des LAG auf. So hatte die Berufungsinstanz angenommen, die Kündigungen seien unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag der Kläger geleistet habe. Die Beklagte habe es versäumt, gegenüber anderen Beteiligten vergleichbare Maßnahmen zu ergreifen. So habe auch der Wachtmeister pflichtwidrig gehandelt, indem er für den privaten Gebrauch CD-Cover gedruckt habe. Abnehmer für seine „heiße Ware“ fand er zudem auch in den Angestellten und Richtern des OLG Naumburg. Zudem habe das beklagte Land die Strafverfolgungsbehörde nicht eingeschaltet und lediglich eigene Ermittlungen vorgenommen. Letztere – so das LAG – können allerdings nicht die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB zur Erklärung der Kündigung hemmen.

Dem ist das BAG entgegen getreten: Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Rahmen von verhaltensbedingten Kündigungen keine Anwendung. Welche Maßnahmen das beklagte Land gegenüber anderen etwaigen Beteiligten ergriffen habe, sei nicht entscheidend. Ebenso sei es dem Arbeitgeber unbenommen, eigene Ermittlungen zu führen und von der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden abzusehen. Entscheidend sei, dass die Ermittlungen zügig durchgeführt werden.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat die Vorinstanzen erfreulicherweise in ihre Schranken gewiesen. Zu Recht hat das BAG die schwerwiegende Verfehlung des Klägers erkannt – anders als die Vorinstanzen. So hat der Kläger über mehrere Jahre tausende private Raubkopien auf Kosten des beklagten Landes an seinem Dienstrechner angefertigt. Die hierfür nötigen DVD- und CD-Rohlinge hat er sich praktischerweise direkt selbst bestellt – freilich auf Kosten des beklagten Landes.

Die Entscheidung des LAG liest sich wie der verzweifelte Versuch, eine außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters trotz massiver Pflichtverletzungen abzuwenden. Frei nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“ Ganz unumwunden erklärt das LAG, es habe mehrfach auf eine vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem rentennahen Mitarbeiters gedrungen oder wohl besser gesagt – das beklagte Land hierzu zwingen wollen. Die Beklagte hat gut daran getan, dass sie trotz dieses Druckes nicht auf die Geltendmachung ihres Rechtes verzichtet hat.

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