Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung

Veröffentlicht am 2nd May 2017

Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Arbeitgeber nach dem EU-Recht verpflichtet sind, Urlaub von sich aus zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag stellt und damit ein Verfall des Urlaubsanspruchs zum Jahresende droht (BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 9 AZR 541/15 (A)).

Der Sachverhalt

Der Kläger war vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beim Beklagten als Wissenschaftler beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 bat der Beklagte den Kläger, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Kläger nahm im November und Dezember 2013 jeweils einen Tag Erholungsurlaub. Er verlangte mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 vom Beklagten ohne Erfolg die Abgeltung der 51 nicht genommenen Urlaubstage.

Die Entscheidung

Nach den nationalen Bestimmungen waren die Urlaubsansprüche des Klägers mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 verfallen. Er hat damit keinen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres. Dies gilt auch dann, wenn er von seinem Arbeitgeber rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres die Gewährung des Urlaubs verlangt hatte. Gewährt der Arbeitgeber trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags des Arbeitnehmers diesem keinen Urlaub, tritt an die Stelle des verfallenen Urlaubsanspruchs ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Ersatzurlaub. § 7 BUrlG kann dagegen nicht so ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die bezahlte Freistellung aufzuzwingen, um so den Anspruchsverlust am Ende des Bezugszeitraums zu verhindern.

Nach dem Urteil vom LAG Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2014 (21 Sa 221/14) und dem Urteil vom LAG München vom 6. Mai 2015 (8 Sa 982/14) hat nun auch das LAG Köln mit Urteil vom 22. April 2016 (4 Sa 1095/15) entschieden, dass der Arbeitgeber von sich heraus verpflichtet sei, den Urlaubsanspruch auch ohne ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers zu erfüllen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, so soll er schadensersatzpflichtig sein. Dies ergibt sich nach den Urteilen daraus, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten diene und arbeitsschutzrechtlichen Charakter habe. Aus dem Zweck des Gesundheitsschutzes könne gefolgert werden, dass der Arbeitgeber von sich aus tätig werden und den Urlaub initiativ gewähren müsse. Darüber hinaus zeige schon der Wortlaut des § 7 BUrlG, nach dem der Urlaub im laufenden Kalenderjahr „zu gewähren und zu nehmen ist“, dass es dem Arbeitgeber obliege, den Urlaubsanspruch unaufgefordert zu erfüllen. Ansonsten müsste die Formulierung umgekehrt lauten, dass Urlaub „zu nehmen und zu gewähren“ sei.

Während das Urteil vom LAG Berlin-Brandenburg bereits rechtskräftig ist, sind Revisionen zum Bundesarbeitsgericht anhängig gegen das Urteil des LAG München und gegen das Urteil des LAG Köln.

Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:

„Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einer nationalen Regelung wie der in § 7 BUrlG entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs des Erholungsurlaubs vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?“

Hinweise für die Praxis

Die Urteile des LAG Berlin Brandenburg, des LAG München und des LAG Köln stehen im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Arbeitgeber nur dann Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub an den Arbeitnehmer zu leisten hat, wenn er dem Arbeitnehmer trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags keinen Urlaub gewährte. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Revision seine langjährige Rechtsprechung aufgeben wird mit der Konsequenz, dass der Arbeitnehmer bei Verfall des Urlaubsanspruchs einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch habe. Um sich davor zu schützen, bliebe dem Arbeitgeber dann nur noch die Möglichkeit, seinen Arbeitnehmern Zwangsurlaub zu gewähren. Eine Änderung der Rechtsprechung würde nicht nur einen erheblichen administrativen Mehraufwand für den Arbeitgeber bedeuten. Auch für den Arbeitnehmer wird es nicht von Vorteil sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zukünftig bereits im Herbst mitteilt, wann dieser am Jahresende seinen Urlaub zu nehmen hat.

Die EuGH-Entscheidung wird jedenfalls nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch betreffen. Es sollte somit darauf geachtet werden, dass im Arbeitsvertrag zwischen dem gesetzlichen und dem vertraglichen Urlaubsanspruch differenziert wird.

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