Keine Pflicht zur Zahlung eines Annahmeverzugslohns bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses

Veröffentlicht am 4th Jan 2016

Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis führt nicht zu einem Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Ein solcher Anspruch setzt ein – im entschiedenen Fall nicht bestehendes – durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Bei einem Verschulden des Arbeitgebers kommt aber ein Anspruch aus § 326 Abs. 2 BGB in Betracht (Bundearbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2015 – 5 AZR 975/13).

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten über rückständiges Arbeitsentgelt.

Die Klägerin war seit November 1970 bei der Beklagten beschäftigt.

Im Rahmen eines Outsourcings des Geschäftsbereichs, in dem die Klägerin beschäftigt war, schloss die Beklagte am 4. Dezember 1986 mit dem zuständigen Betriebsrat eine Vereinbarung, in der den betreffenden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht eingeräumt wurde, sofern eine Weiterbeschäftigung bei dem Erwerber aus betrieblichen Gründen ausscheide.

Mit Wirkung zum 1. Januar 1987 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch Betriebsübergang auf diesen Erwerber, die neu gegründete C GmbH über.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C GmbH, wurde der Klägerin zum 31. Januar 2010 gekündigt.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung klagte die Klägerin auf Beschäftigung bzw. hilfsweise Wiedereinstellung bei der Beklagten.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben dem Hilfsantrag stattgegeben und die Beklagte rückwirkend zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zum 1. Februar 2010 verurteilt.

Die Klägerin begehrte weiter die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des rückständigen Lohns für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Mai 2010.

Die Entscheidung

Das BAG kam zu dem Schluss, dass ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Form eines Annahmeverzugslohns mangels erfüllbaren Arbeitsverhältnisses ausscheide.

Zwar sei mit Rechtskraft des zweitinstanzlichen Urteils rückwirkend ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten begründet worden, jedoch stellt der Annahmeverzugslohn keinen eigenständigen Anspruch dar. Er knüpft vielmehr an den gegenseitigen Anspruch aus dem Arbeitsvertrag an.

Im Zeitpunkt des Arbeitsvertragsangebots am 1. Februar 2010 bestand jedoch nach Ansicht des BAG noch keine Beschäftigungspflicht der Beklagten, sodass aufgrund fehlender Nachholbarkeit der Arbeitsleistung durch die Klägerin dann auch kein Lohnanspruch entstanden sei.

Ein Zahlungsanspruch wegen eigenverschuldeter Unmöglichkeit seitens des Arbeitgebers scheide ebenso aus.

Die Beklagte durfte aufgrund eines ähnlich gelagerten Falls vor dem BAG aus dem Jahre 2005 davon ausgehen, dass sie keine Weiterbeschäftigungspflicht treffen würde. Die Beklagte hatte die Unmöglichkeit daher nicht zu vertreten, weil sie sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befand.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil hat nicht nur in der hier besprochenen, besonderen Konstellation eines zugesicherten Rückkehrrechts, sondern auch bei Widersprüchen in Folge eines Betriebsübergangs oder aber gewonnenen Kündigungsschutzprozessen eines Arbeitnehmers Bedeutung. In all diesen Fällen wird rückwirkend ein Arbeitsverhältnis für wirksam befunden.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Das Gericht hat nämlich nicht entschieden, dass bei rückwirkend begründeten Arbeitsverhältnissen grundsätzlich kein Lohnanspruch entsteht. Vielmehr hat es besonderen Umständen Rechnung getragen. Der Arbeitgeber unterlag nämlich aufgrund eines ähnlichen Urteils aus dem Jahre 2005 einem unvermeidbaren Rechtsirrtum.

Dem Arbeitnehmer steht demnach zwar kein Entgeltanspruch aus Annahmeverzug zu, jedoch hat er einen entsprechenden Zahlungsanspruch wegen verschuldeter Unmöglichkeit der Arbeitserbringung durch den Arbeitgeber.

Somit begründen auch rückwirkende Arbeitsverhältnisse in der Regel einen Lohnanspruch des Arbeitnehmers.

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