Erfolgreicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Versetzung durch den Arbeitgeber

Veröffentlicht am 5th Apr 2017

Der Arbeitnehmer kann sich im Eilrechtsschutzverfahren ausnahmsweise erfolgreich gegen rechtsunwirksame Weisungen des Arbeitgebers zur Wehr setzen (Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. November 2016 – 7 SaGa 1629/16).

Der Sachverhalt

Die Parteien stritten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) war bei der Verfügungsbeklagen (im Folgenden: Beklagten) in einer Filiale der Beklagten in Cottbus beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag einigten sich die Parteien darauf, dass der Arbeitsort die Filiale der Beklagten in Cottbus sei. Ferner regelten die Arbeitsvertragsparteien, dass Maßnahmen auf „die Filiale“ bzw. „innerhalb der Filiale“ beschränkt seien.

Der Betrieb der Beklagten sollte auf einen neuen Inhaber übergehen. Die Klägerin widersprach der Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin und versetzte sie für die Dauer des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses in die Filiale der Beklagten in Frankfurt/Oder.

Die Klägerin weigerte sich in der Filiale in Frankfurt/Oder zu arbeiten und ersuchte gerichtlichen Rechtschutz im sog. Eilverfahren gegen ihre Versetzung durch die Beklagte.

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das Arbeitsgericht Cottbus nach mündlicher Verhandlung durch Urteil stattgegeben und im Wesentlichen damit begründet, dass die Versetzung der Klägerin unwirksam gewesen sei. Hiergegen richtete sich die statthafte Berufung der Beklagten.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; die Beklagte muss bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache dulden, dass die Klägerin ihre Arbeit in der Filiale in Frankfurt/Oder nicht aufnimmt.

Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigte damit die erstinstanzliche Auffassung, dass es im vorliegenden Verfahren ausnahmsweise einer „schnelleren“ und vorläufigen Regelung über die Wirksamkeit der Versetzung bedurfte.

Überzeugend prüfte das LAG Berlin-Brandenburg, ob eine Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig ist, sofern die Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint, sog. Regelungsverfügung im Sinne des § 940 ZPO.

Voraussetzung ist dabei das Vorliegen einer zu sichernden Rechtsposition (Verfügungsanspruch) sowie eine besondere Eilbedürftigkeit (Verfügungsgrund), welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren nach summarischer Prüfung eine vorläufige Regelung zu treffen. Die Hauptsache soll nämlich nicht durch das einstweilige und zügigere Verfahren im Eilrechtsschutz vorweggenommen werden.

Ein Verfügungsanspruch lag nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg vor. Die Möglichkeit der Versetzung richte sich nach dem Umfang des Direktionsrechts der Beklagten nach § 106 GewO. Dies stelle ein streitiges Rechtsverhältnis dar.

Der Arbeitgeber könne gemäß § 106 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung grundsätzlich nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag (…) festgelegt seien.

Der Arbeitsvertrag beschränke im vorliegenden Fall ausnahmsweise das Direktionsrecht der Beklagten. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des Arbeitsvertrags, §§ 133, 157 BGB.

Die Parteien haben sich nämlich auf den Dienstort der Filiale in Cottbus und zusätzlich in mehreren Regelungen auf die Beschränkung von Maßnahmen auf diese Filiale bzw. innerhalb dieser Filiale geeinigt. Dadurch beschränkten sie das Direktionsrecht nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg zur Festlegung des Arbeitsortes auf die konkrete Filiale in Cottbus. Im Streit stehe daher die Wirksamkeit der Vorgabe der Beklagten zum Arbeitsort und somit ein zu sicherndes Rechtsverhältnis.

Der Klägerin stehe nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg auch ein Verfügungsgrund zu. Ein solcher liege vor, wenn die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert werde; der Erlass einer einstweiligen Verfügung müsse dringend geboten sein.

Das LAG Berlin-Brandenburg arbeitete im vorliegenden Fall die unterschiedlichen Folgen einer „unbilligen“ Ausübung des Direktionsrechts einerseits und einer unwirksamen Leistungsbestimmung andererseits heraus. Im ersten Fall müsse der Arbeitnehmer die Weisung grundsätzlich befolgen; er habe das Recht die Arbeitsgerichte um eine billige Leistungsbestimmung durch Urteil zu ersuchen, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Sei die Leistungsbestimmung jedoch – wie im vorliegenden Fall – unwirksam, so sei die „billige Leistungsbestimmung“ durch das Gericht nicht möglich.

Auch sei der Erlass der Regelungsverfügung wegen des schutzwürdigen Interesses der Klägerin dringend geboten. Insbesondere spiele nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg das Risiko für die Klägerin, bei Verweigerung der Versetzung eine weitere verhaltensbedingte Kündigung zu erhalten, eine entscheidende Rolle und mache die Regelungsverfügung dringend geboten.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung wirkt auf den ersten Blick überraschend, verdient jedoch auf den zweiten Blick Zustimmung.

Die Entscheidung reiht sich in bereits ergangene obergerichtliche Entscheidungen ein, bei denen Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz bislang im Vordergrund standen, beispielsweise LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. September 2009 – 10 SaGa 9/09; LAG Köln, Urteil vom 26. Juli 2010 – 5 SaGa 10/10.

Der Arbeitgeber darf sein Direktionsrecht grundsätzlich nach billigem Ermessen ausüben (§ 106 GewO) und Arbeitnehmer können sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht über die Leistungsbestimmung einseitig hinwegsetzen. Sie sind vielmehr gesetzlich dazu gehalten, eine billige Leistungsbestimmung durch das Gericht herbeizuführen, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen die Ausübung des Direktionsrechts unwirksam ist. Das kann – wie im zu beurteilenden Fall – an der unwirksamen Überschreitung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber liegen, die eine billige Leistungsbestimmung durch ein Gericht nicht möglich macht.

Ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers nämlich durch den Arbeitsvertrag oder aufgrund der Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlicher Vorschriften beschränkt, so kann er nur in diesen festgesetzten Grenzen von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen lässt die Leistungsbestimmung nicht bloß unbillig, sondern unwirksam werden.

Klauseln zur Beschränkung sowie zur (vermeintlichen) Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts sollten arbeitsrechtlich vor Vertragsschluss geprüft werden, um unangenehme Überraschungen in dem Rechtsstreit vor den Arbeitsgerichten zu vermeiden.

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