Entschädigungsanspruch wegen Detektiv-Observation mit heimlichen Video-aufnahmen ohne hinreichenden Verdacht

Veröffentlicht am 1st Apr 2015

Lässt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ohne konkrete Verdachtsmomente wegen angeblich vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit durch einen Detektiv überwachen, handelt er rechtswidrig. Dies gilt nicht nur für die Observation als solche, sondern auch für das dabei heimlich erstellte Bildmaterial anhand von Videosequenzen. Hierdurch kann ein Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründet werden, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 – entschied.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung beschäftigt. Ab dem 27. Dezember 2011 wurde ihr eine Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer Bronchialerkrankung attestiert. Im Zeitraum bis zum 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zunächst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, im Folgenden dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie.

Die Klägerin hatte den Bandscheibenvorfall zunächst telefonisch dem Geschäftsführer mitgeteilt, dieser bezweifelte jedoch die Aussage seiner Angestellten und beauftragte einen Detektiv mit der Observation.
Im Zeitraum von Mitte bis Ende Februar 2012 wurde das Haus der Klägerin vier Tage lang observiert, wobei u. a. Aufnahmen von der Klägerin mit ihrem Mann in Begleitung ihres Hundes vor dem Haus entstanden sowie der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon festgehalten wurde. Der Observationsbericht enthielt elf Bilder, neun davon waren aus Videoaufnahmen des Detektivs entnommen.

Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig, fordert ein Schmerzensgeld und hält EUR 10.500,00 für angemessen. Die Klägerin sei erheblichen psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen, die ärztlicher Behandlung bedürften.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Hamm als Vorinstanz hat der Klage in Höhe von 1.000,00 Euro stattgegeben.

Das BAG bestätigte im Rahmen der Revision im Ergebnis die Rechtswidrigkeit der Überwachungsmaßnahme einschließlich der heimlichen Videoaufnahmen und die Angemessenheit des Schmerzensgeldes. Der Arbeitgeber habe keinen berechtigten Anlass zur Observation gehabt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin hätten weder dadurch nachvollziehbar an Beweiswert eingebüßt, dass sie von Ärzten unterschiedlicher Disziplinen stammten, noch durch eine Änderung des Krankheitsbildes oder weil der Bandscheibenvorfall anfangs nicht durch einen Facharzt behandelt worden war.

Somit habe der Arbeitgeber keinen auf konkreten Tatsachen beruhenden Verdacht gehabt, sondern vielmehr auf Grund eines allgemeinen grundsätzlichen Verdachts gehandelt, der keine Observation rechtfertigte.

Hinweise für die Praxis

Mit seinem Urteil setzt das BAG der Observation von Arbeitnehmern im Krankheitsfall enge Grenzen und stärkt die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Es wird deutlich, dass seitens des Arbeitgebers höchste Vorsicht geboten ist, wenn er einen Detektiv zur Überwachung seiner Mitarbeiter hinzuzieht. Ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht ist zwingend, um eine Schmerzensgeldklage zu verhindern und Beweisverwertungsverboten in einem möglichen Kündigungsschutzprozess aus dem Weg zu gehen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eignet sich hierzu in der Regel nicht, da sie einen ausreichenden Beweiswert als gesetzliches Nachweismittel darstellt.

Das BAG traf jedoch keine Aussage zu Videoaufnahmen in Fällen, in denen ein berechtigter Anlass zur Observation durch einen auf konkreten Tatsachen beruhenden Verdacht gegeben ist. Denkbar wäre, dass selbst in Sachverhalten mit berechtigtem Anlass eine Differenzierung zwischen der bloßen Observation einerseits und der Videodokumentation andererseits nötig ist.

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