Gewerblicher Rechtsschutz / IP

Cannabis-Legalisierung: Könnten völker- und europarechtliche Hürden das Gesetzesvorhaben gefährden?

Veröffentlicht am 15th Dez 2022

Die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in Deutschland schreiten weiter voran: Nachdem sich die Regierungskoalition bereits im Koalitionsvertrag 2021 darauf geeinigt hatte, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ zu ermöglichen, wird es nun konkreter um das Legalisierungsbestreben.

Im Anschluss an den im Sommer 2022 durchgeführten umfangreichen Konsultationsprozess zwischen Politik, Experten und Interessengruppen, hat die Bundesregierung Ende Oktober ein Eckpunktepapier zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken veröffentlicht. Auch wenn die darin beschlossenen Eckpunkte noch nicht bindend sind, verraten sie erste Details, wie sich die Bundesregierung die geplante Legalisierung vorstellt

Vor Umsetzung des Gesetzesvorhabens gilt es jedoch zunächst, mögliche Hürden des internationalen Rechts zu überwinden. Ob sich die deutschen Legalisierungspläne überhaupt völker- und europarechtlich durchsetzen lassen, soll eine rechtliche Vorabprüfung durch die EU-Kommission zeigen. Bei einer solchen Vorabprüfung handelt es sich um einen informellen, strukturierten Dialog zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedsstaat, durch den mögliche Verstöße gegen das EU-Recht möglichst ohne Vertragsverletzungsverfahren aus dem Weg geräumt werden sollen. Ursprünglich sollte bereits das Eckpunktepapier zu einer Vorabprüfung der EU-Kommission vorgelegt werden. Nach einer mittlerweile bekannt gewordenen parlamentarischen Anfrage räumt das Bundesministerium für Gesundheit nun jedoch ein, dass erst der fertige Gesetzesentwurf zur Vorabprüfung weitergeleitet werden könne. An diesem wird laut Ministerium bereits gearbeitet, der finale Entwurf wird jedoch frühestens im ersten Quartal 2023 erwartet. Es bleibt daher abzuwarten, ob die für Anfang 2024 geplante Legalisierung sich eventuell noch weiter verzögert.

1. Hintergrund des Gesetzesvorhabens

Hintergrund des Gesetzesvorhabens zur Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken ist, dass in den letzten Jahren ein tendenziell steigendes Suchtverhalten und ein prosperierender Schwarzmarkt beobachtet wurde. 

Mit der Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis soll dessen Qualität kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen zum Schutz der Konsumenten verhindert werden sowie eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes für Kinder und Jugendliche erreicht werden. Durch die Einführung einer Cannabissteuer verspricht man sich auf Seiten des Staates zudem die Generierung erheblicher Einnahmen

2. Aktuelle Rechtslage

Nach § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) i.V.m. Anlage 1 ist die Cannabispflanze sowie Cannabisharz weder verkehrs- noch verschreibungsfähig. Nach § 29 Abs. 1 BtMG sind unter anderem Anbau, Herstellung, Besitz, Handel und Erwerb von Cannabis verboten - der Konsum von Cannabis hingegen ist straffrei, da er nicht ausdrücklich in § 29 Abs. 1 BtMG aufgeführt ist. 

Von dem Verbot existieren streng umgrenzte Ausnahmen, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken explizit ausschließen. So sind Cannabis oder Cannabis-Produkte insbesondere dann von dem Verbot ausgenommen, wenn ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,2% nicht übersteigt, der Verkehr mit ihnen ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient und ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist. Auch Lebensmittel aus/mit Cannabissamen, wie z.B. Hanfsamen-Salatöl, Hanfsamen-Bier oder Hanfsamen-Schokolade, fallen nicht unter das BtMG

3. Wichtigste Eckpunkte

Folgende geplante gesetzlichen Regelungen zur Cannabis-Legalisierung sind in dem Eckpunktepapier als Grundlage für einen späteren Gesetzesentwurf vorgesehen:

1. Aufhebung der Einstufung als Betäubungsmittel

Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig nicht mehr als Betäubungsmittel im Sinne des BtMG eingestuft werden. So soll der Erwerb und Besitz von bis zu 20 – 30 Gramm Genuss-Cannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum straffrei möglich werden. 

Auch der private Eigenanbau soll in Grenzen von bis zu drei weiblich blühenden Pflanzen pro volljähriger Person erlaubt sein. Künstlich hergestellte Wirkstoffe der Cannabispflanze sowie mit Cannabis angereicherte Lebensmittel wie z.B. Kekse oder Süßigkeiten (sog. Edibles) sollen dagegen nicht zugelassen sein

2. Staatlich kontrollierte Produktion und Lieferkette

Es ist eine staatlich kontrollierte Produktion und Lieferung sowie ein staatlich kontrollierter Vertrieb an Endkunden im Rahmen eines Lizenzsystems vorgesehen.

