Arbeitskampfrecht: Schadensersatz drittbetroffener Unternehmen

Veröffentlicht am 30th Okt 2015

Wenn es zu Arbeitskämpfen kommt, entstehen den betroffenen Unternehmen teilweise hohe finanzielle Schäden. Dabei können nicht nur diejenigen Unternehmen betroffen werden, von denen die Gewerkschaft einen Tarifabschluss begehrt, sondern auch Dritte, die an sich an der Auseinandersetzung nicht beteiligt sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun entschieden, dass drittbetroffene Fluggesellschaften keine Schadenersatzansprüche gegen die streikführende Gewerkschaft unter dem Gesichtspunkt Eigentumsverletzung, unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Verletzung von Schutzpflichten aus der Friedenspflicht und sittenwidrige Schädigung haben (BAG, Urteil vom 25. August 2015 – 1 AZR 754/13).

Der Sachverhalt

Die vier Klägerinnen sind Luftfahrtunternehmen. Die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung e.V (GdF) hatte zunächst einen Streik gegen die Flughafen Stuttgart GmbH geführt mit dem Ziel eines Tarifabschlusses für die Mitarbeiter der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale. Durch einen Dienstleistungsvertrag hat die Flughafen Stuttgart GmbH den Bereich Vorfeldkontrolle zum 1. April 2009 auf die Deutsche Flugsicherung GmbH als Dienstleister übertragen.

Am 6. April 2009 rief die GdF die bei ihr organisierten und bei der Deutschen Flugsicherung GmbH angestellten Fluglotsen am Standort Stuttgart zu einem sechsstündigen Unterstützungsstreik auf. Trotz Abwicklung von rund 25% der Flüge nach einer Notdienstvereinbarung fielen zahlreiche Flüge der Klägerinnen aus, hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden.

Die Klägerinnen machen Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt rund EUR 32.000 geltend. Zumindest bis zur Berufungsinstanz begehrten sie zudem die Feststellung einer Unterlassungspflicht bzgl. Streikmaßnahmen, die zu Störungen ihres Flugbetriebs führen.
In einem getrennten Verfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Klagen der Klägerinnen gegen den Streik an sich abgewiesen und die Parteien haben das Berufungsverfahren wegen zwischenzeitlicher Einigung zwischen der GdF und der Flughafen Stuttgart GmbH für erledigt erklärt. 

Die Entscheidung

Das BAG hat im Einklang mit den Vorinstanzen entschieden, dass keine Schadensersatzansprüche der drittbetroffenen Flugunternehmen gegen die streikführende Gewerkschaft bestehen.

Eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 Abs.1 BGB liege nicht vor, da es sich in diesem Fall vielmehr um eine vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit der Flugzeuge handele. Auch der Streik der Fluglotsen begründe keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht i.S.d § 823 Abs. 1 BGB. Der Grund dafür ist nach der Entscheidung des BAG, dass keine unmittelbare betriebsbezogene Beeinträchtigung des gewerblichen Tätigkeitskreises der Klägerinnen gegeben ist. Der Unterstützungsstreik war lediglich gegen den Betrieb der Deutschen Flugsicherung GmbH gerichtet. Schließlich lägen die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen i.S.d. § 826 BGB nicht vor.

Den Klägerinnen standen infolgedessen keine Schadensersatzansprüche zu.

Hinweise für die Praxis

Es gehört zum Wesen des Streiks, dass hiervon auch Dritte – wie Zulieferer, Kunden, Abnehmer usw. -, die Leistungen des bestreikten Unternehmens abnehmen, mittelbar betroffen sein können. Die Entscheidung zeigt, dass durch den Streik häufig die wirtschaftlichen Interessen Dritter mittelbar beeinträchtigt werden. Drittbetroffene haben aber in der Regel keinen Einfluss auf das Geschehen. Die BAG-Entscheidung bestätigt, dass sie regelmäßig auch keinen Schadensersatzanspruch haben. Das Gericht bezieht Position gegen eine mittelbare Einschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Streikrechts durch eine zivilrechtliche Haftung der Gewerkschaften gegenüber Drittbetroffenen.

Die wichtigste Möglichkeit zur Schadensminimierung für drittbetroffene Unternehmen ist und bleibt damit, die Auswirkungen eines fremden Streikgeschehens auf den eigenen Betrieb so gering wie möglich zu halten und unmittelbar während des Streiks durch organisatorische Maßnahmen zu reagieren. Oftmals – wie etwa im Fall eines Streiks der Flugsicherung – sind dem aber rein praktisch gesehen enge Grenzen gesetzt. In anderen Fällen kann je nach Branche eine Verschiebung bestimmter Arbeitsschritte oder das Zurückgreifen auf alternative Transportmittel oder Personalressourcen ein geeigneter Lösungsansatz sein.

Quelle: PM Nr. 43 des BAG vom 25. August 2015.

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