Ordentliche Änderungskündigung - Verhältnismäßigkeit - AGB-Kontrolle - Transparenzgebot

Veröffentlicht am 3rd Feb 2017

Eine ordentliche Änderungskündigung ist wegen der mit ihr verbundenen Bestandsgefährdung unverhältnismäßig, wenn die erstrebte Änderung der Beschäftigungsbedingungen durch Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitsgebers möglich ist (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil v. 22. September 2016 – 2 AZR 509/15).

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit Dienstsitz in K, schloss mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag ab, in dem die Parteien vereinbarten, dass der Tätigkeitsort die jeweiligen Geschäftsräume der Arbeitgeberin sein sollten.

Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass die Beklagte der Klägerin bei unveränderten Bezügen auch eine andere ihrer Vorbildung und ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, eventuell auch nur vertretungsweise, an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen übertragen konnte.

Im Jahre 2013 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, die Anzahl der Betriebsstätten – darunter auch diejenige, in der die Klägerin tätig war – zu reduzieren. Die bisherigen Aufgaben sollten an den Standorten A und B fortgeführt werden. Ende 2013 kündigte die Beklagte der Klägerin gegenüber an, von ihrem Direktionsrecht Gebrauch zu machen und die Klägerin an den Standort in A zu versetzen. Zugleich erklärte sie „höchst vorsorglich“ die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31. Juli 2014, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist in A fortzusetzen. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an. Die Beklagte berief sich später nicht mehr auf die Ausübung des Direktionsrechts für die Versetzung.

Mit der fristgerecht gegen die Kündigung eingereichten Klage beantragte die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung. Sie trug vor, dass die Änderungskündigung unverhältnismäßig gewesen sei. Die Beklagte berief sich hingegen auf die Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung, wegen Intransparenz der Klausel.

Die Vorinstanzen haben die Änderungskündigung für unwirksam erachtet. Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision der Beklagten.

Die Entscheidung

Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte keinen Erfolg.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis im vorliegenden Fall und bot im Zusammenhang damit neue Arbeitsbedingungen, nämlich die Beschäftigung in A, an, sog. Änderungskündigung.

Dagegen sei eine Kündigungsschutzklage zulässig.

Die Kündigungsschutzklage sei nach Auffassung des BAG begründet, weil die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Änderung des Arbeitsorts unverhältnismäßig und daher sozial ungerechtfertigt gewesen sei.

Die Änderungskündigung sei bereits dann unverhältnismäßig, wenn es keiner Änderung der Arbeitsbedingungen des Arbeitgebers durch die Änderungskündigung bedurft hätte. Daher prüfte das BAG, ob die Beklagte die Arbeitsbedingungen – hier den Wechsel des Beschäftigungsorts von K nach A – durch die bestehenden vertraglichen Regelungen oder von Gesetzes wegen hätte durchsetzen können.

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer mittels Ausübung des Direktionsrechts versetzen, § 106 Satz 1 GewO. Er darf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

Daher prüfte das BAG im vorliegenden Fall, ob der Arbeitsvertrag eine von § 106 Satz 1 GewO abweichende Regelung treffe. Als Allgemeine Geschäftsbedingung unterliegen Regelungen in einem Arbeitsvertrag zudem der Inhaltskontrolle nach den §§ 305ff. BGB.

Zwar haben sich die Parteien bei dem Tätigkeitsort auf die jeweiligen Geschäftsräume der Beklagten geeinigt. Im Arbeitsvertrag fände sich aber auch die Versetzungsklausel. Durch die Versetzungsklausel werde keine von § 106 Satz 1 GewO abweichende Regelung getroffen. Diese Klausel sei auch – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht intransparent. Zum einen könne sich die Beklagte als Verwenderin darauf nicht berufen. Zum anderen greife selbst bei Hinwegdenken der vertraglichen Regelung das oben näher beschriebene gesetzliche Direktionsrecht.

Das BAG stellte daher fest, die Beklagte habe die Versetzung auch im Rahmen des Direktionsrechts durchsetzen können. Die Änderungskündigung sei vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG verdient Zustimmung. Das BAG bestätigt seine Rechtsprechungslinie zu Änderungskündigungen und zur Auslegung von arbeitsvertraglichen Klauseln.

Wieso die Beklagte sich nicht mehr auf ihr Direktionsrecht berief, ist nicht nachvollziehbar. Denn dadurch hätte sie die Versetzung vor Gericht wohl durchsetzen können. Zudem ging auch die Argumentation der Unwirksamkeit der AGB wegen Intransparenz ins Leere.

Der Verwender von arbeitsvertraglichen Klauseln kann sich nicht auf diesen Einwand berufen. Ansonsten könnte er intransparente, d.h. rechtlich nicht klare Regelungen schaffen und sich dies im Falle von Streitigkeiten auch noch zu Nutze machen. Zudem hätte die Unwirksamkeit zur Folge, dass die gesetzliche Regelung greife, auf die die Beklagte sich jedoch nicht (mehr) berief.

Bereits beim Entwerfen des Arbeitsvertrags empfiehlt es sich, Vorsicht walten zu lassen. Der Arbeitgeber ist kraft des gesetzlichen Direktionsrechts bereits befugt, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Versetzungsklauseln können daher im Einzelfall nachteilig sein, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass solche Klausel betriebsbedingte Änderungskündigungen erheblich erschweren.

Arbeitgeber, die Mitarbeiter versetzen möchten, sollten sich auf das gesetzliche Direktionsrecht berufen, denn mit Ausnahme etwaiger Besonderheiten im Einzelfall ist die (vorsorgliche) Änderungskündigung ansonsten unverhältnismäßig.

Begehrt der Arbeitgeber hingegen, das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter zu beenden, empfiehlt sich eine Versetzung in naher Zukunft kraft Direktionsrecht. Zusätzlich sollte eine vorsorgliche Änderungskündigung und bei Arbeitsverweigerung an dem neuen Arbeitsort, eine Abmahnung des Arbeitnehmers, bis hin zur (fristlosen) verhaltensbedingten Kündigung ausgesprochen werden.

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