Honorarhöhe als neues Kriterium für Selbstständigkeit

Veröffentlicht am 14th Jun 2017

Die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist häufig schwierig. Denn sie beruht letztlich auf einer Vielzahl von Kriterien. Nun hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 31. März 2017 (B 12 R 7/15 R) die Honorarhöhe als weiteres Kriterium angesehen.

Der Sachverhalt

Der klagende Landkreis ist Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Zur Erfüllung seiner Aufgaben schließt er mit freien Trägern sowie Einzelpersonen Verträge ab, die Leistungen der Jugendhilfe vor Ort in Familien erbringen. So war ein Heilpädagoge für den Kläger für etwa vier bis sieben Stunden pro Woche als Erziehungsbeistand auf der Grundlage einzelner Honorarverträge tätig. Daneben ging er einer Vollzeittätigkeit nach. Je Betreuungsstunde zahlte der Kläger an den Heilpädagogen ein Honorar in Höhe von EUR 40 bis EUR 41,50.

Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte in einem Statusfeststellungsverfahren fest, dass der Heilpädagoge nicht selbstständig tätig, sondern abhängig beschäftigt sei.

Das Sozialgericht und das Bayerische Landesozialgericht (Urteil vom 29. April 2015 – L 16 R 1062/13) haben eine selbstständige Tätigkeit bejaht.

Die Entscheidung

Das Bundessozialgericht hat ebenfalls eine selbstständige Tätigkeit bejaht.

Die zwischen dem Heilpädagogen und dem Landkreis geschlossenen Honorarverträge sähen vor, dass er weitgehend weisungsfrei arbeiten könne und nicht in die Arbeitsorganisation des Landkreises eingegliedert sei. Die Verträge seien auch so, wie sie schriftlich vereinbart waren, in der Praxis „gelebt“ worden. Bei der wertenden Gesamtbetrachtung, die zur Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status erforderlich ist, misst das Bundessozialgericht dem Honorar eine besondere Bedeutung zu: Denn liege das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers, zum Beispiel eines festangestellten Erziehungsbeistands, und lasse es dadurch Eigenvorsorge zu, sei dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.

Hinweise für die Praxis

Das Abstellen auf die Honorarhöhe im Rahmen der Beurteilung, ob eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist neu. Damit gibt es Selbstständigen und deren Auftraggebern eine zusätzliche Möglichkeit, Dienst- oder Werkverträge rechtssicherer zu gestalten. Insoweit ist das Urteil zu begrüßen.

Da bislang lediglich die Pressemitteilung vorliegt, bleibt abzuwarten, ob das Bundessozialgericht in den Entscheidungsgründen weitere Ausführungen dazu macht, wie deutlich das Honorar über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers sein muss. Ferner ist nicht klar, wie hoch das Honorar sein muss, damit es eine Eigenvorsorge zulässt. Dies wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Daher besteht nach wie vor eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Zudem gilt nach wie vor, dass die Statusfeststellung Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls ist. Die Vereinbarung eines erhöhten Honorars wird für sich allein eine Selbstständigkeit nicht begründen können. Wenig hilfreich dürfte das Abstellen auf die Honorarhöhe sein, wenn vergleichbar eingesetzte sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer fehlen. Schließlich bleibt abzuwarten, ob es sich nicht nur um eine Einzelfallentscheidung des Bundessozialgerichts handelt und ob diese Argumentation auch von den Arbeitsgerichten und den Sozialversicherungsträgern übernommen wird.

So sehr das Urteil des Bundessozialgerichts zu begrüßen ist, weil es die Honorarhöhe als ein Kriterium für Selbstständigkeit ansieht – die Rechtsunsicherheiten bei dem Einsatz von Fremdpersonal sind damit nicht beseitigt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 31. März 2017

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