Umfang vorzulegender Unterlagen bei Versetzungen/Einstellungen

Veröffentlicht am 1st Feb 2016

Zu den nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorzulegenden Bewerbungsunterlagen gehören Unterlagen, die der Arbeitgeber allein oder zusammen mit dem jeweiligen Bewerber anlässlich einer Bewerbung erstellt hat, aber nur, wenn der Arbeitgeber diese Schriftstücke bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigt. Aufzeichnungen, die hierfür ohne jegliche Bedeutung sind, muss der Arbeitgeber nicht vorlegen (BAG, Urteil vom 14. April 2015 – 1 ABR 58/13).

Der Sachverhalt

Nach einer bei der Arbeitgeberin bestehenden Betriebsvereinbarung (BV) über Auswahlrichtlinien für die Einstellung und Versetzung sind zu besetzende Stellen innerbetrieblich auszuschreiben. Die BV regelt, dass Auswahlentscheidungen auf Grundlage der aus den Bewerbungen ersichtlichen Unterlagen, der bisherigen Leistungen, des Verhaltens sowie der aus Bewerbungsgesprächen gewonnenen Informationen getroffen werden sollen. Bei gleichermaßen für eine Stelle geeigneten Bewerbern seien Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit im Zweifel zu bevorzugen.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters M auf die Stelle des “Teamleader outbound” und informierte den Betriebsrat über die im vorherigen Bewerbungsverfahren eingegangenen Bewerbungen sowie den Verlauf der Vorstellungsgespräche und Gründe für die Auswahlentscheidung. Die Bewerbungsunterlagen der jeweiligen Bewerber legte die Arbeitgeberin vor, nicht jedoch die von der Personalsachbearbeiterin während der Bewerbungsgespräche als Gedächtnisstütze für Besprechungen mit dem Vorgesetzten angefertigten Notizen.

Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom 28. Juni 2012 die Zustimmung zur Versetzung. Die Maßnahme verstoße gegen die im Betrieb bestehenden Auswahlrichtlinien – es habe insoweit gleichermaßen geeignete Bewerber mit längerer Betriebszugehörigkeit gegeben. Zudem sei er nicht ausreichend informiert worden aufgrund der fehlenden Vorlage der von der Personalsachbearbeiterin angefertigten Notizen. Nachdem die Arbeitgeberin die Versetzung sodann vorläufig vornahm, wiedersprach der Betriebsrat unter Wiederholung seiner bisherigen Begründung und führte mit am 4. Juli 2012 bei der Arbeitgeberin eingegangenem Schreiben zur Ablehnung der Zustimmung zusätzlich an, die Maßnahme sei eine Betriebsänderung. Die Arbeitgeberin beantragte gerichtlich die Zustimmungsersetzung und Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.

Die Vorinstanzen entsprachen den Anträgen der Arbeitgeberin, worauf der Betriebsrat seine Abweisungsanträge sodann weiter vor dem BAG verfolgte.

Die Entscheidung

Auch das BAG gab der Arbeitgeberin Recht. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates sei insbesondere die Vorlage der von der Personalsachbearbeiterin anlässlich der Bewerbungsgespräche erstellten Aufzeichnungen nicht nötig gewesen. Nach dem Normzweck des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG seien dem Betriebsrat zwar auch solche Schriftstücke vorzulegen, die der Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über die Bewerber erstellt hat. Die Vorlage sei aber nur dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber diese bei seiner Auswahlentscheidung auch berücksichtigt. Aufzeichnungen, die hierfür ohne jegliche Bedeutung sind, muss der Arbeitgeber nicht vorlegen. Die Aufzeichnungen der Personalsachbearbeiterin seien demnach nicht vorzulegen gewesen, da es sich nur um Gesprächsnotizen als Erinnerungsstütze für die Besprechung mit dem Vorgesetzten und für die Abfassung des an den Betriebsrat gerichteten Unterrichtungsschreibens handele und demnach für die Auswahlentscheidung ohne weitere Bedeutung seien.

Auch sei eine Vorlage weiterer Unterlagen unter dem Gesichtspunkt einer weiteren Kenntniserlangung vom Ablauf des Bewerbungsverfahrens nicht erforderlich gewesen. Das Betriebsverfassungsgesetz gewähre dem Betriebsrat kein Teilnahmerecht an mit Bewerbern geführten Gesprächen. Das dadurch entstehende Informationsdefizit sei nicht durch Wiedergabe der mit den Bewerbern geführten Gespräche oder ihrer wesentlichen Inhalte auszugleichen.

Im Übrigen seien weitere Einwendungen des Betriebsrates bezüglich einer etwaigen Betriebsänderung nicht innerhalb der Wochenfrist (§ 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG) eingegangen und daher nicht zu berücksichtigen. Die Frist sei am 2. Juli 2012 abgelaufen, der Betriebsrat habe die weiteren Einwendungen aber erst mit Schreiben erhoben, welches der Arbeitgeberin am 4. Juli 2012 zugegangen sei.

Darüber hinaus verstoße die Auswahlentscheidung nicht gegen die im Betrieb bestehende Auswahlrichtlinie. Die Vorinstanzen hätten insoweit bereits entsprechend tatrichterlich gewürdigt, dass die übrigen Bewerber die in der Stellenausschreibung aufgestellten fachlichen Qualifikationen nicht vollumfänglich erfüllt hätten.

Hinweise für die Praxis

Das BAG stellt in seiner Entscheidung keine gänzlich neuen Grundsätze auf. Gleichwohl lohnt die Entscheidung der Beachtung, da es in der betrieblichen Praxis im Rahmen der Betriebsratsanhörung bei Einstellungen und Versetzungen leicht zu Fehlern kommen kann.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten. Diese Unterrichtung hat unter Vorlage der erforderlichen Bewerbungsunterlagen zu erfolgen und muss Auskunft über die Person der Beteiligten geben. Ebenso sind die Auswirkungen der geplanten Maßnahme auf die übrige Belegschaft zu schildern (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber darf die personelle Einzelmaßnahme nur mit Zustimmung des Betriebsrates durchführen. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung kann der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung beantragen. Soweit die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, kann der Arbeitgeber die Maßnahme als Eilfall auch vorläufig durchführen (§ 100 Abs. 1 BetrVG).

Das BAG führt nochmals vor Augen, dass der Betriebsrat nicht die Vorlage von Aufzeichnungen aus Bewerbungsgesprächen verlangen kann, die für die Auswahlentscheidung ohne jegliche Bedeutung sind. Gleichwohl kann es in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten darüber kommen, ob entsprechende Unterlagen im obigen Sinne von Bedeutung sind oder nicht. Es empfiehlt sich, etwaige Unterlagen zumindest sorgfältig zu verwahren.

Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur personellen Einzelmaßnahme, kann er die Gründe hierzu nur innerhalb einer Wochenfrist ab Unterrichtung geltend machen. Ein Nachschieben von weiteren Begründungen ist nicht möglich. Der Gesetzgeber möchte dadurch alsbaldige Klarheit und Rechtssicherheit schaffen.

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