Ein Bezug von Cannabis-Produkten zu Genusszwecken aus dem Ausland soll – anders als bei Cannabis zu medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken – nach Ansicht der Bunderegierung vorerst nicht stattfinden. Der Import würde weitere rechtliche Probleme aufwerfen, so dass zumindest zu Beginn der Anbau ausschließlich in Deutschland erfolgen soll. Ob die Nachfrage in Deutschland allein mit heimischem Anbau gedeckt werden kann, bleibt abzuwarten.

Der Vertrieb an die Endkunden soll mengenmäßig begrenzt sowie in lizensierten Fachgeschäften, die allein auf den Verkauf von Genuss-Cannabis ausgerichtet sind, erfolgen. Ein Vertrieb über Apotheken soll eventuell auch ermöglicht werden. Ein Versandhandel ist zunächst nicht vorgesehen, soll jedoch im Rahmen der Evaluierung der Regelungen nach vier Jahren berücksichtigt werden. Aus Gründen des Jugendschutzes sollen Cannabis-Geschäfte nicht in der Nähe von Schulen und Spielplätzen betrieben werden dürfen. Die Werbung für Cannabis-Produkte zu Genusszwecken soll gänzlich untersagt sein.

Zudem soll auf Verkäufe neben der allgemeinen Umsatzsteuer eine gesonderte Verbrauchssteuer („Cannabissteuer“) erhoben werden, welche sich nach dem THC-Gehalt richten und einen „marktfähigen“ Kaufpreis, insbesondere im Hinblick auf den Schwarzmarkt abbilden soll

3. Altersgrenzen und THC-Grenzen

Als Mindestaltersgrenze für den Erwerb und Besitz wird die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt. 

Grundsätzlich soll auf eine Obergrenze für den THC-Gehalt im legalen Genuss-Cannabis für Erwachse verzichtet werden, für unter 21-jährige Käufer wird dies allerdings noch geprüft. In der Ministerialabstimmung vom 19. November 2022 wurde eine Begrenzung auf einen THC-Gehalt von 10 Prozent vorgeschlagen

4. Kompatibilität mit internationalem Recht als Hürde

Ob sich das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung tatsächlich umsetzen lässt, ist aktuell allerdings noch völlig offen. Völker- und europarechtliche Regeln zum Umgang mit Genuss-Cannabis könnten der geplanten Legalisierung in Deutschland entgegenstehen.

So bestehen international Bedenken im Hinblick auf die Kompatibilität mit diversen UN-Abkommen. Problematisch sind dabei das UN-Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988, das sog. Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe von 1961 sowie das Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971. Durch diese Übereinkommen verpflichten sich die Vertragsparteien, sämtliche gewerbliche Aktivitäten in Verbindung mit Cannabis außerhalb medizinischer oder wissenschaftlicher Zwecke zu unterbinden. 

Europarechtlich bieten darüber hinaus das sog. Schengener Durchführungsübereinkommen und der EU-Rahmenbeschluss 2004/757/JI vom 25. Oktober 2004 rechtliche Hürden. Zudem ist die Europäische Union ebenfalls Mitglied der zuvor genannten internationalen Verträge, sodass es auch hierdurch zu Spannungen kommen kann. 

Gesundheitsminister Karl Lauterbach wollte bereits das Eckpunktepapier der EU-Kommission zu einer Vorabprüfung vorlegen. Wie das Gesundheitsministerium mittlerweile mitteilen musste, kann jedoch erst ein fertig ausgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Vorabprüfung weitergeleitet werden. Ein solcher liegt bisher jedoch noch nicht vor und wird frühestens im ersten Quartal 2023 erwartet.

Darüber hinaus plant die Bundesregierung im Wege einer „Interpretationserklärung“ gegenüber den übrigen Vertragsparteien der internationalen Übereinkommen aufzuzeigen, dass sich das im Eckpunktepapier enthaltene staatlich kontrollierte System zur Legalisierung von Cannabis-Produkten zu Genusszwecken mit dem Zweck und den rechtlichen Vorgaben im Hinblick auf den Gesundheits- und Jugendschutz der internationalen Übereinkommen vereinbar zeigt

5. Ausblick

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung hat erste Einblicke in die Rahmenbedingungen der geplanten Cannabis-Legalisierung gegeben. Mit Spannung bleibt nun der erste Gesetzesentwurf abzuwarten. Mit Blick zur EU-Kommission stellt sich im Anschluss die Frage, ob dort im nächsten Schritt eine Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Regeln attestiert wird.

Ob und wann sich die Legalisierungspläne umsetzen lassen, lässt sich daher momentan noch nicht genau abschätzen. Und obwohl bereits erste größere Investitionen in Deutschland getätigt wurden, ist davon auszugehen, dass die ganz große Goldgräberstimmung im Markt erst nach Klärung dieser rechtlichen Fragen einsetzen wird. In jedem Fall dürfte bis zu einer Legalisierung noch etwas Zeit ins Land gehen.

 

Besonderen Dank an Mona Sterheltou, Referendarin und Jonas Werner, Ex-Referendar bei Osborne Clarke, München.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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