HWG aktuell: Einschränkung bei zulassungsbegründenden Studien muss nicht in Werbung erwähnt werden

Veröffentlicht am 17th Okt 2017

Werbung für Arzneimittel mit Studienergebnissen muss nicht zwingend offenlegen, dass die Ergebnisse auf einer Post-Hoc-Analyse beruhen. Das hat das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden und damit weiter konkretisiert, unter welchen Bedingungen ein Arzneimittel mit einer gesundheitsbezogenen Aussage beworben werden darf (Urteil vom 3. August 2017, Az.: 3 U 32/17). Die Entscheidung zeigt, dass ein zentraler Orientierungspunkt für die Irreführungsprüfung nach dem Heilmittelwerbegesetz das Produktinformationsblatt für Ärzte ist (Fachinformation).

Einschränkung der Studie

Im konkreten Fall stritten zwei Pharmaunternehmen über die Zulässigkeit einer Werbung für ein Arzneimittel zur Behandlung einer Stoffwechselerkrankung, die auf einem Gendefekt beruht. Wirkstoff des beworbenen Arzneimittels ist das Enzym Migalastat. Die Werbung stellte die Wirkung des Arzneimittels dar und zog dafür unter anderem die Ergebnisse der Zulassungsstudie heran. Allerdings beruhte die Zulassung des Arzneimittels auf einer sog. Post-Hoc Analyse, deren Zielparameter und Konzept von dem ursprünglich für eine Studie geplanten Zuschnitt abweicht. Auf diesen besonderen Studienzuschnitt wies das werbende Unternehmen in der Werbung nicht ausdrücklich hin.

Dies griff die Antragstellerin an und verlangte Unterlassung. Die Begründung: Die Änderung des Studienkonzepts sei für die Interpretation der Ergebnisse derart relevant, dass die Ergebnisse ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf die Einschränkungen nicht in der Werbung hätten kommuniziert werden dürfen. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die in der Werbung zum Beleg angeführte Fachinformation keine Einschränkungen der Aussagekraft der Studienergebnisse enthalte.

Unstreitig wurde das ursprünglich gesetzte Studienziel zunächst nicht erreicht. Daraufhin wurde mit einem bestimmten Teil der Studienteilnehmer die Post-Hoc-Analyse durchgeführt. In dieser Subgruppe waren all die Patienten ausgeschlossen, die eine Genmutation aufwiesen, die nicht auf den Wirkstoff Migalastat anspricht. Dadurch wurde das neu konzeptionierte Studienziel erreicht und das Arzneimittel für diesen Patientenkreis zugelassen.

Zulassung entscheidend

Das OLG entschied, dass das werbende Unternehmen im konkreten Fall nicht auf die nachträgliche Änderung des Studiendesigns hinweisen musste. Das Arzneimittel sei gerade aufgrund der in Frage stehenden Post-Hoc-Analyse zugelassen worden. Die Zulassungsbehörde erachte das Studienkonzept damit für hinreichend valide.

Dabei stellte das Gericht insbesondere darauf ab, dass sich im konkreten Fall aus der Fachinformation ergebe, dass sich die Zulassungsbehörde mit den Beschränkungen der Studie auseinandergesetzt und letztlich die Studienergebnisse ohne diese in die Fachinformation übernommen hat. In der Fachinformation werde das Ergebnis der Post-Hoc-Analyse uneingeschränkt angeführt. Zudem sei das Produkt ja gerade nur für die Behandlung von Patienten mit eben der Mutation zugelassen, die auf die Behandlung mit dem Wirkstoff Migalastat angesprochen hat.

Als Nebenaspekt machte das Gericht deutlich, dass ein Hinweis auf eine mögliche Beschränkung der Studie im Gegenteil sogar dazu geeignet sein könne, den Werbeadressaten in die Irre zu führen. So sei ein einschränkender Hinweis dazu geeignet, die Aussagekraft der Studienergebnisse im Widerspruch zum Inhalt der geprüften Fachinformation in Zweifel zu ziehen. Das Gericht ließ offen, ob die aufgestellten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Werbung die Zulassungsstudie selbst referenziert und nicht auf die Fachinformation Bezug nimmt.

Wichtige Leitlinien

Die Entscheidung gibt werbenden pharmazeutischen Unternehmen wichtige Leitlinien an die Hand:

  • Bei der Werbung mit einer zulassungsbegründenden Post-Hoc-Analyse sollten sich werbende Unternehmen in erster Linie an der Fachinformation orientieren. Arzneimittelwirkungen, die der Fachinformation entsprechen, gelten grundsätzlich als wissenschaftlich gesichert. Dies gilt zumindest dann, wenn die Ausführungen in der Fachinformation zeigen, dass sich die Zulassungsbehörde mit den Einschränkungen des Studienkonzepts auseinandergesetzt und die Studienergebnisse gleichwohl für wissenschaftlich valide erachtet hat.
  • Bereits bei der Gestaltung der Fachinformation sollte im Auge behalten werden, dass der Inhalt der Fachinformation grundsätzlich als wissenschaftlich abgesichert gilt und in der Werbung grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden kann. Bestehende Gestaltungsspielräume sollten unbedingt genutzt werden.
  • Bei der Werbung mit den Ergebnissen einer zulassungsbegründenden Post-Hoc-Analyse, die in die Fachinformation eingegangen ist, sollte stets auf die Fachinformation selbst und nicht auf die der Fachinformation zugrunde liegende Studie verwiesen werden.
  • Bei der Werbung mit einer zulassungsbegründenden Post-Hoc-Analyse sollte darauf verzichtet werden, auf eine mögliche eingeschränkte Aussagekraft der gewonnenen Studienergebnisse hinzuweisen. Dies jedenfalls dann, wenn die Post-Hoc-Analyse in die Fachinformation eingegangen ist und die Fachinformation keinerlei Einschränkungen zeigt.

Weitergehende Anwendung

Es spricht einiges dafür, dass die Grundsätze auch auf andere Fälle Anwendung finden, bei denen die Zulassungsstudie Einschränkungen enthält, die Zulassungsbehörde die Ergebnisse aber gleichwohl für valide erachtet. Relevant werden kann dies beispielsweise bei sog. Orphan Diseases, also seltenen Erkrankungen. Hier steht nur ein sehr kleiner Kreis potentieller Probanden zur Verfügung. Die Durchführung einer qualitativ hochwertigen Zulassungsstudie gestaltet sich daher in der Praxis oftmals als schwierig. Bei Anwendung der vom OLG aufgestellten Grundsätze könnte aber auch in solchen Fällen ohne Einschränkungen mit der Zulassungsstudie geworben werden.

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