Auch bei einer Überlassung in das Ausland kann ein Anspruch auf equal pay bestehen

Veröffentlicht am 12th Sep 2014

Findet nach den Regeln des Internationalen Privatrechts auf das Arbeitsverhältnis eines Leiharbeitnehmers deutsches Arbeitsrecht Anwendung, schuldet der Verleiher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 AÜG auch für Auslandseinsätze equal pay. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 28. Mai 2014 – 5 AZR 422/12 entschieden.

Der Sachverhalt

Der Kläger war vom 2. Juni 2009 bis zum 2. August 2010 bei der Beklagten, die ein Personaldienstleistungsunternehmen betreibt, als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war von Juni 2009 bis Juli 2010 bei einem niederländischen Entleihbetrieb als Aushilfskraft in der Fleischverarbeitung eingesetzt und erhielt einen Stundenlohn in Höhe von EUR 7,35 brutto.

Mit der erhobenen Klage begehrt der Kläger Differenzvergütung für die in dem Zeitraum Juni 2009 bis Juli 2010 erbrachte Arbeitsleistung.

In seiner Klage trägt der Kläger vor, dass den in dem niederländischen Entleihbetrieb tätigen vergleichbaren Stammkräften ein Stundenlohn in Höhe von EUR 12,00 brutto bezahlt werde. Zum Nachweis legt der Kläger eine Lohnabrechnung einer niederländischen Stammkraft für August 2010 vor.

Das beklagte Verleihunternehmen bestreitet, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer im Entleihbetrieb einen Stundenlohn in Höhe von EUR 12,00 brutto erhalten. Die vorgelegte Abrechnung für den niederländischen Arbeitnehmer für August 2010 sei als Nachweis unsubstantiiert, da sie nur eine Momentaufnahme darstelle. Auf Nachfrage des Klägers verweigerte der niederländische Entleiher unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht seiner Beschäftigten eine Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm mit Urteil vom 29. Februar 2012 (Az. 3 Sa 859/11) der Klage in Höhe eines Teilbetrags stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die Entscheidung

In seinem Urteil vom 28. Mai 2014 (Az. 5 AZR 422/12) hat das BAG die Revision der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Ansicht des BAG fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien deutsches Arbeitsrecht Anwendung, da die Parteien eine entsprechende Rechtswahl getroffen haben. Diese Rechtswahl müsse dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Vielmehr kann sie nach der ständigen Rechtsprechung des BAG auch konkludent durch eine Orientierung maßgeblicher arbeitsvertraglicher Regelungen an dem deutschen Arbeitsrecht erfolgen. Im vorliegenden Fall leitet das BAG aus der mehrfachen Inbezugnahme von Vorschriften des AÜG und des TVG sowie der in Deutschland geschlossenen Tarifverträge der CCZP eine konkludente Rechtswahl ab. Weiterhin stellt das BAG fest, dass das AÜG grundsätzlich zwar ausschließlich im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gelte. Dennoch verpflichte es aber in diesem räumlichen Geltungsbereich ansässige Verleihunternehmer zur Gewährung von equal pay, wenn auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung finde.

Weiterhin konnte das LAG Hamm nach Ansicht des BAG die vorgelegte Lohnabrechnung wirksam seinem Urteil zugrunde legen, da dieser Vortrag den Erkenntnismöglichkeiten des Klägers entsprach und der Kläger gegen den niederländischen Entleiher keinen durchsetzbaren Anspruch auf Auskunft gemäß § 13 AÜG hatte. Der in den Niederlanden ansässige Entleiher unterfällt nach Ansicht des BAG nicht dem Geltungsbereich des AÜG. Diesen Rechtsnachteil des Klägers habe der beklagte Verleiher durch den von ihm veranlassten Auslandseinsatz verursacht, ohne dem Beschäftigten eine gleichwertige Erkenntnisquelle zu verschaffen. Andererseits hätte sich der beklagte Verleiher zumindest einzelvertraglich die notwendigen Informationen seitens des niederländischen Entleihers sichern können. Deshalb sei es in dem Fall geboten gewesen, die Anforderungen an die Substantiierung der Klagebegründung herab- und an die der Verteidigung des beklagten Verleihunternehmens heraufzusetzen.

Hinweise für die Praxis

Haben Verleiher und Entleiher ihren Sitz in verschiedenen Staaten, so treten kollisionsrechtliche Probleme auf den Gebieten des Arbeits- und Dienstleistungsrechts, des Sozialversicherungsrechts und des Gewerberechts einschließlich des Arbeitnehmerüberlassungsrechts auf.

In solchen Konstellationen ist zunächst das anwendbare Recht entsprechend den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts für die einzelnen Rechtsverhältnisse zwischen Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer zu bestimmen.

Das AÜG findet dabei auch in den Fällen einer Arbeitnehmerüberlassung in das Ausland Anwendung, sei es wie in der vorliegenden Entscheidung infolge einer entsprechenden Rechtswahl durch die Vertragsparteien, als sachnächstes Recht oder aber als zwingende Bestimmungen im Sinne von Art. 34 EGBGB/Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. Unter einer Eingriffsnorm ist dabei eine zwingende Vorschrift zu verstehen, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des auf das jeweilige Schuldverhältnis anwendbaren Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Nach überwiegender Ansicht sind jedenfalls die §§ 1 bis 10 AÜG als solche zwingende Bestimmungen zu qualifizieren.

In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass das AÜG mit den Regelungen zur Erlaubnispflicht in § 1 AÜG über privatrechtlichen Vorschriften hinaus auch gewerberechtliche Vorschriften enthält. Das Gewerberecht ist Bestandteil des öffentlichen Rechts, so dass sich der internationale Geltungsbereich der gewerberechtlichen Vorschriften nach dem Territorialitätsprinzip bestimmt. Dementsprechend sind gewerberechtliche Vorschriften dann anwendbar, wenn der Sachverhalt einen Bezug zu dem jeweiligen Staatsgebiet aufweist. Für die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung bedeutet dies, dass die gewerberechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen beider betroffener Staaten erfüllt sein müssen.

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