Wirksamkeit einer Ausschlussfrist, die Mindestlohnansprüche nicht ausschließt

Veröffentlicht am 7th Aug 2017

Nimmt eine Ausschlussfrist Ansprüche wegen des gesetzlichen Mindestlohns nicht aus, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist ist vielmehr nur insoweit unbeachtlich, als Ansprüche auf Mindestlohn tangiert sind. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg (Urteil vom 9. Mai 2017 – 7 Sa 560/16).

Der Sachverhalt

Die Parteien stritten um Überstunden und die Abgeltung von Urlaub.

Paragraph 10 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages lautete:

„Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen. Anderenfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.“

Der Kläger machte gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 14. September 2015 Ansprüche auf Abgeltung von Urlaubstagen aus den Jahren 2014 und 2015 sowie Abgeltung von Überstunden geltend. Der Beklagte wies die Forderungen des Klägers mit Schreiben vom 28. September 2015 teilweise zurück. Der Urlaubsanspruch aus 2014 sei bereits verfallen. Ein Anspruch auf Abgeltung der Überstunden bestünde insgesamt nicht.

Der Kläger erhob am 21. Januar 2016 Klage beim Arbeitsgericht Nürnberg, in der er Urlaubs- und Überstundenabgeltung geltend machte.

Das Arbeitsgericht wies die Klage insgesamt ab. Der Urlaubsanspruch des Klägers aus 2014 sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits verfallen gewesen, die Überstunden nicht substantiiert dargelegt, die Urlaubsabgeltung für 2015 wegen der vertraglichen Ausschlussklausel ausgeschlossen. Der Kläger wendet sich in seiner Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Insbesondere sei § 10 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, da sie den Anspruch auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnahm.

Zusammenfassend begehrte der Kläger die Abänderung der Urteile des Arbeitsgerichts dahingehend, dass ihm seine Urlaubstage und Überstunden abgegolten werden.

Der Beklagte beantragte die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung

Das LAG wies die Berufung des Klägers zurück.

Das Arbeitsgericht habe die geltend gemachten Ansprüche zu Recht abgewiesen. Die erhobenen Ansprüche seien entsprechend der in § 10 des Arbeitsvertrages enthaltenen Ausschlussfrist verfallen.

Der Kläger habe es versäumt, seine Ansprüche innerhalb der Frist gerichtlich geltend zu machen. Der Beklagte habe die mit Schreiben vom 14. September 2015 erhobenen Ansprüche am 28. September 2015 zurückgewiesen. Der Kläger hätte somit seine Ansprüche bis zum 28. Dezember 2015 klageweise geltend machen müssen.

Insbesondere sei die Ausschlussfrist nicht gemäß § 3 Satz 1 MiLoG (Mindestlohngesetz) iVm § 134 BGB (insgesamt) unwirksam. Sie sei nur unwirksam, soweit sie Ansprüche auf Mindestlohn erfasse. Diese Wirkung umfasse jedoch nicht die gesamte Klausel, sondern lediglich die Anwendung auf Mindestlohnansprüche. Nachdem der Gesetzgeber in § 3 MiLoG das Wort „insoweit“ eingefügt hat, sei die Ausschlussfrist nur insoweit unwirksam, wie sie Ansprüche auf Mindestlohn ausschließe.

Das LAG stellt außerdem klar, dass eine vertragliche Ausschlussfrist auch der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB standhält. Sie verstoße insbesondere nicht gegen § 309 Abs. 1 S. 2 BGB. Eine Klausel, die ein gesetzliches Verbot nicht wiedergibt sei nicht intransparent. Insoweit sei die Klausel schlicht unwirksam. Gesetzliche Verbote gelten ersichtlich für jedermann und seien insbesondere auch Arbeitnehmern zugänglich. Das Wissen oder jedenfalls das Wissenkönnen um das gesetzliche Verbot stehe der Kausalität zwischen der vertraglichen Klausel und der Entscheidung, davon abzusehen, einen Anspruch geltend zu machen, entgegen.

Das LAG Nürnberg hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen zugelassen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger bereits Gebrauch gemacht und am 7. Juni 2016 Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt (Aktenzeichen 9 AZR 262/17). Eine Entscheidung steht noch aus.

Hinweise für die Praxis

Seit Inkrafttreten des MiLoG ist umstritten, ob arbeitsvertragliche Ausschlussfristen insgesamt unwirksam sind, wenn sie Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen.

Sollte das BAG der vorzugswürdigen Argumentation des LAG folgen, besteht endlich Rechtssicherheit für Arbeitgeber im Bereich der Gestaltung von Arbeitsverträgen.

Den Ausgang des Verfahrens vor dem BAG sollten Arbeitgeber im Blick haben.

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