Außerordentliche Kündigung aufgrund von Kommentaren mittels Emoticons bei Facebook

Veröffentlicht am 4th Okt 2016

Aussagen und Kommentare in sozialen Netzwerken können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Aufgrund einer Interessenabwägung im Einzelfall kann selbst bei Beleidigungen eine vorherige Abmahnung auszusprechen sein, LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2016 – 4 Sa 5/16.

Der Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen, fristlosen Kündigung und einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung.

Der verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten in Teilzeit seit 1. September 1999 ohne vorherige Beanstandungen als Montagearbeiter beschäftigt. Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 20 und pflegte seine demenzkranke Großmutter gemeinsam mit seiner ebenfalls in Teilzeit bei der Beklagten beschäftigten Ehefrau.

Ein Mitarbeiter der Beklagten war seit Mitte Juli 2015 wegen eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt. Er erstellte eine Mitteilung über seine Verletzung in seiner „Facebook-Chronik“. Über die Kommentarfunktion diskutierten 21 Personen, unter anderem der Kläger und vier weitere Mitarbeiter der Beklagten, wie folgt:

Person1: 6 Wochen gelben Urlaubsschein.

(…)
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Nachdem die Beklagte von diesem Vorfall erfuhr, kündigte Sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Anhörung des Betriebsrates außerordentlich und fristlos; hilfsweise ordentlich. Der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Pforzheim stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die beiden streitgegenständlichen Kündigungen der Beklagten aufgelöst wurde. Eine Interessenabwägung ginge zu Gunsten des Arbeitnehmers aus, da dem Arbeitgeber mit der zumutbaren Abmahnung ein milderes Mittel zur Verfügung stand. Gegen das erstinstanzliche Urteil richtete sich die Berufung der Beklagten.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) hat die Berufung zurückgewiesen.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB könne ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten sei.

In einem ersten Schritt sei zu prüfen, ob das Verhalten an sich typischerweise geeignet ist, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen.

Das Bundesarbeitsgericht habe in einer früheren Entscheidung bereits klargestellt, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08).

Das LAG nahm (ebenso wie die Vorinstanz) grundsätzlich eine Beleidigung des Vorgesetzten durch die Verwendung der Emoticons (Emoticon Schwein) und (Emoticon Affe) im Rahmen der Einträge auf der „Facebook-Chronik“ an. 

In einem zweiten Schritt sei zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar sei oder nicht.

Die demnach erforderliche Interessenabwägung ging zu Gunsten des Klägers aus. Zu berücksichtigen seien regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und die wirtschaftlichen Folgen – der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Dabei müssten dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sein.

Bei verhaltensbedingten Kündigungen komme vorrangig eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht. Nach dem LAG Baden-Württemberg sei zu erwarten gewesen, dass der Kläger nach einer Abmahnung solche Äußerungen nicht mehr öffentlich tätigen würde. Eine solche Abmahnung sei der Beklagten auch zumutbar gewesen. 

Im Rahmen einer Interessenabwägung sei die 16-jährige beanstandungslose Tätigkeit des Klägers als überdurchschnittlich guter Mitarbeiter und dessen Weiterbeschäftigungsinteresse höher zu bewerten gewesen als das Interesse der Beklagten, nur Mitarbeiter ohne Fehl und Tadel zu beschäftigen.

Hinweise für die Praxis

Arbeitsrechtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken werden immer mehr an Bedeutung gewinnen. Viele Arbeitgeber überprüfen beispielsweise im Falle der Erkrankung von Mitarbeitern, ob in sozialen Netzwerken wie etwa „Facebook“ etwas „gepostet“ wird, das gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen könnte. Die Überprüfung ist mit einem geringen Aufwand und keinen zusätzlichen Kosten verbunden.

Wie die vorliegende Entscheidung zeigt, können Einträge von Arbeitnehmern unter Umständen beleidigenden Charakter aufweisen. Dieses Verhalten ist zumindest abmahnungsfähig. Die Umstände des Einzelfalles – insbesondere eine lange beanstandungslose Beschäftigung – können zu Gunsten eines Arbeitnehmers streiten und damit gegen die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sprechen.

Arbeitgeber sind gut beraten, die Umstände des Einzelfalles konkret im Auge zu behalten und notfalls arbeitsrechtlich prüfen zu lassen.

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